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FILM

Gänsehaut-Garantie

Wer genug hat von berechenbaren Sequels und Gespenster-Klischees: Hier sind 5 Horrorfilme, die heuer tatsächlich unter die Haut gehen werden.

Von Christian Fuchs

Gute Zeiten für Menschen, die gerne im Kino tief in den Sitz hineinkriechen und wohlige Schauer suchen: Der norwegische Mysterythriller „Thelma“ läuft nächste Woche an, der ein sensibles Coming-of-Age-Drama mit übersinnlichem Elementen eindringlich verbindet. Und: Das slasheinhalb Festival zieht ab 3. Mai 2018 im Wiener Filmcasino mit einem Dutzend außergewöhnlicher Horror- und Fantasyfilmen in seinen Bann. Aber da bahnt sich noch viel mehr an. Hier ein paar sehr subjektiv ausgewählte Horror-Highlights, die uns heuer noch mitreißen werden.

Unbeschreibliches Grauen: „Hereditary“

Der Preis für den bislang gruseligsten Trailer des Jahres geht definitiv an den US-Indie-Schocker „Hereditary“. Bis zum Kinostart im Juni sollte man lernen, den ungewöhnlichen Titel fehlerfrei auszusprechen, denn Horrorfans kommen an an dem Langfilmdebüt des jungen Regisseurs Ari Aster nicht vorbei. Sogar abgebrühte Kritiker berichteten von schlaflosen Nächten nach dem Sundance-Screening des Geisterfilms, der vorsichtig mit „Rosemarys Baby“, „The Shining“ und „The Exorcist“ verglichen wird.

Wie alle wirklich guten Schocker begnügt sich „Hereditary“ aber nicht mit Referenzen, sondern versucht neue Bilder für das unbeschreibliche Grauen zu finden, das eine von Trauer gebeutelte Familie heimsucht. Neben etablierten Akteuren wie Toni Collette (angeblich in der Form ihres Lebens) und Gabriel Byrne als Eltern, ist es vor allem die kleine Milly Shapiro, deren Performance für nachhaltige Erschütterung sorgt. Bislang nur auf dem Broadway zuhause, im Kindermusical „Mathilda“ gefeiert, wird die 16-Jährige jetzt von Gruselfans gefeiert. Dabei fließt in „Hereditary“ kaum Blut. Ruhige, fast schon meditative Szenen, in denen sich langsam der Schrecken aufbaut, prallen auf hysterische Ausbrüche der Angst.

Poster "Hereditary"

A24

Stilvoller Schrecken: „Suspiria“

Wenn sich eingefleischte Horrorgeeks wirklich vor etwas fürchten, dann nicht vor Zombies, Vampiren oder Weltraummonstern. Die Vorstellung, dass ein heißgelieber Film aus dem heiligen Kanon des Genres in Remake-Form aufgegriffen wird, jagt ihnen unendliche Panik ein. Nicht zu Unrecht, denn auf eine halbwegs gelungene Neuauflage eines modernen Klassikers („Evil Dead“, „Dawn Of the Dead“) kommen extrem schrottige Updates von „Friday the 13th“, „Nightmare on Elm Street“ oder Rob Zombies „Halloween“-Hinrichtung.

Kein Wunder, dass der pure Gedanke an ein Remake des genialen Italo-Schockers „Suspiria“, mit dem Regiemaestro Dario Argento 1977 Gänsehautfilm-Geschichte schrieb, in den einschlägigen Netzforen für Aufruhr sorgte. Langsam hat sich das Gegeifere aber beruhigt und aufgeregter Vorfreude Platz gemacht. Arthouse-Darling Luca Guadagnino, seit „Call Me By Your Name“ in aller Munde, verspricht nämlich eine Coverversion, die sich gänzlich vom Original emanzipiert.

Dakota Johnson schreibt sich im 2018er „Suspiria“ in eine Berliner Tanzakademie ein, die heimlich von Hexen rund um Tilda Swinton geleitet wird. Während Argento mit grellster Farbenpracht betörte, geht es in Guadagninos Film bewusst stockdüster und monochrom zu. Johnsons Vorgängerin im Originalfilm, Jessica Harper, schwärmt von einem furchterregenden Meisterwerk, die Reaktionen auf einen ersten kurzen Ausschnitt bei der CinemaCon reichen von Euphorie bis zu ängstlicher Flucht aus dem Kinosaal. Im Herbst dieses Jahres, man darf eine Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig vermuten, wissen wir mehr.

Poster "Suspiria"

Amazon Studios

Psychedelisches Irrlichtern: „Mandy“

Mit Nicolas Cage ist das bekanntlich so eine Sache. Auf jedes Meisterwerk, in dem der König des Overacting brilliert, folgen etliche vernachlässigbare, direkt für den Heimkino-Markt produzierte Billigsdorfer-Werke. Obwohl sich auch darunter mitunter wahnwitzige Perlen befinden, wenn Cage etwa in der blutigen Heile-Familie-Satire „Mom & Dad“ schreiend Amok läuft. Ein richtiges Fest für Fans des US-Schauspielers verspricht allerdings ein Streifen zu werden, der sich bewusst nicht zwischen Actionfilm, Splatterexzessen und psychedelischem Irrlichtern entscheiden will.

