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DJ Koze "Knock Knock" Album Cover

Gepa Hinrichsen / Pampa Records

fm4 artist of the week

How much I LFO you

DJ Koze, Lichtgestalt einer neuen Popmusik, lässt „Knock Knock“, den Nachfolger seines Albums „Amygdala“, einmal mehr als Pop-Platte des Jahres leuchten.

Von Katharina Seidler

Befindet sich Pop in der Endlosschleife oder ist er gar am Ende? Dies fragen besorgt Kritiker wie Georg Seeßlen und orten die Auflösung der Unterschiede zwischen Industrie und Pop: Ist er schon längst eins geworden mit dem, vor dem er Zuflucht bieten wollte?

In der Nische mühen sich die einen ab, feiern das Arge, Diverse, Neue, Wütende, Gerechte, nehmen alles ernst, suchen das Subversive und glauben an die transformative Kraft des Pop. Draußen feiern Tausende Menschen zu liebloser Massenwarenmusik und klicken millionenfach antisemitischen, homophoben Rechts-Rap. Und doch darf man nicht aufgeben und soll weiter daran glauben, dass die guten Momente gewinnen. Dass ein gemeinsam gespürter Moment durch Musik, auf der Tanzfläche unter vielen oder allein mit Kopfhörern, einem wieder den Sinn vor Augen führt: Hier ist dein Platz. So kann es gehen.

Einer, der das schon immer weiß, der in der internationalen Clubmusik-Welt eine Einzelerscheinung darstellt und doch ohne Unterlass gleichgesinnte, gute Menschen um sich versammelt, der der Kommerzialisierung von Pop, Club- und Subkultur entgegentritt und ihr mit dem reinen Gefühl begegnet, ist Stefan Kozala. Alleine schon sein Alter Ego, DJ Koze, wird im Englischen unweigerlich als „cozy“ ausgesprochen und trägt die Weichheit schon im Namen.

DJ Koze mit Sonnenschirm am Meer

Gepa Hinrichsen / DJ Koze

Im Universum der DJ-Polls, Mixmags und Megaclubs ist DJ Koze einer der Größten. Ein versierter Plattendreher, geduldiger Roter-Faden-Zieher und allwissender Grenzgänger zwischen den Genres, die für ihn alle eins sind. House, Techno, Hip Hop, Pop und Soul vermischen sich bei ihm fernab von den Kategorien Kennen oder Nicht-Kennen, Cool und Uncool und wie man sich fühlt. Seine Musik ist rein durchs Gefühl zu erfassen.

DJ Koze "Knock Knock" Album Cover

Gepa Hinrichsen / Pampa Records

„Knock knock“ von DJ Koze ist am 4.5.2018 erschienen bei Pampa Records

Mit „Amygdala“, seinem letzten Album aus dem Jahr 2013, hat DJ Koze – es ist wahr – neue Maßstäbe gesetzt. „Amygdala“ bezeichnet jenen Teil des Gehirns, in dem Gefühle, vorzugsweise Angst, entstehen. In Interviews betonte er auch immer, dass es eine Platte über Angst und Verletzlichkeit sei, ein Statement also gegen das Mackertum, das Allwissende und Dominante – noch immer ist es ein Jahrhundertalbum. „Knock Knock“ nun, der nächste Streich, geht in dieselbe Richtung, trägt in sich aber eine neue Art der Entspanntheit.

Das verwundert nicht, denn es läuft gut für DJ Koze. Noch immer ist er als hochangesehener DJ in der Weltgeschichte unterwegs; er kann sich seine Gigs sicher aussuchen. Sein Label Pampa Records lässt seinen schlanken Labelkatalog langsam, aber beständig wachsen und findet Platz für große Pop-Alben von Sophia Kennedy ebenso wie für House-Pop von Mano Le Tough oder Dancefloor-Tools von Koze selbst. Beweisen muss er schon lange niemandem mehr etwas.

„Knock Knock“ also ist ein eigenes kleines Universum der Zärtlichkeit. Alleine schon die Eröffnungsnummer, „Club der Ewigkeiten“, öffnet Herzen, wenn Streicher und Flöten einsetzen und ein Synthesizer wie ein kleiner nervöser Vogel durch die Klangspuren flirrt.

„Vögel sind toll“, sagt Stefan Kozalla dazu im Interview, weil ihr Gesang nur für einzelne Akzente in den Klangspuren sorgt und niemals flächig über alles drüber walzt. In den fünf Jahren, die er sich für die Entstehung der Platte Zeit genommen hat, hat DJ Koze Sounds gesammelt. Er hat nicht nur Vögelsounds und andere Field Recordings in seiner Wahlheimat Spanien zusammengetragen, sondern auch organische Instrumente, Bläser, Gitarren, Streicher, knisternde Samples, soulige Stimmen aus der Vergangenheit und verbündete Seelenverwandte aus der Gegenwart. Der Country-Soul von Lambchops traurigem Crooner Kurt Wagner passt mit einem Song wie „Muddy Funster“ also ebenso ins musikalische Bild wie der sanfte Rap von Arrested Developmen-Rapper Speech und die Alt-Stimme von Sophia Kennedy, die auf „Knock Knock“ in zwei Songs beinahe zur Hildegard Knef-Reinkarnation wird.

Ebenso wie auf „Amygdala“ wird auch hier die Stimme der prominenten Gäste nie zum Marketingtool. Sie taucht oft erst in der Hälfte des Songs auf und schmiegt sich behutsam in ihr Bett aus frei fließenden Klangspuren. Alles atmet und vibriert, ein zärtliches Glockenspiel leuchtet den Weg, ein luftiges Posaunenmotiv markiert kleine Hooks, um sofort wieder zu verschwinden.

Die große Kunst von DJ Koze ist es, noch im verbogensten Popsong irgendwo eine gerade Kickdrum unterzubringen, ebenso wie er umgekehrt auch windschiefe Harmonien und schleppende Beats in DJ-Sets webt. In all dem ist auch die Seele von HipHop als leise Erinnerung omnipräsent; HipHop, wie ihn DJ Koze schon in den Neunziger Jahren mit seiner Band Fischmob sanft und augenzwinkernd interpretiert hat. „Männer können seine Gefühle nicht zeigen“, so hieß das Debütalbum von Fischmob.

„Knock Knock“, das vierte Solo-Album von DJ Koze, ist ein Album wie ein seliges Grinsen, ein Taumeln, nachdem man sich übermütig im Kreis gedreht hat. Wir sind so leicht, dass wir fliegen.

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