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Cultist Simulator

Weather Factory

Kulte, Karten, dunkle Riten

Aus der Feder des Autoren von „Fallen London“ und „Sunless Sea“ kommt „Cultist Simulator“ - ein Kartenspiel, wie wir es noch nie gesehen haben.

Von Rainer Sigl

Tagsüber arbeite ich als Arzt in einem Krankenhaus, doch die Nacht gehört mir. Ich durchstöbere uralte Buchläden nach mysteriösen Schriften, locke Neugierige mit flammenden Reden über esoterische Geheimnisse an, leite okkulte Rituale und versuche, meine Opiumsucht im Zaum zu halten.

Im außergewöhnlichen Indiespiel „Cultist Simulator“ versinken wir förmlich in einer düsteren Halbwelt irgendwo im England der 1920er-Jahre. Direkt zu sehen bekommen wir davon im Spiel allerdings so gut wie gar nichts, denn „Cultist Simulator“ ist kein aufwendig ausgestattetes Action-Adventure, sondern - ein Kartenspiel. Oder, um es genauer zu sagen: das ungewöhnlichste Kartenspiel, das es je auf die Bildschirme geschafft hat.

Träume von dunklen Göttern

Das Spielfeld ist eine schnöde Tischplatte, auf der schon bald Dutzende Karten liegen. Die stehen für Ressourcen wie Geld, Vernunft oder Gesundheit, aber auch für andere Personen, Orte oder dunkle Geheimnisse.

Um unserem Ziel, Anführer einer mächtigen Sekte zu werden und mit dem Übernatürlichen Kontakt aufzunehmen, näher zu kommen, müssen wir mit unseren Karten experimentieren: Bestimmte Kartenstapel dienen uns als „Verben“, also Tätigkeiten, wie etwa Träumen, Arbeiten oder Sprechen. Bewegen wir eine Karte auf einen dieser Stapel, beginnt ein kurzer Countdown; wenn der auf Null ist, können wir ansehen, welche neuen Karten unsere Aktion ausgespuckt hat.

Erschienen ist „Cultist Simulator“ für Windows, Mac und Linux.

Wenn wir etwa einen Ort auf den „Erforschen“-Stapel ziehen, können wir eine Expedition losschicken; dafür müssen wir auch einen oder mehrere unserer Jünger und Geld einsetzen. Ist die Expedition von Erfolg gekrönt, bekommen wir vielleicht einen Schatz - ist sie gescheitert, lösen sich im schlimmsten Fall alle eingesetzten Karten in Luft auf. Herauszufinden, welche Kartenkombinationen was bewirken, und diese Aktionen danach in sorgfältig aufeinander abgestimmten Countdowns zu koordinieren, macht den Hauptreiz des überraschend motivierenden Gameplays aus.

Cultist Simulator

Weather Factory

Werde Student der okkulten Künste!

Klingt kompliziert? Das ist durchaus Absicht, denn in „Cultist Simulator“ ist die Verwirrung, wenn wir in seine esoterisch-mystische Mechanik eindringen, absolut Teil des Konzepts - ein Tutorial gibt es nämlich nicht. Tatsächlich kommt man sich beim Heraustüfteln der vielen verschiedenen Möglichkeiten des Spiels ein wenig selbst so vor, als würde man in eine okkulte Geheimwissenschaft eingeweiht.

Dass sich aus den eigentlich simplen Interaktionen komplexe, manchmal haarsträubende Geschichten ergeben, ist den kurzen, aber umso eindrücklicheren Kartentexten zu verdanken. Die stammen - wie das gesamte Gamedesign - von Alexis Kennedy, und der wiederum ist Indie-Kennern als Schöpfer von „Fallen London“ und „Sunless Sea“ wohlbekannt.

So legt man Karte um Karte, setzt Zahnräder und okkulte Mechanismen in Bewegung und taucht immer tiefer in diese geheimnisvolle Welt ein. „Cultist Simulator“ ist eines der seltsamsten, aber auch der faszinierendsten und originellsten Spiele der jüngeren Vergangenheit.

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