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Benedict Cumberbatch in "Patrick Melrose"

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Adel an der Nadel

Ein Schuss Heroin zum Fünf-Uhr-Tee. In der Serie „Patrick Melrose“ brilliert Benedict Cumberbatch als drogensüchtiger Aristokrat.

Von Pia Reiser

Hamlet und Patrick Melrose habe er immer spielen wollen, so Benedict Cumberbatch. Den dänischen Prinzen hat er am Theater gegeben und in die Hemden des britischen Aristokraten ist Cumberbatch jetzt für die Showtime-Miniserie „Patrick Melrose“ geschlüpft. An diesem Melrose Place gilt: Berauscht-Sein oder Nicht-berauscht-Sein, das ist hier die Frage.

Die gefeierten Romane von Edward St Aubyn um einen nicht uncharmanten, aber von Missbrauch, Zynismus und dem Konsum von allen möglichen legalen und illegalen Substanzen schwer gebeutelten Mann wurden von Drehbuchautor David Nicholls auf fünf Episoden eingedampft. Die Pilotfolge allein hat schon mehr Zunder und Verve als so manches, das Staffeln lang seinem schlechten Ende entgegenkriecht.

Apropos Ende: Vom Tod seines Vaters erfährt Patrick, der Aristokraten-Feschak, gleich zu Beginn der ersten Folge am Telefon. Trauer oder Tränen zeigt er nicht, ziemlich sicher, weil sein Vater ihn als Kind missbraucht hat, hinzu kommt aber auch, dass genau in dem Moment die Wirkung des Heroins einsetzt. Die Augenlider flattern und ein Lächeln, das nicht von dieser Welt ist, breitet sich auf seinem Gesicht aus. Patrick, are you there?, echot und knarzt es noch aus dem Telefonhörer. Naja, wohl eher nicht.

Benedict Cumberbatch in "Patrick Melrose"

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Die Geschichte um den reichen britischen Junkie könnte eine weitere Ballade vom poor little rich boy sein, doch Nicholls und Regisseur Edward Berger schaffen es, die eigentümliche Tonalität der Romanvorlagen, die Verknüpfung von aristokratischer Exzentrik, Tragik und bitterer Komik exzellent ins Serienformat zu transferieren. Drogenrausch, Entzug, Verlust, Missbrauch, Exzess und Einsamkeit. Ein bitterer Themencocktail, in „Patrick Melrose“ allerdings serviert mit Kirsche und Schirmchen und in einem stilvollen Glas. Der Reiz der Figur des Patrick Melrose liegt sicherlich in der Vereinigung zweier widersprüchlicher Konzepte: Der adelige Junkie, der Mann aus gutem Hause mit der eleganten Sprache, der zwischen Beruhigungs- und Aufputschmitteln einen Martini kippt. Als hätten ein paar Nachmittage lang mal E.M Forster und Irvine Welsh die Köpfe zusammengesteckt und was ausgeheckt.

„Patrick Melrose“ ist ab 29. Mai exklusiv auf Sky 1 sowie via Sky Go, Sky On Demand und Sky Ticket verfügbar

„Patrick Melrose“ könnte auch „Gee, look at me acting“ heißen, so sehr protzt die Serie mit Benedict Cumberbatchs Vielseitigkeit. Der Mann mit blauem Blut in den Adern und Heroin in den Venen rennt, stolpert und schwitzt sich durch das New York des Jahres 1982, hier soll er die Asche seines Vaters abholen. Via voice-over prasselt ein Stimmengewirr auf einen ein, neben Patricks gehetzten, bitteren und schlagfertigen Gedanken hören wir auch Melrose seinen Vater imitieren oder seine Nanny. Grandios und mit großen Gesten spielt Cumberbatch diesen Mann, der nur dann kurz Glück verspürt, wenn der Rausch einsetzt.

Wenn die Beruhigungsmittel ihre Wirkung zeigen, verlangsamen sich Ton und Bilder, das - und das in grünes Neonlicht getauchte nächtliche New York - würde wohl Danny Boyle gefallen. An den aufgeräumten Einstellungen aus der Vogelperspektive, dem türkis ausgemalten Hotelzimmer und daran, dass Melrose auch mal Augenklappe trägt, hätte wohl Wes Anderson eine Freude.

Benedict Cumberbatch in "Patrick Melrose"

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Wie ein Gummiball auf Acid flitscht die Serie von der Komik zur Tragik, hat noch Zeit für satirische Seitenhiebe auf das britische Verständnis von class und hebt dann auch noch hervor, dass Cumberbatch über eine Körperkomik verfügt, die in der John-Cleese-Liga spielt. „Though this be madness, yet there is method in’t.“ Shakespeare hat in „Halmet“ bereits eine „Patrick Melrose“-Review versteckt.

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