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Rainer Sigl

A MAZE 2018: Avantgarde-Déjà-vu

Die siebte Auflage des Berliner Indie-Games-Festivals war wie immer. Kein gutes Zeichen für eine Veranstaltung zu einem Medium im rasanten Wandel.

Von Rainer Sigl

Der Schauplatz, die Street-Art-Galerie Urban Spree am Friedrichshainer RAW-Gelände, war wie immer. Die Crowd, zahlreich, bunt, Bier und Mate in der Hand, war wie immer. Die ironisch zum semi-pompösen Einsatz kommenden Feuerfontänen waren wie immer und auch Thorsten S. Wiedemanns Ansprache zu Beginn des seit diesem Jahr fünftägigen „Games & Playful Media“-Festivals A MAZE Berlin unterschied sich kaum von dem, was der Festivalmacher zumindest in den letzten Jahren in seiner sympathischen Mischung aus Ironie und Pathos von sich gegeben hatte.

Der Mainstream von Videospielen, des seit längerem kommerziell erfolgreichsten Mediums des Planeten, wie er in den restlichen Teilen der Berliner Gamesweek zugleich gefeiert wurde, sei hier unerwünscht, die Versammelten seien der überzeugte, ewige Underground und was es hier auf der A MAZE zu sehen gebe, seien nicht schnöde Spiele, sondern „artworks beyond games“.

SpielemacherInnen, Freaks, Hippies, KünstlerInnen - eine große Familie, vereint als Speerspitze eines Mediums der Gegenwart und Zukunft. Bei all der wechselseitigen Sympathiebezeugung und Beschwörung der eigenen Relevanz vergaß man fast darauf, sich zu fragen, wie dieser Avantgarde-Status mit der Tatsache zusammengeht, dass man sich auf der A MAZE 2018 doch immer wieder Déjà-vu-Momenten ausgesetzt sah.

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Rainer Sigl

Games-Avantgarde im punkig-kommerziellen Ambiente des Urban Spree.

Form gefunden

Dabei könnte man es natürlich auch wohlwollender formulieren: Nach Jahren des Wachstums, nach insgesamt sieben Festivals, in denen munter an Inhalten, Konzepten und Ausrichtung gefeilt wurde, hat man in den letzten zwei, drei Jahren eine Form gefunden, der man treu bleibt. Das betrifft die örtliche Beschränkung auf das Urban Spree ebenso wie die inhaltliche Zuspitzung: Während in den Anfangsjahren die Unabhängigkeit vom publisher-beherrschten Business reichte, um als „indie“ für das Festival relevant zu sein, geht es den Festivalmachern nun fast exklusiv um dezidiert unkommerzielle Spiele mit künstlerischem, gesellschaftlichem oder politischem Anspruch, gern auch umweht von einem Hauch technophiler Hippie-Philosophie.

In diesem Paradoxon liegt das Dilemma: Während sich in den Jahren des Bestehens der A MAZE der Independent-Sektor zu beinahe apokalyptischen Ausmaßen vergrößert hat - in einer durchschnittlichen Woche erscheinen etwa 200 Spiele für die Downloadplattform Steam allein, die allermeisten davon Indie-Produktionen -, hat sich zugleich der Fokus des Festivals dramatisch verengt.

I was a hipster before it was cool

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das ist grundsätzlich sympathisch und - zugegeben - gerade angesichts des Erfolgs von „Indie“ wohl auch unvermeidlich. Zugleich verpflichtet man sich damit aber - so weit, so hipsterig - vorrangig dem Obskuren und lässt die wild wuchernde, durchaus erfolgreiche restliche globale Indie-Szene links liegen. Man hat den Eindruck, dass Größen der Indie-Entwicklerszene wie Jonathan Blow, der vor einigen Jahren noch das Festival als Redner beehrte, inzwischen hier schon fehl am Platz wären.

Mit dieser ausschließlichen Konzentration auf den streng von jeder Kommerzialität getrennten „Underground“ verschließt die A MAZE allerdings leider auch die Augen vor einer Independent-Games-Realität, die diesen hehren Ansprüchen nicht genügt, aber immer noch weit entfernt vom verachteten Mainstream existiert.

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Rainer Sigl

Kollege Glashüttner spielt „Stereopolis“.

Bitte den Blick weiten!

Das Resultat dieses verengten Blicks sind Déjà-vu-Momente - und das, obwohl sich das Medium rasant entwickelt und vergrößert wie kein zweites. Dass mit Robin Baumgartens „Wobble Garden“ erneut ein Schuhlöffel-Spielzeug des Briten den Audience Award einheimsen konnte, ist so einer, ebenso wie die Tatsache, dass das Penisspektakel „Genital Jousting“ zum zweiten Mal mit einer Auszeichnung bedacht wurde.

Überhaupt kann man sich hin und wieder des Eindrucks nicht erwehren, dass hier in Personal, Publikum und Themenwahl die oft beschworene „Familienhaftigkeit“ des Festivals wichtiger ist als die Realität einer globalen Kultur - die eben auch, in gewissem Ausmaß, auf etwas Kommerzialität angewiesen ist.

Genauso wie die A MAZE selbst, natürlich: Dass unironisch die Liste großer, auch industrieller Sponsoren direkt nach „Fuck the mainstream“-Aufrufen verlesen wird, ist ebenso ein blinder Fleck wie die erstaunlich unsensible Parallelveranstaltung eines Vortrages über ein Spiel zum Thema Mädchenhandel mit einem über „Indie VR Hentai and Sexuality in VR“ - der noch dazu, trotz mäßiger Qualität, erwartbar die Massen an- und aus dem anderen Vortrag abzog.

Das 7th International Games & Playful Media Festival A MAZE Berlin hat von 25. bis 29.4.2018 in Berlin stattgefunden.

Zugegeben: Das ist Detailkritik. Im Großen und Ganzen war das „International Games & Playful Media Festival“ auch in seiner siebten Auflage ein Pflichttermin für Freunde des experimentellen Spiels. Zum ersten Mal wünscht man sich allerdings, dass die A MAZE im nächsten Jahr nicht so bleibt, wie sie ist - sondern sich endlich wieder annähernd so rasant weiterentwickelt wie ihr Medium.

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