FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

The Damned 2018

Steve Gullick

Neues Album der Punk-Veteranen

The Damned haben 1976 als erste britische Punk-Band eine Single veröffentlicht. Die Kosten für das neue Album „Evil Spirits“ mussten sie zusammenschnorren. Hier könnt Ihr das Interview mit Gründungsmitglied Captain Sensible nachhören.

Von Christian Lehner

Er hat es tatsächlich dabei. Als ich ihn danach frage, kramt er es aus seinem Trolly, den er im Interview-Raum der Promo-Firma in Berlin geparkt hat: das rote Barett, Markenzeichen von Raymond Ian Burns a.k.a. Captain Sensible. Nein, die berühmte Autorin Stefanie Sargnagel aus Austria kennt er trotzdem nicht.

Für mich zählt sein roter Deckel zu einer der ersten Kindheitserinnerungen in Sachen Pop und zwar wegen diesem Track hier:

„Wot“ erschien 1982 und war einer der ersten Rap-Hits im U.K. Auch auf Ö3 lief das lustige Lied mit dem lustigen Mann rauf und runter und kletterte in den österreichischen Charts immerhin bis auf den vierten Platz. Nicht nur Udo Huber war begeistert. Die Hook ist mir bis heute so vertraut wie der Titelsong von „Wickie und die starken Männer“. Der Refrain „I said Captain, he said wot“ war am Schulhof eine beliebte Blödelphrase, das vermutlich in der ORF-Jugendsendung „Okay“ oder dem WDR-Musiknonsens „Bananas“ gesehene Video ein Schenkelklopfer.

Aber zurück zum roten Barett: „Heute ist es mein Markenzeichen, früher war es ein Schutz gegen die Spucke und den Rotz, die bei Punk-Konzerten in Richtung Bühne flogen“, erzählt Captain Sensible. „Wir waren die erste Punk-Band, die durch das ganze Land tourte. Viele Besucher kamen nur deswegen zu den Konzerten, um zu sehen, ob wir wirklich so mies waren wie unser Ruf. Das waren wahrlich keine Fans, aber uns war das auch scheißegal.“

Captain Sensible, The Damned, Berlin

Christian Lehner

Captain Sensible beim FM4-Interview in Berlin

Rotz und Riot im England der Siebziger

Mit „wir“ meint Captain Sensible The Damned. 1976 gegründet von Brian James (Gitarre), Dave Vanian (Gesang), Captain Sensible (Bass) und Rat Scabies (Drums). The Damned waren die Band der „many firsts”: erste britische Punk-Band mit einer Single („New Rose“, 1976), erste britische Punk-Band mit einem Album („Damned Damned Damned“, 1977), erste britische Punk-Band, die durch die USA tourte.

Neben einer mehrjährigen Unterbrechung und einer zunächst sehr erfolgreichen Solokarriere - seine Debüt-Single „Happy Talk“ schaffte es im Juli 1982 auf den ersten Platz der britischen Charts - zählt Captain Sensible zur Stammbesetzung der Punk-Urgesteine. „Wir waren ein unglaublich wilder, unausstehlicher Haufen“, erzählt der Captain heute. „Wir wollten das satte Rock-Establishment vermöbeln. Von uns wurde erwartet, dass wir ein Album veröffentlichen und dann in Flammen aufgehen. Dass es uns jetzt 42 Jahre gibt, ist nicht nur erstaunlich, sondern in gewisser Weise auch falsch.“

The Damned, Cover "Evil Spirits"

Spinefarm Records

„Evil Spirits“ von The Damned ist auf Search And Destroy/Spine Farm Records erschienen

Für einen Punk-Veteranen sieht Captain Sensible ungewöhnlich fit aus - wie ein rasierter Pirat auf Urlaub. Das ist insofern verwunderlich, weil es sich The Damned in ihrer Karriere nie einfach gemacht haben. „Im Gegensatz zu anderen Bands hatten wir kein einheitliches Image und keinen vermerktbaren Sound. Jeder war sein eigener Clown“, so Captain Sensible.

Sänger Dave Valian trat im Bela-Lugosi-Look auf, der Captain manchmal im Balettkleid. Die im Punk handelsübliche Grimmigkeit wurde mit Klamauk gekreuzt. Stilistisch ging so ziemlich alles durch, was an Sounds verfügbar war: Punk, Garage, Psychedelic, sogar Prog-Rock fand Einzug in die Songs von The Damned. Heute gelten sie auch als Mitbegründer des Goth Rock.

Dieser Schmelztiegel aus Persönlichkeiten, Haltungen und Stilen war nur schwer zu vermarkten. Anstatt in den Siebziger Jahren die Gunst des Punk-Hypes zu nutzen, dockten The Damned an keiner Major-Plattenfirma an. Sie starteten beim legendären Punk/Ska-Label Stiff Records und tingelten die folgenden Jahrzehnte mit einigen Flops und mittelgroßen Hits („Eloise“, 1985) durch die Independent-Labels und die Clubszene. In dieser schmuddeligen Ecke der Musikindustrie erspielten sie sich unter zahllosen Line-Up-Wechseln jedoch einen hervorragenden Ruf als Live-Band. Heute ist man auf der Insel stolz auf diesen unangepassten Haufen und seine Legacy.

FM4 Interviewpodcast

Radio FM4

Das ganze Interview mit Captain Sensible von The Damned gibt es ab sofort auch im FM4 Interviewpodcast!

Erstes Album seit zehn Jahren

„Evil Spirits“ ist nun das erste Album seit zehn Jahren. Captain Sensible und Co. mussten die Produktionskosten zusammenschnorren. „Es ist nicht so, dass die Plattenfirma bei uns Schlange gestanden wären“, grinst er. „Dann hatte jemand die Idee, das Ding über Crowdfunding zu finanzieren und das hat wunderbar geklappt.“

Wie man für „Evil Spirits“ den Star-Producer Tony Visconti (David Bowie) gewinnen konnte, warum das Album trotz Vintage-Sounds und analoger Produktionsweise keine Altherren-Platte geworden ist und warum Captain Sensible den Glauben an die Linke verloren hat und wie er zum Brexit steht, klären wir am Mittwoch, den 17. April in der FM4-Homebase (19 Uhr) und anschließend in einer Spezialausgabe der „Basement Show“ im FM4-House Of Pain ab 22 Uhr.

Aktuell: