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Griechenland weiter überfordert: Rechte Gewalt nimmt zu

Die Situation für die Flüchtlinge in Griechenland wird immer schwieriger. Eine wachsende Zahl von Flüchtlingen kommt über den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros an. Gleichzeitig nimmt die rechtsextreme Gewalt zu.

Von Chrissi Wilkens

Am 22. April haben Rechtsextreme auf Lesbos Flüchtlinge brutal angegriffen, die gegen die Lebensbedingungen in den überfüllten Hot Spots der Inseln und gegen das Weiterreiseverbot auf das Festland protestierten. Die Flüchtlinge, die sich zu diesem Zweck auf dem zentralen Platz von Mytilene, der Hauptstadt von Lesbos, versammelt hatten, wurden mit Steinen, Flaschen, Brandwurfsätzen und Fackeln angegriffen. Mindestens 28 Menschen wurden in die Notaufnahme eingeliefert. Kopfverletzungen, Atemprobleme und Panikattacken mussten versorgt werden.

Familie von Afrin vor dem Lager Elaionas

Salinia Stroux

Familie von Afrin vor dem Lager Elaionas

Auch auf dem Festland ist die Situation für die Schutzsuchenden sehr schwierig, vor allem was die Registrierung der Asylanträge und die Unterbringung angeht. Zivan, ein junger Mann aus Afrin in Syrien, ist mit acht Familienmitgliedern unterwegs und seit 20 Tagen obdachlos. Sie sind über den Grenzfluss Evros gekommen. Seit Tagen schlafen sie auf Decken vor dem Flüchtlingslager Elaionas in Athen, in der Hoffnung, einen Platz in einem der Containerhäuser zu bekommen. Aber das ist unwahrscheinlich. Bisher haben sie es auch nicht geschafft, einen Asylantrag zu stellen. Diejenigen, die von der Landesgrenze her nach Griechenland kommen und Asyl beantragen wollen, müssen erst mittels Skype einen Termin beantragen, ein schwieriges Unterfangen, das sich über Wochen oder gar Monate ziehen kann.

Viel Polizei nach dem Angriff durch Rechtsextreme auf Refugees

APA/AFP/Anthi pazianou

Mytilene (AFP) - Police surrounds migrants to move them away, after far-right group launched a violent attack overnight on migrants staging a sit-in protest on the Greek island of Lesbos, late on April 22, 2018. A far-right group launched a violent attack overnight on migrants staging a sit-in protest on the Greek island of Lesbos, injuring around a dozen people, police said on April 23. The violence erupted late April 22 after members of the radical „Patriotic Movement“ gathered on the central square of the island’s main city Mytilene, where some 200 Afghan asylum-seekers launched a sit-in protest last week against their miserable living conditions.

Bekannte von Zivan, die im Lager wohnen, versuchen, die Familie mit Lebensmitteln zu versorgen. “Wir haben Kinder dabei. Unsere Situation ist sehr schlecht. Wir haben kein Geld und kein Essen. Gestern hat uns jemand 10 Euro gegeben. Ohne die Menschen im Lager, die uns helfen, würden wir verhungern“, sagt er.

Die Anzahl der Flüchtlinge und MigrantInnen, die über die Landesgrenze nach Griechenland kommen, ist in den letzten Wochen stark gestiegen. Waren es im März noch rund 1.600 Menschen, so haben die griechischen Behörden im April bereits mehr als 2.900 illegale Grenzübertritte registriert. Es handelt sich bei den Fliehenden hauptsächlich um Familien aus Syrien und dem Irak, aber auch viele Afghanen. Im April kamen mehr über die Landgrenze als über den Seeweg. In der nordostgriechischen Grenzregion Evros reicht die Infrastruktur nicht aus, um die Ankommender aufzunehmen und zu registrieren. “Die Menschen werden in Polizeiwachen gebracht, in denen ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Die Mängel bei der Registrierung sind wahrscheinlich in der Unzulänglichkeit der dortigen Strukturen begründet“, betont Vasilis Papadopoulos vom griechischen Flüchtlingsrat.

Der UN-Flüchtlingsrat hat an die griechische Regierung appelliert, dringend die Aufnahmebedingungen in der Region zu verbessern und die Aufnahmekapazität zu erhöhen. Auf den Ägäis-Inseln sind fast alle der sogenannten Hot Spots überfüllt und die meisten Flüchtlinge können wegen des Weiterreiseverbotes, welches seit dem höchst umstrittenen EU-Türkei-Deal gilt, nicht aufs Festland gelangen.

Demonstration von Refugees in Athen

Salinia Stroux

Demonstration in Athen

Obwohl Griechenlands Staatsrat als höchstes Verwaltungsgericht Mitte April entschieden hat, dass den Flüchtlingen keine Residenzpflicht auf den Inseln mehr auferlegt werden solle, hat die griechische Asylbehörde sofort durch eine neue Anweisung die Bewegungsfreiheit Asylsuchender wieder eingeschränkt. Und dies trotz der monatelangen Verfahren. In Lesbos z.B., wo sich momentan fast 9.000 Flüchtlinge aufhalten, hat die Asylbehörde gerade mal 45 Angestellte und nur 18 von ihnen entscheiden Asylanträge.

Unter den Einwohnern herrscht zunehmend Unmut über die dauerhafte Präsenz Hunderter Flüchtlinge auf den Urlaubsinseln, die unter miserablen und zum Teil unmenschlichen Bedingungen hausen. Fremdfeindliche Ansichten finden fruchtbaren Boden. Es wird befürchtet, dass weitere Angriffe auf Flüchtlinge stattfinden werden. Mehrere Millionen Euro sind die letzten Jahre nach Griechenland geflossen, doch die Situation insbesondere in den Hot Spots ist weiterhin sehr schlecht und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich für die Flüchtlinge, da viele noch in Zelten wohnen und keinen Zugang zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung haben.

Wichtig sei, dass Griechenland eine tatkräftige Unterstützung von anderen EU-Staaten bekomme, betont Yunus Mohammadi, Präsident des griechischen Flüchtlingsforums: “Man kann doch das Problem nicht lösen, indem man Griechenland nur Geld gibt. Es muss eine Aufteilung der Zuständigkeiten in allen Staaten geben. Die Staaten können nicht auf der einen Seite ihre EU-Mitgliedschaft genießen und dann auf der anderen Seite sagen, dass sie keine Flüchtlinge akzeptieren“, sagt er.

Asylbehörde in Athen

Salinia Stroux

Asylbehörde in Athen

Wegen der vielen Flüchtlingsankünfte in Griechenland im Sommer 2015 beschloss Brüssel damals, 160.000 dieser Menschen innerhalb der EU zu verteilen. Neben Griechenland sollte auch Italien als Ersteinreisestaat an der Außengrenze der EU entlastet werden. Doch die hochgelobte Umsiedlung aus dem europäischen Süden funktionierte nicht wie geplant, da Länder wie Ungarn und Polen keinen einzigen Flüchtling aufnehmen wollten und andere Staaten weniger als versprochen. Insgesamt wurden von den geplanten 160.000 Schutzsuchenden innerhalb von zwei Jahren nur 29. 144 wirklich verteilt untergebracht.

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