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Chinas Super-App und Überwachungstraum

Instagram, Facebook, Snapchat, Uber, Youtube, Gmail: der Großteil aller Services, die uns unverzichtbar scheinen, ist in China geblockt. Dafür gibt es dort mit WeChat einen One-Stop- Shop, mit dem man kommunizieren, ein Taxi bestellen und sogar bezahlen kann. Eine Milliarde Menschen nutzen die App und werden durch sie auch fast lückenlos überwacht.

Von Anna Masoner

Kaum wer in Europa, aber jeder, der schon mal in China war oder dort lebt, kennt die App und hat sie auf seinem Smartphone. Ohne WeChat ist man verloren. Man braucht vor allem die Messenger-Funktion um mit Leuten in Kontakt zu kommen, sie funktioniert so ähnlich wie WhatsApp. Wenn man neue Leute kennenlernt, fügt man sie erstmal auf Weixin hinzu, wie die App in China heißt. Das geht superpraktisch mit einem QR-Code, den der andere nur mal schnell abfotografieren muss.

Die Killeranwendung aber heißt Mobile Payment: Man kann an jeder winzigen Suppenküche auf der Straße das Handy an einen QR Code halten, dann wird der Betrag einfach vom Konto abgebucht. Mit einer Kreditkarte ist man in China schon ein Exot, damit zahlen kann man kaum wo.

Die App als Chinas Betriebssystem

Man kann mit Wechat außerdem ein Taxi bestellen, Flüge buchen, eines der vielen Leihfahrräder mieten, Nachrichten lesen, online shoppen, Fotos teilen, Infos im Web suchen sogar Arzttermine buchen. Seit kurzem kann man die App auch als eine Art virtuellen Ausweis nutzen. Für viele Chinesen existiert abseits von Wechat online gar nichts mehr. Das liegt auch daran, dass es kaum Konkurrenz gibt. Facebook, Twitter, Instagram oder Gmail sind in China gesperrt und nur mühsam über technische Umwege erreichbar.

Hinter WeChat steckt der Techgigant Tencent

WeChat gibt es seit sieben Jahren. Lanciert hat die App die riesigen Tech- und Spielefirma Tencent. Das Unternehmen mit Sitz im südchinesischen Shenzhen ist eines der Tech-Schwergewichte in China. Neben der Suchmaschine Baidu (das chinesische Google) und neben dem Onlinehändler Alibaba (sowas wie Amazon). Tencent ist sogar eine der wertvollsten Techfirmen der Welt und an der Börse schon mehr wert als Facebook. Sein Geld verdient der Konzern hauptsächlich mit Games, zum Beispiel dem Blockbuster King of Glory. Daneben bietet Tencent auch Musikstreaming an, einen E-Book Katalog und mit QQ auch einen Messenger für junge Chinesen.

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Mit der Auswahl an verrückten animierten Emojis steckt WeChat Konkurrenten in den Sack

Tencent unterhält ein eigenes KI Lab, in dem etwa an automatischer Gesichtserkennung gearbeitet wird. Dass Tencent so groß ist, hat der Techriese auch der chinesischen Regierung zu verdanken. Staat und Technologiefirmen sind eng miteinander verzahnt: sie helfen dem autoritären Regime, den Bürgern auf den Mund zu schauen und der Staat sperrt mit der großen chinesischen Firewall dafür ausländische Konkurrenten aus.

Gestartet ist WeChat übrigens als chinesische Kopie des Messenger Dienstes ICQ. Immer öfter kupfert nun das Silicon Valley bei WeChat ab, zum Beispiel, was die Bezahlfunktion angeht.

Feinmaschige Onlinezensur

Diverse Dienste in einer App vereint, dass macht das Onlineleben zwar einfacher und übersichtlicher, bringt aber auch Tücken.

Man muss davon ausgehen, dass staatlich kontrollierte, konzerninterne Zensurabteilungen alles im Blick haben, was sich in der App tut und gegebenfalls zensieren. Und das betrifft nicht nur Kritik an der Regierung oder Schlüsselwörter wie Tian‘anmen (am „Platz des Himmlischen Friedens“ wurden 1989 friedliche Studentenproteste blutig niedergeschlagen), sondern auch Bilder.

So teilt WeChat auch Standortdaten seiner Nutzerinnen und Nutzer mit der Polizei, die daraus unter anderem sogenannte Heat-Maps bastelt, die anzeigen, wie viele Leute sich gerade an einem Ort aufhalten. So können die Behörden die WeChat Nutzer recht einfach überwachen.

Ausländische Regierungen warnen deshalb auch vor dem Benutzen von WeChat. Vor kurzem hat Australien allen Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums verboten, WeChat zu installieren, weil sie Spionageangriffe befürchten.

FM4 Homebase Spezial über Chinas Tech-(Alb)-Träume

Am 09.04 sprechen wir in der FM4 Homebase ab 21 Uhr über die Techszene in Shenzhen, Onlinezensur und Überwachungskameras, WeChat, und das berüchtigte chinesische Social Credit System.

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