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Wiener Riesenrad

David Keusch

Eine Nacht im Prater

Über die erste Ausgabe des Red Bull Music Festivals in Wien.

Von Susi Ondrusova

Mit dem Electric Spring im Museumsquartier, dem Popfest am Karlsplatz, den Open-Air Konzerten am Wiener Gürtel, dem Donaukanal oder der Donauinsel ist die Hauptstadt, was Freiluft-Gigs anbelangt, richtig gut aufgestellt. Für Konzertgeher und solche, die eher zur Schnupper-Partie zählen, ist das angebotene Festival-Programm in der Stadt groß.

Der Getränkehersteller Red Bull hat für die erste Ausgabe des Festivals, das die Vielfalt der österreichischen Musikszene abbilden und feiern will, nun eine neue, eine so gute Location ausgesucht, dass man sich im Vorfeld fast schon denken müsste: Warum findet das überhaupt erst zum ersten Mal statt? Konzerte im Riesenrad und am Riesenradplatz. Der Prater, ein Ort der Erinnerungen, meist solcher, in denen es sorgenfrei und ausgelassen zugeht. Prater ist Action. Festival ist auch Action. (Die Diskussion Festival(besuch) ist auch politisch, wie hier umrissen.)

Neben einer Open-Air Bühne, dem Electronic Floor im Autodrom oder dem Hip Hop Floor im „Waggon 31“-Gebäude wurden beim Red Bull Music Festival auch die Gondeln des Riesenrads selbst bespielt. In jedem Waggon eine andere Band: Klaus Eberhartinger, Seiler&Speer, Jugo Ürdens, Camo&Krooked, Lea Santee, Kruder&Dorfmeister, Yung Hurn´s (Love Hotel Band) oder Mavi Phoenix, die im FM4-Waggon aufgetreten ist.

Wiener Riesenrad

David Keusch

Die gute Aussicht, der Sonnenuntergang, die Musik, die intime Atmosphäre und das „nah dabei sein“, also quasi nicht nur in der ersten Reihe stehen, sondern in EINER Reihe mit den Lieblingsartists stehen, sind alles gute Gründe sich zu freuen und das Festival zu besuchen. Besser noch für diejenigen, die ein begehrtes Bändchen für einen der Waggon-Gigs im Vorfeld gewonnen haben, allerdings auch eine Zitterpartie für alle mit Höhenangst, die bei der Vorstellung, dass zwei oder 15 Menschen in einem Riesenrad-Waggon gleichzeitig im Takt losraven anzufangen, weiche Knie bekommen. Dabei aber sicher nicht aus dem Fenster runter schauen wollen. Mavi Phoenix meint im FM4-Interview, dass sie hofft, der eigene Gig würde sie von der schwindelerregenden Auftritts-Höhe ablenken.

Das Spiel mit der Exklusivität

Primavera, Melt, Roskilde. Das sind nur drei Festivalstopps von Mavi Phoenix diesen Sommer und es sind begehrte Festival-Destinationen. Bist du Musikerin, willst du am Primavera Festival auftreten. Doch schon längst ist nicht nur die Urlaubs-Location oder ein gut programmiertes Lineup ausschlaggebend dafür, dass Festivals überhaupt auf ihre fünf oder sechsstelligen Besucherzahlen kommen.

Es gibt bei Festivals Staffelungen beim Eintritts-Preis, die bedeuten: für ein wenig Extra kommst du näher zur Bühne, hast die bessere Sicht oder die besseren Klos. Das ultimative Gefühl von „mehr dabei sein als alle anderen“ ist zum Beispiel, wenn du am Festival große Bands in kleinem Rahmen sehen kannst. Nicht alle haben da Platz, aber die Sehnsucht nach dieser exklusiven Erfahrung wird auf alle Besucherinnen übergehen. Alle werden darüber reden. Gimme.

Auch das Red Bull Music Festival spielt natürlich mit der Attraktion und dem Gefühl von Exklusivität. Während die Wiener Sängerknaben auf der Hauptbühne also „Rock Me Amadeus“ singen oder Granada ihre neuen Albumsongs präsentieren, ist das Riesenrad in Bewegung und mit an Bord lediglich eine Handvoll Festivalgäste.

Hop on/hop off, wenn man nicht gerade Schlange steht

Nach den Waggon-Konzerten, als Mavi Phoenix also wieder festen Boden unter ihren Füßen hatte, nehmen DJs die Waggons in Beschlag. Es klingt einfach: „hop on/hop off“ lautet die Devise bei den Clubbing Waggons, aber der Andrang beim Riesenrad ist überwältigend und die Schlangen lang. FestivalbesucherInnen mussten also mit Wartezeiten rechnen, sich anstellen, und für viele war das länger, als es die Blase erlaubt. Die Frage „Muss ich aufs Klo?“ ist auf Festivals wie ein Sonnenuntergang, halt ohne Romantik. Also quasi ein Weltuntergang. Denn so lang warten, bis man aufs Klo muss, yep, Klopausen sind eine Zäsur im Spaß-Programm.

„Bevor ich noch einmal zu einer Veranstaltung von euch gehe, besuche ich ein Helene Fischer Konzert.“, schreibt ein Festivalbesucher auf der Facebook Event Seite. Auch beim Konzert von Money Boy war die Schlange lang und eng. „Aber ich hab doch bezahlt!“, sagt ein junger, wartender Besucher. Nur noch der Security-Mann steht zwischen ihm und der Tür, hinter der Money Boy seinen Auftritt absolviert. Er soll ihn heute nicht mehr zu sehen bekommen. Bei Nazar später beruhigt sich die Situation. Auf der Bühne verkündet Nazar, er würde seine gesamte Festival-Gage einer Tierschutzorganisation spenden und verteilt Gratisgetränke an die Fans in den ersten Reihen. Nazar liebt Hunde. Er möchte noch in die Pratersauna zur Aftershow-Party fahren, Fotos mit den Fans machen und dann nach Hause zu seinem Hund fahren.

Warum gibt’s diese Bühne nicht immer?

Eine Frühlingsnacht im Prater also. Die Erwartungen waren groß, die Neugier war groß und geblieben ist die Erinnerung an eine Open Air Bühne, die so gut war, dass man sich fragt warum diese Bühne nicht jedes Jahr, jeden Monat da steht. Warum nicht einfach einen ganzen Sommer lang österreichische Bands auftreten lassen! Jeden Samstag! Bei einer letzten Runde am Gelände, als der Akku schon längst tot ist und alle Freunde in alle Richtungen verstreut, noch schnell am Autodrom vorbei, wo Kruder & Dorfmeister auflegen, nochmal zum Waggon 31 rauf, wo DJ Phekt auflegt und nochmal ein letzter Schwenk zum Riesenrad und versuchen, einen Blick auf ein bekanntes Gesicht zu werfen, mit dem man nochmal besprechen könnte, dass der Konzertabend mit der Open Air-Bühne sehr gut war und was man nicht alles verpasst hat. Dabei sein, ohne dabei zu sein. Spaß haben, ohne am ultimativen Spaßprogramm überhaupt teilgenommen zu haben.

„Das war schon geil!“, ruft ein Festivalgast den Freundinnen zu, die gerade eine Runde mit dem Riesenrad hinter sich haben: „Aber mega heiß!“, folgt als Antwort. Eh ok. Ok cool.

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