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Tents

Anna Breit

Im Gitarrenhimmel

Tents aus Wien schreiben Popmusik. Romantisch, nie zu überschwänglich, sehr gut. Soeben ist ihr Debütalbum „Stars On The GPS Sky“ erschienen.

Von Lisa Schneider

Tents aus Wien zählen schon seit geraumer Zeit zu den spröde-famosesten Geheimtipps der Wiener Lo-Fi-Szene; Gitarrenliebhaber kommen da eben voll auf ihre Kosten, vor allem die, denen der kleine Schuss Nostalgie auch gern mal eine Freudenträne ins Auge treibt. Wie das so ist bei jungen Bands, will ein Genre genannt werden, und wer Tents etwa bei ihrem Auftritt am Wiener Popfest letztes Jahr gesehen hat, wird sich schwer tun, nicht irgendwo den Geist von Ian Curtis über ihren Häuptern schweben zu sehen. Sänger und Texter Clemens Posch ist dem Curtis’schen Bühnenpathos aber noch nicht ganz gewachsen, oder ihm vielleicht schon entwachsen?

Rampensäue sind sie alle drei nicht, mit Clemens Posch auf der Bühne und in der Band sind noch Lucas Kulterer und Paul Stöttinger. Auch beim gerade gespielten Gig im Wiener Fluc gab’s das mittlerweile gewohnte Tents-Setting zu sehen: die Lampen scheinen in schönen Violett-Blau-Rot-Pinktönen, aber direkt in die Gesichter schaffen es die Spots dann doch nie. Möchte man noch ein Genre hier anbringen, hätten sich Tents am ehesten noch aus dem „Shoegaze“ die ursprüngliche Wortbedeutung, wenn auch stilistisch eher weniger, einverleibt. Der Blick geht nach unten, es sind nicht die Musiker, sondern die Musik, die zählt.

Seidenweicher Anfang

Seit gut fünf Jahren gibt es Tents, in der aktuellen Besetzung aber erst seit drei. Man lernt sich im urigen Wiener Gürtelgeschehen kennen, wo man sich gern von Lokal zu Lokal, am liebsten zwischen rhiz und Venster hin- und herschiebt, philosophierend im späten Mondlicht, den Kopf voll der letzten, dröhnenden Konzerterfahrung. Machen wir eine Band, machen wir Tents.

Auch das Label mit einem der besten Riecher des Landes, wenn es um besagte Gitarrenmusik geht, Numavi, spitzt die Ohren: neben etwa Bands wie dem Grazer Quintett Crush finden sich dort auch Tents ein. Die erste EP erscheint 2015, sie heißt „Under My Wings“, mitgemacht hat auch damals schon Mario Zangl (Mile Me Deaf, Melt Downer). Das fügt sich alles gut, der Sound ist minimalistisch im Arrangement, monoton in der Stimme, dabei sind Tents gefühlvoller als man es von den eher trockenen Pressebildern her annehmen könnte.

Sehr weich und geschmeidig nämlich klingt die Debüt-EP, es sind eigensinnige, aber zeitlose Romanzen die sie erzählt, die Synthesizer surren genauso wie das Schlagzeug dezent im Hintergrund. Die saftige Nostalgie werden Tents nicht ganz los, man mag es nicht in ihren Texten oder ihrem Auftreten begründen können; und trotzdem ist es ein Gefühl, das immer mitschwingt. „Anemone“ ist das wohl schönste Beispiel.

Selbst sehen sie sich nicht als Postpunk-Band: „Wir sind keine Fans davon, sich unbedingt an Genres oder vergangene Jugendkulturen anzulehnen, oder irgendwelchen im Nachhinein kreierten Mythen nachzuweinen. Auf der anderen Seite ist es aber sehr spannend, weil es ja auch gleichzeitig wieder die Essenz von Pop ist, zu zitieren. Das Beste wäre es, einen Weg zu finden, mit Zitaten umzugehen, gleichzeitig aber nicht ins Romantisch-Verklärende abzudriften.“

Gerade im aktuellen Popzirkus, wo an jeder Ecke - und wenn auch nur mithilfe einiger Retro-Synthesizer - die 80er-Jahre-Anleihen hervorschießen, wird es schwieriger, sich damit noch hervorzutun. Tents schließen deshalb aber nichts aus, vielmehr pflücken sie sich ihre soundästhetischen Referenzen aus dem großen Pool des Pop, der auch schon vor besagtem Jahrzehnt - und danach geschrieben wurde. Das kann oft nur eine Snaredrum oder Hi-Hat sein, ein Schnipsel, eine Harmonie.

