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Artwork von "A Way Out": Vincent und Leo stehen nebeneinander, im Hintergrund sieht man das Flutlicht des Gefängnisses.

Hazelight Studios / EA

Wir kommen nur gemeinsam raus

Kooperatives Spielen ist in Games oft eine Option, aber selten eine Voraussetzung. „A Way Out“, die interaktive Geschichte einer Männerfreundschaft, lässt sich jedoch nur gemeinsam erleben.

Von Robert Glashüttner

„Fuck the Oscars!“ – Das hat der Filmregisseur und Gamedesigner Josef Fares im Rahmen von The Game Awards letzten Dezember verkündet, als dort sein aktuelles Game „A Way Out“ vorgestellt worden ist. Mit Fares hat die internationale Games-Community spätestens seit diesem Zeitpunkt ein neues enfant terrible. Doch das gegenseitige Ausspielen von Film und Spiel ist gar nicht notwendig, wenn man gewissermaßen beides in einem haben kann: „A Way Out“ ist nämlich eine lineare, interaktive Geschichte zweier Sträflinge, die in den 1970er Jahren aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausbrechen. Die große Besonderheit liegt im kooperativen Spielen begründet, denn „A Way Out“ ist nur gemeinsam mit einer zweiten Person spielbar – lokal oder online.

Leo und Vincent im Split-Screen

Hazelight Studios / EA

Zwei ungleiche Brüder

Fares hat nach seinem Wechsel von der Film- in die Gamesbranche bereits mit seinem Spieledebüt „Brothers: A Tale of Two Sons“ (2013) auf mehr oder weniger miteinander verwandte Brüder und kooperatives Spielen gesetzt. Damals allerdings war es umgekehrt: Eine Person musste beide Figuren gleichzeitig steuern.

Auf den ersten Blick sieht „A Way Out“ nach keiner außergewöhnlichen Geschichte aus: Zwei weiße Sträflinge, beide so um die 40, sind harte Burschen, klopfen coole Sprüche und wollen aus dem Gefängnis raus. Das Setting wirkt etwas klischeehaft und man hat Sorge, dass sich über den Spielverlauf hinweg das Game selbst zu ernst nehmen würde.



Doch nach der ersten Stunde im Spiel stellt sich heraus, dass dieser Ersteindruck täuscht: Die beiden Charaktere sind in der Wesensart recht unterschiedlich und die Dialoge mitunter durchaus humorvoll. Etwa, wenn Leo und Vincent gemeinsam in einen dunklen Abwasserschacht hinunterspringen müssen: Leo, die aufbrausend und impulsiv agierende Figur, springt einfach mal drauf los und ignoriert Vincents Hinweis, dass man vermutlich eine Lampe brauchen würde. Im stockdunklen Loch angekommen, kommt schließlich die kleinlaut vorgetragene Bitte an den Kollegen nach oben: Such doch bitte nach einer Lampe!

Langsam wachs’ ma z’samm

„A Way Out“ von Hazelight Studios ist im Vertrieb von EA für Windows, Playstation 4 und Xbox One erschienen. Das Spiel ist nur zu zweit lokal oder online (mit einer Person aus der jeweiligen Freundesliste) spielbar.

Am Anfang sind sich die zwei Männer noch wechselseitig suspekt, doch es stellt sich bald heraus, dass sie nicht nur beide aus dem Gefängnis ausbrechen wollen, sondern auch denselben Feind haben, den sie zur Strecke bringen wollen. Was zuerst eine Zweckgemeinschaft ist, wird langsam zu einer verlässlichen Partnerschaft und schließlich zur Freundschaft. Als Spielerin und Spieler begleitet man diesen Prozess und fühlt ähnlich wie die Charaktere: zuerst sind sie einem noch eher wurscht, aber nach den ersten paar gemeinsamen Abenteuern wachsen sie einem Stück für Stück ans Herz.

Einer der ersten gemeinsamen Aufgaben und der offizielle Startschuss des Bündnisses von Leo und Vincent ist es, im Krankenhaus eine Feile zu stehlen. Der eine schleicht sich an das Werkzeug heran, während der andere währenddessen die Wachen ablenkt.

Brudis über alles

Das Zusammenspiel von Vincent und Leo treibt die Entwicklung ihrer Freundschaft voran, die zwar keine homoerotischen Momente beinhaltet, aber dann doch viel Körperkontakt mit sich bringt. Die beiden machen sich immer wieder die Räuberleiter, ziehen sich gegenseitig von Abgründen hoch und klettern Rücken an Rücken Schächte entlang. Ein bisschen müssen die Figuren ihre „No homo“-Attitüde zwar durch so manchen markigen Kommentar zur Schau stellen, dennoch gehen die Männer auf ihre Art liebevoll und wertschätzend miteinander um.

Leo und Vincent klettern Rücken an Rücken in einem Schacht

Hazelight Studios / EA

IRL brothers

Josef Fares’ Bruder, der Schauspieler Fares Fares, ist nicht nur optisch für die Figur von Leo Modell gestanden, sondern hat auch seine Texte eingesprochen. Das expressive Auftreten der Fares-Brüder ist wohl nicht reine Berechnung, bringt aber natürlich viel Aufmerksamkeit und PR für das Spiel.

A propos Körperkontakt: „A Way Out“ ist ausschließlich gemeinsam mit einer zweiten Person spielbar. Entweder man sitzt nebeneinander oder die andere Spielerin ist via Internet und Headset mit einem verbunden. Einer spielt Leo, die andere Vincent. Die Aufgaben und Rätsel im Spiel sind eigentlich recht einfach, aber eben nur gemeinsam lösbar und gerade deshalb ziemlich außergewöhnlich. So kann man etwa diverse Hindernisse nur überwinden, indem von beiden Spielern ein bestimmter Knopf gedrückt wird - etwa, um einen Baumstamm wegzuheben. Oder man muss diverse Aktionen zeitgleich ausführen, wenn zum Beispiel Wachen überwältigt oder Türen aufgebrochen werden sollen.

Ein Freund für alle Fälle

Die Story und die Tätigkeiten von Vincent und Leo sind sehr vielseitig: Wir laufen, schleichen, springen, reden, fahren, schießen, fischen, basteln und musizieren sogar miteinander. Die Spielmechanik hält mit dieser Abwechslung mit: Manchmal müssen wir nur in schneller Abfolge bestimmte Knöpfe drücken, an anderer Stelle wieder auf den richtigen gemeinsamen Rhythmus achten, und in den Action-Szenen steigt beispielsweise einer aufs Gaspedal, während der andere die Polizeiautos ins Visier nimmt. „A Way Out“ ist eine kurzweilige, zugängliche, unterhaltsame und vor allem soziale Erfahrung, die in dieser Form noch sehr neuartig ist.

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