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Von Scheißkieberern und Tachinierern: „Die rote Frau“ von Alex Beer

August Emmerichs zweiter Fall: Der heroinabhängige Polizist ermittelt im Wien der 1920er Jahre in „Die rote Frau“ von Alex Beer

Von Gerlinde Lang

Alex Beers erster Kriminalroman rund um den heroinabhängigen, kriegsversehrten Polizisten August Emmerich im Wien der 1920er Jahre, „Der zweite Reiter“, war so gut (Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur!), dass Band zwei schon früher als geplant erscheint: „Die rote Frau - Ein Fall für August Emmerich“ erscheint heute.

Beer hat eine spannende Zeit für ihre Reihe gewählt: 1920 - Österreich hat den ersten Weltkrieg verloren. Die politische Lage ist volatil, auf der Straße stellen sich verkrüppelte Veteranen und hungrige Kinder bei den wenigen Suppenküchen an. Die Kluft zwischen Ober- und Unterschicht ist riesig. Aber Rayonsinspektor August Emmerich und sein Helfer, der verarmte Adelige Winter, verkehren in beiden Welten.

Zwar haben die beiden am Anfang der Erzählung endlich ihre eigene Besenkammer bei der Polizeiabteilung „Leib und Leben“, aber mit den Kollegen hat die sogenannte „Krüppelbrigade“ nichts als Ärger.

Der eigentliche Star in „Die rote Frau“ ist, wie schon im Band zuvor, die abgefuckte Stadt Wien der Zwischenkriegszeit. Beer glänzt wieder durch Recherche, die Nationalbibliothek soll schon einen Sessel nach ihr benannt haben. (Manchmal gibt Beer auch #InstaWalks zu den Orten des Geschehens.)

Alex Beer "Die rote Frau" Cover

Limes Verlag

„Die rote Frau - Ein Fall für August Emmerich“ ist erschienen im Limes Verlag.

Alles war fort. Er besaß gerade mal die Sachen, die er am Körper trug, und ein bisschen Wechselwäsche. Mit den paar Kröten, die er bei der Polizei verdiente, konnte er sich derzeit weder die Kaution noch die Vermittlungsprovision für eine anständige Wohnung leisten. Bis er das Geld zusammengespart hatte, musste er im Heim leben. Wieder einmal.

Das Gebäude in der Meldemannstraße im 20. Wiener Gemeindebezirk galt als hochmodern. Es hatte keine Massenschlafsäle, sondern Einzelkabinen im Ausmaß von drei Quadratmetern. Es gab Waschräume (…). Ja sogar elektrische Glühlampen, fließendes Wasser und eine Dampfheizung (…). Die Presse lobte die Einrichtung über den grünen Klee und bezeichnete sie als „Märchen von einer himmlischen Unterkunft auf Erden“ und als „Wunder an Eleganz und Billigkeit“.

Trotzdem konnte nichts darüber hinwegtäuschen, dass es sich in Wahrheit um ein Obdachlosenasyl handelte, in dem es nach Schweiß und Desinfektionsmitteln roch. Die fünfhundert Männer, die hier lebten, waren hauptsächlich Gelegenheitsarbeiter. Sie trugen allesamt schlecht sitzende Anzüge und abgetragene Schuhe. Ihre Gesichter spiegelten ihren Gemütszustand wider - ausgebrannt und unerträglich müde.

Autorin Alex Beer kam in Bregenz zur Welt - möchte man gar nicht vermuten, bei der im neuen Band zwei maßgeblich gesteigerten Anzahl an Wiener Schimpfwörtern der 1920er: Scheißkieberer, Gschissene Bagage, Oaschpackler, Tachinierer... um nur einige auf der Zunge zergehen zu lassen.

August Emmerichs neuer Fall „Die rote Frau“ ist noch besser als der erste, die neue Investigation ein Wettlauf gegen die Zeit und das Buch in wenigen Stunden aufsaugbar.

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