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Erich Möchel

US-Heimatschutz will an Biometriedatenbanken der EU

Ein neues Gesetz zur Verarbeitung von „externen Biometriedaten“ von Internetfirmen und aus Drittstaaten steht kurz vor seiner Verabschiedung. Amazon vermarktet seine Technologie zur Gesichtserkennung inzwischen an US-Polizeibehörden.

Von Erich Möchel

Aus den USA kommen alarmierende Nachrichten über die zunehmende Verbandelung großer Internetkonzerne mit dem Überwachungskomplex. Aktuell geht es dabei um Gesichtserkennung, am aggressivsten agiert dabei der Amazon-Konzern. Der vermarktet sein neues Gesichtserkennungsprogramm „Rekognition“ gerade an Polizei und andere Behörden. Laut Angaben der Firma können damit bis zu 100 verschiedene Gesichter auf einem einzigen Foto eingemessen und abgeglichen werden.

Das System läuft als „öffentlich-private Partnerschaft“ zur Überwachung der Öffentlichkeit in der „Government Cloud“ von Amazon. Das US-Ministerium für Heimatschutz (DHS) wiederum richtet gerade ein System von Biometrie-Datenbanken ein, sämtliches Bildmaterial und Videoѕ sollen Internetkonzerne und Nicht-US-Behörden zuliefern. Ausdrücklich betont wird dabei, dass dafür auch Daten aus Drittstaaten bezogen werden.

Screenshot

regulations.gov

Der Gesetzesentwurf hat die Begutachtungsphase bereits hinter sich und kann jederzeit im Kongress durchgewunken werden. Es gab gerade einmal drei Eingaben dazu, der Hinweis stammt von Edward Hasbroucks Blog zum Thema DHS und Flugpassagierdaten.

„Aus heimischen wie ausländischen Quellen“

Bei Facebook steht nach der Gesichtserkennung nun Tracking der Augenbewegungen an.

Im Gesetzesantrag des Department of Homeland Security heißt es dazu wörtlich: „Dieses Datenbanksystem ermöglicht es dem Ministerium für Heimatschutz, biometrische und zugehörige biografische Daten aus heimischen wie ausländischen Quellen zu beziehen, zu verarbeiten und zu verteilen.“ Die Daten dafür könnten sowohl auf informeller wie auf formeller Basis oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Lieferanten zugeliefert werden. Als Verarbeitungszwecke werden dabei genannt: „Strafverfolgung, nationale Sicherheit, Überprüfung von Immigranten, Nachrichtenaufklärung und militärische Abwehr“.

Dafür sei es nötig, diese Datenbank von einzelnen Bestimmungen des US Privacy Act von 1974 auszunehmen. Das heißt, für Daten aus Europa gibt es hier nicht den mindesten Datenschutz, da, von der NSA angefangen, alle anderen 16 geheimdienstlichen Behörden inklusive FBI Vollzugriff haben werden. Zudem schützt der sowohl von der Technik wie der Globalisierung der Datenproliferation völlig überholte US Privacy Act ausschließlich Daten von US-Staatsbürgern.

Brief

American Civil Liberties Union of Florida

Die American Civil Liberties Union hatte US-Polizeibehörden in drei Bundestaaten erfolgreich auf Herausgabe der Korrespondenz mit Amazon geklagt.

„Informelle Datenweitergabe“

Diese neue Datenbank für „externe Biometriedaten“ ist Teil des Nachfolgeprojekts für das gleichfalls veraltete IDENT-System, das 2003 im Rahmen des US-VISIT-Gesetzes der Regierung George W. Bush eingeführt worden war. Wie damals ist nun zu erwarten, dass europäische Staaten unter Druck gesetzt werden, hier zu „kooperieren“ und ganze Datenbanken zuzuliefern. Weil diese Forderung erwartungsgemäß auf Kollisionskurs mit der neuen EU-Datenschutzgrundverordung fährt, wurde eben auch die Möglichkeit einer Datenweitergabe auf „informeller“ Basis aufgeführt.

Diesem Gesetzentwurf, der noch vom US-Kongress verabschiedet werden muss, sieht man also bereits an, wozu dieses Gesetzänderung mit hoher Sicherheit benutzt werden wird. Nämlich zur gezielten Erpressung der EU und anderer Drittstaaten für Datenlieferungen in die USA, wobei vor allem das Übereinkommen zur visafreien Einreise als Druckmittel benutzt werden wird. Genau das hatte US-Präsident Bush mit der Erpressung der EU, Flugpassagierdaten an die USA zu liefern, im Jahr 2003 vorexerziert.