Der Text kommt aus der Musik

Gerade ist das Debütalbum von Tents erschienen, sie nennen es „Stars On The GPS Sky“. Die einzige Vorgabe während dem Daraufhinarbeiten war „Popmusik“, mit all ihren Vorzügen und Makeln; in jedem Fall steht die Melodie im Vordergrund, und nicht der zu transportierende Text. Der kippt auf „Stars On The GPS Sky“ gerne ins Absurde, wer würde sonst auf „Summer Of 17“ „Spaghetti Ice Cream“ reimen?

Überhaupt ein seltsamer Song, dieser Opening-Track „Summer Of 17“, der nicht den Titel des Sommers trägt, weil dieser so toll war. Vielmehr war es ein auch weltpolitisch beeinflusst dumpfes Bauchgefühl, das hier hinauswill: „It was cool in my Bunker though / it was cool in my shelter though“.

Tents und die Vermessung der Welt

GPS ist ein Satellitennavigationssystem. Der Song „Stars On The GPS Sky“ auf dem gleichnamigen Album schlägt die schönste Brücke zurück zur Debüt-EP. Es ist ein romantisches Stück, lieblich fast, und naiv. Eine rosarote bebrillte Vorstellung, nachts im Auto durch die Gegend zu fahren, auf den besagten GPS-Monitor zu blicken, und die Sterne zu sehen.

Cover Tents Album "Stars On The GPS Sky"

Numavi Records

„Stars On The GPS Sky“, das Debütalbum von Tents, erscheint via Numavi Records.

Der Song ist nicht nur in präziser, schnörkelloser Schönheit genau auf den Punkt getroffen, sondern bündelt auch auf theoretischer Ebene den Arbeitsansatz der Band: das Aufnehmen von Songs hat sich verändert, Tents sind keine Band (mehr), die im Proberaum dahinspielt, bis dann plötzlich ein Song am Papier steht. Wie bei vielen Bands heutzutage entsteht das meiste am Laptop. Das oft kühle oder gar negativ Konnotierte dieses Prozesses stellen Tents auch in besagtem Song „Stars On The GPS Sky“ einer analogen Wärme entgegen, es ist der alte Kampf zwischen Mensch und Maschine. Keiner muss ihn gewinnen, versprechen Tents; beides vereint funktioniert besser als jede Hälfte für sich.

Außen Over- Innen Understatement

Gegensatzpaare sind überhaupt eine wichtige Sache, die Tents durch ihr Album begleiten. Die Stimmlage bleibt immer gewohnt monoton, die Inhalte bedienen sich im Gegensatz dazu der höchstmöglichen gefühlsschwangeren Wortwahl. Welche Band klatscht sonst so trockene, angenehm gleichförmig verlaufende Melodien auf den Tisch und packt trotzdem gleich in den Albumtitel ein Kitschkonglomerat aus Himmel und Sternen?

Einer der besten Songs des Albums und gleichzeitig die zweite Single heißt „List“. Die Beschäftigung damit, wie und wo man sich als junge Band platziert, bricht durch in Text und Musik, eine Zeile lautet: „Repetition keeps us awake / we’re drawing on tradition, but we don’t create“. Ein zynischer Satz, der nicht so bissig gemeint ist, wie er klingt, erzählt Clemens Posch. Lange hat er ihn nirgends untergebracht, ihn als Nonsens verstanden, aber er hat sich gefügt. Im Kontext des Songs, der einen zeitlosen Zustand beschreibt, das Aufschieben der Veränderung, das bezeichnende Listenschreiben.

LIVE

02.06.2018 Seewiesenfest, Kleinreifling
29.06.2018 DAWN @ Rockhouse, Salzburg
17.08.2018 TBA, Eisenerz
31.08.2018 Sonograph Festival @ OKH, Vöcklabruck
08.09.2018 TBA, Wien

Nichts passiert, nichts geht weiter, die Gitarre, die durch den Song mäandert wie ein Sinnbild für das Treiben, aber nicht Weiterkommen. Auch auf die Musik selbst umgelegt funktioniert das Zitat, wenn die Band sich die Frage stellt, wieviel aus früheren Jahrzehnten und Releases man hinüberretten kann in die eigene Musik, ohne den eigenen Sound einzubüßen. Tents lösen die Aufgabe elegant; viel Soundästhetik der 80er Jahre ist zu hören, ein bisschen erwähnter Ian Curtis, ein bisschen Robert Smith. Aber nicht so viel, als dass die Songs in Zitaten ertrinken müssten.

Nenn’ es Lo-Fi-Postpunk, Art- oder Indiepop. Unabhängig davon, ist Tents mit „Stars On The GPS Sky“ wohl jetzt schon eines der besten Alben 2018 aus Österreich gelungen.

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