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Die Beschwerde

Ich werde geschlagen, aber irgendwie sind diese Schläge das Beste, was mit passieren kann.

Von Todor Ovtcharov

Im folgenden Text will ich mich beschweren. Ich werde geschlagen. Meine liebe M. schlägt mich dauernd und sagt, dass sie es aus Liebe macht. Stellt euch jetzt keine Szenen mit Auspeitschen und Fesseln mit Handschellen am Bettrand vor. Sie gibt es zwar in bestimmten Filmen, aber nicht in meinem Leben. M. ist viel kreativer.

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Als ich vor Kurzem eine Zeitung gelesen habe, bekam ich einen „Tschember“ auf dem Kopf. Der „Tschember“ ist ein spezieller Schlag im Repertoire von M. Sie nimmt den Mittelfinger, streckt ihn aus und lässt ihn mit einem lauten Knall auf meinen Kopf sausen. Üblicherweise wackelt danach mein Kopf und ich vergesse den letzten Satz, den ich in der Zeitung gelesen habe. Ich brauche noch einen Tschember, damit ich ihn mir wieder merke. Während ich Zeitung lese und ab und zu solche Tschembers von M. bekomme, lerne ich so alle Reden von österreichischen und Weltpolitkern auswendig. Ob das gut ist, weiß ich nicht.

Der zweite Schlag im Arsenal von M. ist die Watsche auf den Hinterkopf. Sie trifft mich immer auf den Hinterkopf, wenn ich meinen Kopf gebeugt habe. Ihre Hand passt ganz gut darauf. Das Klatschen ist immer laut. Der psychologische Effekt ist, dass ich nie wieder gebeugt gehe. Nach einer solchen Watsche auf den Hinterkopf fiel ich auf den Boden und schaute so unter das Bett. Dort fand ich meine verloren geglaubte Brieftasche. Da meine U-Bahn Karte drin war, hatte ich davor ich drei Tage lang zu Fuß gehen müssen. Außerdem wurde ich so um siebzehn Euro reicher. Die Watsche auf den Hinterkopf machte mich reich für einen Tag.

Das dritte, was ich aushalten muss, ist das Kneifen. Das ist kein gewöhnliches Kneifen, sondern eines mit Drehen. Bei dieser Art Kneifen, kneift mich M. oberhalb des Ellenbogens und ich spüre, wie meine Beine zum Steptanzen beginnen. Man weiß ja nie, wie man sich drehen wird, wenn man so gekniffen wird.

Wenn mich M. in der Öffentlichkeit kneift, muss ich aufpassen, nicht gleichzeitig wie eine Sirene zu schreien und wie Fred Astaire zu tanzen. Das letzte Mal so gekniffen wurde ich auf der Weihnachtsparty eines Unternehmens, wo ich gerade gearbeitet habe. Ich war gerade dabei, meinen Chef zu verbessern, dass Hektor ein Held des Trojanischen Krieges sei und nicht nur eine Hundefuttermarke. In dem Moment wurde ich gekniffen und wackelte wie von einem starken Stromstoß getroffen. Ich vergaß schnell, was ich sagen wollte und behielt meinen Job - im Gegensatz zu anderen Kollegen, die die ganze Zeit redeten, wie dumm der Boss sei.

Und man sagt, dass Kneifen gut für die Haut ist. Ich habe wahrscheinlich die gesündeste Haut in Mitteleuropa.

Ich wollte mich eigentlich beschweren... Es scheint aber, dass die Schläge das Beste sind, was mir passieren konnte.

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