Präsentation einer Personen-Erkennungs-Software

Amazon

Erinnerungen an das INDECT-Projekt

Amazon wiederum ist wie die anderen großen Internetkonzerne längst auf den Trend zur Gesichtserkennung aufgesprungen. Das „Rekognition“ genannte System ähnelt verdächtig dem von der EU-Kommission geförderten INDECT-Projekt, das bei seinem Bekanntwerden 2010 eine Sturm der Entrüstung produzierte. Wie bei INDECT geplant, bietet Rekognition Erkennung von Gesichtern, aber auch von Objekten an, besonders erwähnt wird dabei Tracking von Personen. „Der Service wird permanent mit neuen Daten trainiert um seine Fähigkeiten zu erweitern, Objekte, Szenerien und Aktivitäten zu erkennen“

Das EU-geförderte INDECT-Pojekt löste 2010 einen Sturm der Entrüstung aus und verschwand danach als solches in der Versenkung. Der Ansatz aber blieb und wird nun kommerziell umgesetzt.

Und das System ist mächtig, denn Amazon wirbt mit konstanten Antwortzeiten, ѕelbst wenn die Sucheingabe über zig Millionen Datensätze läuft. Echtzeitanalyse von Videos noch während des Uploads sei ebenso möglich, wie die Durchsuchung von Bildern und Videos in der S3-Cloud von Amazon. Ob dieser Zugriff nur selbst gespeicherte Daten von Heimatschutzbehörden, Polizei oder Geheimdiensten in der S3-Cloud betrifft, wird nicht näher erläutert. Der S3-Service, der mit freien fünf Gigabyte für jedermann startet, wird von unzähligen Firmen rund um die Welt benützt, nicht zuletzt deshalb, weil er ständig verfügbar, skalierbar und obendrein noch ziemlich billig ist.

Screenshot

Homeland Security Dialogue Forum

Amazon ist auch aktiv am Private-Public-Partnership-Projekt „Dialogforum Heimatschutz“ beteiligt.

Neue Amazon-Cloud für alle 17 Geheimdienste

Mit solchen Public-Private-Partnerships mit Überwachungs- und Spionagekomplex der USA hat Amazon bereits ausreichend Erfahrung. Erst im Herbst 2017 hatte Amazon seine neue Cloud-Lösung für die „Intelligence Community“ vorgestellt, die „AWS Secret Region“ baut das bestehende Angebot des Einzelhandelsriesen für den Geheimdienstkomplex aus. Amazon liefert ja bereits seit Jahren Cloud-Services an die CIA.

Die neue Cloud-Instanz soll nun allen 17 Geheimdiensten die Möglichkeit bieten, für alle Mitarbeiter Daten in den verschiedenen Klassifikationsebenen - von „unlassified“ bis in die obersten Geheimhaltungsstufen („Top Secret SCI“) - zugänglich zu machen. Wie alle Amazon-Services ist auch dieser ad hoc „der Aufgabe entsprechend rapid skalierbar“, zugänglich ist die Geheimdienstregion aber nur mit direkten Verbindungen zu den Geheimdiensten, denn dieses Datenzentrum ist nicht mit dem Internet verbunden.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. können hier sicher verschlüsselt und anonym beim Autor eingeworfen werden. Wer eine Antwort will, sollte eine Kontaktmöglichkeit angeben.

Amazon, die Cloud und die Killerdrohnen

Interessanterweise ist gegen diese Deals des weltgrößten Einzelhandelskonzerns von Kommentaren aus der technischen Belegschaft von Amazon nichts zu hören. Bei Google hat gerade erst ein Dutzend leitender Ingenieure die Zusammenarbeit des führenden Datenvermarktungskonzerns mit dem Drohnenprogramm der US-Militärs zu Fall gebracht. Die von der CIA betriebene Drohnenflotte - Flugroboter mit einem Tötungsauftrag - ist auf Datenverarbeitung in der Cloud angewiesen, da sie auf mehreren Kontinenten agieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die Verarbeitung dieser Daten in der Private Cloud Teil des 600 Millionen Dollar schweren Auftrags der CIA an Amazon enhthalten.

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