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Avant Verlag

graphic novel

Die besten Feinde

Ein Comic über das vielleicht komplexeste Thema unserer Zeit: die Beziehungen zwischen der USA und dem Nahen Osten. Wieso das überraschend gut gelingt.

Von Ali Cem Deniz

8. November 2016. Die Mehrheit der Weltbevölkerung - auch die der USA - sieht in Donald Trump einen gefährlichen Troll, der sein Land und vielleicht die ganze Welt in den Abgrund stürzen könnte.

Ausgerechnet im Nahen Osten ist das etwas anders. Kurz nachdem das Wahlergebnis feststeht, ruft der ägyptische Abdelfattah al-Sisi an um zu gratulieren. Er ist der erste, aber nicht der einzige. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gratulieren ebenso und erhoffen sich von der Trump-Regierung Frieden und Stabilität für den Nahen Osten. Nur hohle Phrasen von Politikern auf gleicher Wellenlänge? Nicht ganz.

Es ist kompliziert

So intensiv wie derzeit haben sich europäische Medien selten mit der US-Politik beschäftigt. Für viele Menschen im Nahen Osten hingegen ist das Normalität. In den USA sehen sie abwechselnd ihren wichtigsten Verbündeten oder ihren größten Feind. Die komplizierten Beziehungen haben vor allem seit 9/11 eine Armee an Expertinnen und Experten hervorgebracht, die täglich in Büchern, Artikel und Tweets zu erklären versuchen, was die USA im Nahen Osten treibt. Oft scheitern sie.

Cover vom Graphic Novel Die besten Feinde

Avant Verlag

Die besten Feinde ist in drei Teilen im Avant-Verlag erschienen.

Der französische Historiker Jean-Pierre Filiu geht einen anderen Weg. Mit dem Zeichner David B. präsentiert er in der Reihe „Die besten Feinde“ die Geschichte der USA im Nahen Osten in Comicform. Und die fängt viel früher an, als die meisten vermuten würden.

Lange vor dem Erdöl, vor Saddam oder al-Qaida, startet die junge amerikanische Nation im späten 18. Jahrhundert ihren ersten Krieg in der Region. Nicht mit Kampfjets, sondern mit Kriegsschiffen, bekämpft sie Piraten im Mittelmeer, die unter osmanischer Schirmherrschaft amerikanische Schiffe plündern.

Die Büchse der Pandora

Das erste Band beschäftigt sich vor allem mit diesen Schlachten im Mittelmeer. Danach geht es im rasenden Tempo durch das 19. und das 20. Jahrhundert bis zu einem der vielleicht wichtigsten Ereignisse überhaupt. Die CIA stürzt 1953 mithilfe des britischen Geheimdiensts den iranischen Premierminister Mossadegh und installiert an seiner Stelle den Schah.

Damit ist die Büchse der Pandora geöffnet. Die folgenden zwei Bände beschäftigen sich dann mit der modernen Geschichte von der iranischen Revoliton, über den Golfkrieg, 9/11 bis hin zum aktuellen syrischen Bürgerkrieg.

Cover vom dritten Teil des Graphic Novels "Die besten Feinde"

Avant Verlag

Als die drei schmalen Comic-Bücher auf meinem Tisch landeten war ich etwas skeptisch. Ich habe die letzten zehn Jahre in selbstzerstörerischer Manier nahezu täglich alle möglichen JournalistInnen, Twitter-ExpertInnen, research fellows, think tank analysts und wie sie noch alle heißen, verfolgt. Was soll da ein Comic bringen?

Erstaunlich viel. Zunächst mal gibt Jean-Pierre Filliu einen guten Überblick über die spannungsreiche Geschichte, die von ständigen Interventionen, Zerstörungen und Enttäuschungen geprägt ist. Besonders Laien, die die Thematik mithilfe von Tageszeitungen zu entschlüsseln versuchen, erhalten neue Perspektiven in Bezug auf die Konflikte und Bündnisse in der Region.

Seltene Kombination

Zeichner David B. stiehlt aber dem Historiker die Show. Die schwarz-weißen expressionistischen Zeichnungen erinnern an politische Karikaturen - mit Tendenz zum Surrealismus. Panzer verwandeln sich in bizarre Kreaturen mit offenen Mündern und weißen Zähnen. Politiker wiederum verwandeln sich in Pipelines und Waffen.

Mit seinem subjektiven, nicht-journalistischen Stil, schafft es David B., die Geschichte greifbar und sogar humoristisch darzustellen. Eine seltene Kombination, wenn es um die USA und den Nahen Osten geht.

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