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APA/Hans Punz

Es ist ein Theater mit den Flüchtlingen

Mit einem Theaterstück will das Innenministerium Schüler_innen über das Thema Flucht aufklären. Kritiker_innen werfen dem Stück plumpe Propaganda vor.

Von Michael Fiedler

Zwei Flüchtlinge kommen nach Österreich: Der syrische Künstler Nadim und der Arbeitslose Afrikaner Mojo. Nadim hat sich im Bürgerkrieg um einen verletzten Journalisten aus Österreich gekümmert, er flieht vor dem immer heftiger tobenden Krieg. Der Afrikaner Mojo hingegen hat keine Arbeit. Er flieht im naiven Glauben an die Youtube-Videos von Schleppern, die in Europa Willkommensgeld, Wohnung und sogar ein Auto versprechen: „Musikalisch und tänzerisch werden in dem Traum Schlepper zu Sirenen, die den Flüchtenden Verlockungen aller Art präsentieren und sie ins Verderben ziehen.“ (Aus „Welt in Bewegung“)

Während der Syrer, der nicht nur einen einwandfreien Fluchtgrund vorweisen kann, sondern auch noch gebildet ist und sich vorbildlich integriert, Asyl bekommt, wird der Asylantrag des Wirtschaftsflüchtlings aus Afrika abgelehnt. Seine Naivität führt ihn in die Fänge des IS. Doch die Polizei kann rechtzeitig eingreifen, bevor die von ihm produzierten islamistischen Flugblätter in Umlauf gelangen.

Das ist der schlichte Plot des Theaterstücks „Welt in Bewegung“ für 11- bis 17jährige Schüler_innen, das der Regisseur und Schauspiellehrer Edmund Emge geschrieben hat. Den Auftrag dazu hat er mit seiner Firma Acting Power 2017 vom Innenministerium, damals unter der Führung von Wolfgang Sobotka, bekommen.

Propaganda?

Die Regisseurin Tina Leisch nennt es plumpe Propaganda: „Es ist eine Vergewaltigung dessen, was Theater oder Kunst sein soll, nämlich zum Denken aufzurufen und nicht zu sagen: Wir sind das Ministerium und wir drucken unsere politische Position den Kindern aufs Aug’.“ Eine Lehrerin, die mit ihrer Klasse „Welt in Bewegung“ gesehen hat, sagt: „Es hat meine jahrelange Integrationsarbeit gefährdet.“

„Es ist die platteste und dümmste Propaganda.“ Tina Leisch

An der Entwicklung des Stückes waren neben dem Innenministerium auch das International Centre for Migration Policy Development und die Pädagogische Hochschule Niederösterreich beteiligt. Rund 75 Mal ist es seit Juni 2017 laut Edmund Emge an österreichischen Schulen gelaufen. Es wird gerne angenommen, denn im Gegensatz zu anderen Theateraufführungen ist es für die Schulen gratis. Tausende Schüler_innen haben es gesehen. Bei den Aufführungen sind „Kommunikatoren“ des Innenministeriums dabei, die in den anschließend angebotenen Diskussionen die Position des Ministeriums vertreten. Und das Innenministerium war auch in den Entstehungsprozess eingebunden, sagt Autor Emge:

„Die haben das natürlich immer kontrolliert, während der Entstehung schon, und haben dafür gesorgt, dass rechtlich und fachlich alles in Ordnung ist. Sie haben meine künstlerische Freiheit in keiner Weise beschnitten, aber mir natürlich gesagt, welche Szenen vielleicht nicht ganz so korrekt sind und das wurde dann korrigiert.“

Das Stück ist Radio FM4 im Volltext zugespielt worden, es strotzt vor rassistischen Stereotypen und Klischees - da gibt es die ausländerfeindliche ältere Tante und leichtgläubige Helferinnen, die einen „Yogakurs für Flüchtlinge“ organisieren, und der Afrikaner Mojo ist auch noch Voodoo-Zauberer: „Gibt’s da nicht irgendeinen afrikanischen Zauber, der da nachhelfen könnte? Voodoo oder so? Mojo: Kann ich versuchen! Doris holt Puppe. Mojo verzaubert Puppe.“ Im Gegensatz zu Nadim hat Mojo nicht einmal ein Heimatland, er kommt einfach aus Afrika.