In „Mandy“ spielt Nicolas Cage einen Mann, der mit seiner Frau (die tolle Andrea Riseborough) abgelegen und harmonisch neben einen See lebt, der übrigens Crystal Lake heißt. Die häusliche Idylle wird durch die Attacke einer durchgeknallten Bikergang gestört, die direkt aus dem Death-Metal-Fegefeuer entstiegen scheinen. Als die wüsten Typen seine geliebte Gattin entführen, macht sich Red, wie der Cage-Charakter passend heißt, auf einen Rachetrip, bewaffnet mit einer Kettensäge und einer archaischen Axt. Was sich wie ein stumpfer Revenge-Thriller anhört, verwandelt sich unter der Regie von Panos Cosmatos (dessen Debüt „Beyond The Black Rainbow“ als surrealer Geheimtipp gilt) in ein Inferno aus Farben, Kunstblut und Zeitlupe. Inklusive einem Synth-Progrock-Score, den der leider verstorbene Soundtrack-Gott Johann Johansson zusammen mit Drone-Ikone Stephen O’Malley von Sunn 0))) komponierte. Mittendrin Herr Cage, völlig außer sich.

Poster "Mandy"

XYZ

Psychopathische Philosophien: „The House That Jack Built“

Die Geschichte vom Serienkiller, der sich selber diabolisch über seine vermeintlich kleingeistige Umwelt erhebt, wurde schon oft im Kino und TV erzählt. Fast zu oft, wenn man den Schreiber dieser Zeilen fragt. Vor allem in den 90ern, als die reale westliche Welt noch frei von IS-Terror, im Netz herumschwirrenden Kriegsgräuelbildern und apokalyptischen Bedrohungen ist, dominieren Typen wie Doktor Lecter oder die „Natural Born Killers“ den Mainstream. Inzwischen ist politisch endgültig Schluß mit Lustig, gehören Highschool-Massenmorde zur traurigen Realität und ist der Bedarf nach Kunstfiguren, die sich als Eingeweide-verspeisende nietzscheanische Übermenschen inszenieren, eigentlich gedeckt.

Die Fernsehserien „Hannibal“ und vor allem „Mindhunter“ konnten dem abgedroschenen Thema zuletzt aber dennoch spannende Facetten abringen. Das versucht demnächst - Premiere beim Cannes Filmfestival - auch unser liebster dänischer Regieprovokateur Lars von Trier. In „The House That Jack Built“ schickt er Matt Dillon auf eine blutgetränkte Reise ins Herz der Finsternis. Als hochintelligenter Serienkiller schlachtet er sich quer durch das Amerika der 70er Jahre, immer einen perfiden Psychopathen-Sager auf den Lippen, angetrieben von der Idee des Mordes als Kunstform. Das klingt nach üblicher Genrevorlage, aber der gute alte Lars hat auch das Melodrama („Breaking The Waves“), den Weltuntergangsfilm („Melancholia“) und das Pornogenre („Nymphomaniac“ I & II) eigentümlich neu definiert. „The House That Jack Built“, in dem auch Riley Keough, Uma Thurman, Jeremy Davis und Bruno Ganz mitwirken, verspricht jedenfalls eine radikale Grenzerfahrung.

Poster "The House that Jack built"

Zentropa

Postpubertäre Höllenfahrt: „Lords of Chaos“

Wenn das Kino, im speziellen Hollywood, irgendetwas kann, dann ist es Menschen oder Vorkommnisse zu verklären, larger-than-life erscheinen zu lassen. Filmemacher wie Ulrich Seidl dagegen haben sich auf faszinierende Weise auf das Gegenteil spezialisiert: Sie blicken unter die oft mühsam arrangierten Fassaden des Alltags und entblössen die Protagonisten, zeigen welche armseligen Würstel sicher hinter harten Inszenierungen verstecken.

Auf diese Weise nähert sich auch der schwedische Filmemacher Jonas Åkerlund in seinem neuen Film seinen Figuren. „Lords of Chaos“ portraitiert, nach dem gleichnamigen Tatsachenroman, die norwegische Blackmetalszene der frühen 90er. Inklusive Faschismusverherrlichung, Kirchenverbrennungen, Suizid und Mord. Für dunkle Mystifizierung ist in dem Streifen, wie man nach der Uraufführung beim Sundance-Festival lesen konnte, aber keinerlei Platz. Åkerlund zeigt die brutalen Geschehnisse rund um okkulte Band Mayhem so wie sie Blackmetal-Jünger garantiert nicht sehen wollen: Als tragische Höllenfahrt einer Gruppe postpubertärer Buben, die sich ihre Pickelgesichter grotesk mit Corpse Paint übermalen.

Poster "Lord of Chaos"

Vice Films

Was Jonas Åkerlund, der mit Musikvideos für Metallica, Lady Gaga und The Prodigy berühmt wurde, bei seiner Charakterzeichnung zu Gute kam: In den frühen 80ern hat er als Drummer der legendären Blackmetal-Pioniere Bathory hinter die Kulissen geschaut. Sein Ziel, bei dem übrigens die Musik von Mayhem & Co. bewusst zurückhaltend eingesetzt wird: Die Verstörung junger Außenseiter auf den Punkt zu bringen, die mit der Gesellschaft brechen. Die von US-Darstellern wie Rory Culkin oder Jack Kilmer gespielten Blackmetaller könnten in diesem Sinne auch Skinheads oder verbohrte Gruftis sein. „Lords of Chaos“ ist im engen Sinn natürlich kein Horrorschocker, gruseln dürfte man sich dabei aber mehr als bei kindischen Gespenster-Klischees.

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