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Szenenbilder der Serie "Trust"

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You can’t always Getty what you want

Die tragische Geschichte der reichen Getty-Familie, eingebettet in die an visuellen Spompanadeln reiche Welt des Danny Boyle. Die Serie „Trust“ betört durch stilistische Flatterhaftigkeit und Retropanier.

Von Pia Reiser

Ihm gehört das zweitberühmteste abgeschnittene Ohr der Weltgeschichte: John Paul Getty III. Getty wie Getty Images, doch 1973 ist es hauptsächlich Öl, das den Reichtum in die Getty-Familie spült. Als der 16-jährige John Paul Getty III 1973 entführt wird, weigert sich sein Großvater J. Paul Getty (soviel Geld, so wenig Namen!) Lösegeld zu zahlen, irgendwann landet dann ein Paket mit Locken und dem rechten Ohr seines Enkels bei einer italienischen Zeitung. Verfilmt wurde die Geschichte um die Getty-Entführung nun fast zeitgleich zweimal.

In Ridley Scotts „All the money in the world“ spielte Christopher Plummer das Familienoberhaupt, den exzentrischen Öl-Tycoon, in der Serie „Trust“ übernimmt Donald Sutherland diese Rolle. Mit Menschenverachtung im Allgemeinen und für Mitglieder seiner Familie im Speziellen steht J. Paul jeden Morgen auf, notiert jeden ausgegebenen Cent in einem kleinen Notizheft und hält sich selbst mit einer Gruppe von jungen Frauen bei Laune.

Die wohnen alle in dem stattlichen Anwesen, trotzdem stehen noch 17 Schlafzimmer in Sutton Place frei. In der Halle befindet sich ein Münztelefon, weil, wie Niki Lauda hat auch J. Paul nichts zu verschenken.

Szenenbilder der Serie "Trust"

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In der ersten Episode von „Trust“ hat Danny Boyle, der die Serie mitentwickelt hat und bei den ersten drei Episoden auch Regie geführt hat, sichtlich Freude am Inszenieren dieser schwerreichen und schwer unglücklichen Familie. Und bei unglücklichen Familien kann man dann nie wirklich umhin an das Zitat aus „Anna Karenina“ zu denken, dass eben glückliche Familien einander ähneln, unglücklich ist jede Familie auf ihre eigene Weise.

Bei Danny Boyle wird diese unglückliche Weise gewohnt überladen, visuell einfallsreich inszeniert. In einer Sequenz tanzt die Kamera in einer beeindruckend langen Fahrt, die an Martin Scorsese erinnert, vom Pool einer Villa in Los Angeles hinweg über tanzende Partygäste bis zu einer Garage, in der sich ein Mann eine Grillgabel in die Brust rammt. Dazu spielt die Partyband im Garten „Money“ von Pink Floyd, „Money, it’s a gas/
Grab that cash with both hands and make a stash/
New car, caviar, four star daydream“
.

Soundtrackmäßig geht Danny Boyle immer gern auf Nummer Sicher, bloß keine Sound-Bild-Schere aufmachen, lieber Songlyrics als griechischer Chor, shouting Lager Lager Lager. Hier wird zunächst weniger gebrüllt, stattdessen geflüstert, wenn der Mann mit der Grillgabel in der Brust sich als George Getty herausstellt, der nun - zurück in England - beerdigt wird.

Georges Brüder haben allein durch die bloße Präsenz des übermächtigen und misanthropischen Vaters schon nach fünf Minuten am Getty-Anwesen Lager Lager Lagerkoller und wollen schnell wieder weg. Nur einer ist gekommen, um zu bleiben (und um Geld zu bitten). John Paul Getty III sieht mit Schlaghosen und Lockenmähne aus wie Jim Morrison in einer Schulaufführung von „Hair“. Der 16-jährige Enkel des Millionärs hat bei allzu ausuferndem süßem Leben in Rom Schulden gemacht. Der Großpapa soll’s jetzt richten.

Szenenbilder der Serie "Trust"

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Tragik gemischt mit Dekadenz, Reichtum und Verbrechen, das hat immer Saison, von Tolstoi bis „Dallas“, von den Hearsts zu den Kennedys, von Gatsby bis Getty. Und wie Boyle in der ersten Episode den alten Patriarchen und Pfennigfuchser wohlformuliert Gift und Galle spucken lässt, ist schön anzusehen. Eine Figur irgendwo zwischen King Lear und Ebenezer Scrooge, eingefangen mit den schiefen Kameraeinstellungen, an denen Danny Boyle seit jeher einen Narren gefressen hat.

Den großen, süchtig machenden erzählerischen Sog, den manche Serien auslösen, kreiert „Trust“ nicht, dafür ist es durch die Boyle’schen Spleens visuell spielerischer und unberechenbarer als die meisten Serien, vor allem, die sich an wahren Geschichte abarbeiten.

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Statt auf Chronologie setzt „Trust“ auf Perspektivenwechsel, jede der drei ersten Episoden rückt eine andere Figur in den Mittelpunkt. Episode Zwei eröffnet grandios Brendan Fraser mit Cowboyhut, der aus einer Flasche Milch trinkt und in breitem Südstaatenakzent erläutert, was das Problem mit dem Jahr 1973 ist. Der Mann mit dem Bolotie und dem klasse Namen Fletcher Chase ermittelt nach der Entführung in Rom, wo John Paul III zuletzt gelebt hat, in einer abgeranzten Bohemien-WG, mit Zwillingen, Drogen und der Tendenz, Schulden anzuhäufen.

„Trust“-Autor Simon Beaufoy ist der Meinung, dass John Paul Getty selbst die Idee zu seiner Entführung hatte.

Wie der große Fletcher Chase breitbeinig durch das pittoreske Rom stampft, auf der Suche nach Hinweisen, ist wie die leicht sonnenstichige Neudeutung eines Italo-Westerns. Welche Genre-Experimente sich Boyle und Autor Simon Beaufoy sich für die weiteren Episoden ausgedacht haben, wird man noch sehen, die ersten drei Folgen von „Trust“ betören durch ihre stilistische Flatterhaftigkeit. Und Donald Sutherland.

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