„Afrika“ und Asylanträge in Österreich
Afrika ist der zweitgrößte Kontinent und hat 55 anerkannte Staaten. In etlichen davon herrscht Krieg, etwa in Somalia, Nigeria oder Sudan. In anderen Ländern werden Menschen aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit oder ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. 2017 haben 1021 Asylwerber_innen aus 22 afrikanischen Staaten rechtskräftig Asyl in Österreich bekommen.

Auch Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren hat das Stück gelesen und findet klare Worte: „Das Stück ist eine Agenturleistung und sonst nichts. Das Innenministerium hat bestellt, die Agentur hat geliefert. Es wird also gespielt, was das Innenministerium will. Es ist eigentlich auch kein Stück, sondern eine Belehrung, bei dem am Ende das richtige Denken herauskommen soll.“

„Das Innenministerium hat bestellt, die Agentur hat geliefert.“ Gerhard Ruiss

Alexander Marakovits, Sprecher des Innenministeriums, entgegnet dem: „Meinungsvielfalt existiert. Wir haben auch ganz viel Zustimmung und auch sehr viele Anmeldungen von Schulen, die das Theaterstück sehen wollen. Wir haben das jetzt einmal gemeinsam mit anderen ins Leben gerufen, man wird das sicher auch evaluieren und sehen, welchen Nutzen das hat. Aber wichtig ist auch, Dinge auszuprobieren und Informationen näher zu bringen. Man muss auch über jene Themen sprechen, die man in der Gesellschaft nicht so gerne hört.“

Woher nimmst du das Geld für die Flüchtlinge?

Das Stück „Welt in Bewegung“ ist eines von mehreren Projekten, mit denen der ehemalige Innenminister und aktuelle Erste Präsident des österreichischen Nationalrats Wolfgang Sobotka das Thema Flucht Kindern und Jugendlichen näher bringen wollte - aus seiner Sicht, muss man wohl dazu sagen - und die auch unter dem neuen Innenminister Herbert Kickl weiter laufen.

Dazu gehört ein weiteres Theaterstück für Volksschulkinder, Erklärvideos, eine Infografikbroschüre und ein Politik-Planspiel für die Oberstufe, „wo Schülerinnen und Schüler in die Rolle von Politikern schlüpfen sollen, um sich die Problematik auch aus deren Blickwinkeln anzusehen. Wenn sie zum Beispiel sagen, es müsste mehr Geld für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden, müssen sie dann auch Lösungen präsentieren. Also woher man dieses Geld nimmt, wo man das Budget dementsprechend verändert“, erklärt der Theaterregisseur Emge.

Sie müssen also woanders sparen, vielleicht bei Krankenhäusern, bei Kindergärten oder Schulen oder bei den Pensionen? Es sind schwierige Entscheidungen, die Minderjährige hier treffen sollen. Entscheidungen, die auch erwachsene Minister nicht aus dem Bauch heraus nach einem halbstündigen Stück zum Thema treffen, Entscheidungen, bei denen sie ans Völkerrecht, an internationale oder EU-weite Verträge gebunden sind. Für die Kritiker_innen des Stückes werden komplexe Zusammenhänge nicht angestoßen, sondern einfach weggekürzt.

Updates vom 30.3.

  • Die für heute geplante Vorstellung von „Welt in Bewegung“ im Weltmuseum in Wien wurde kurzfristig abgesagt. Wie das Ö1 Mittagsjournal berichtet, möchte man die Stückfassung und den Hintergrund noch einmal prüfen:
  • Der gute und der böse Flüchtling (Ö1 Mittagsjournal vom 30.3.)

„Ziel ist es, Menschen objektive Informationen über Migration, über die Chancen und Risken der Migration, zur Verfügung zu stellen und einen sachlichen Dialog über das Thema zu fördern“, sagt Sobotka kurz vor Ende seiner Amtszeit bei der Präsentation des nun für die erwähnten Projekte zuständigen Migrationszentrums.

Objektive Informationen schauen anders aus. Für Mojo geht die Abschiebung zurück in sein namenloses Land irgendwo in Afrika jedenfalls gut aus: „Er hat seine Verlobte geheiratet und mit Förderungen ein kleines Unternehmen aufgebaut“, heißt es in „Welt in Bewegung“.

Tina Leisch sagt dazu: „Das ist eine so krasse Verblödung, so etwas ist man eigentlich nur von totalitären Systemen gewohnt.“

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