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Gruppe D

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Blumenaus WM-Journal

Die Gruppe D ist womöglich die bestbesetztesteste.

Nix Tod, nix Horror, nur Chance! Chance für den ungekrönten Messi, für die Huhu-Huhs, die jugendlichen Super-Eagles und die Kings des Westbalkan.

Von Martin Blumenau

So etwas wie eine Todesgruppe gibt es beim anstehenden Turnier nicht. Dazu fehlen zu vielen Favoriten (wir erinnern uns an Italien, die Niederlande, Chile) Wenn aber jemand die Auslosung verfluchen will, dann die vier Bewerber der Gruppe D. Obwohl: die topgesetzten Argentinier sind sich der Gefahr in der sie sich befinden, wohl gar nicht bewusst...

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

República Argentina

Die Qualifikation war grauenvoll. Nun ist das bei großen Teams, die eine WM-Bühne als Teil ihrer Identität betrachten, hier Hausrecht einfordern, dann oft sehr egal.

Die Krise ist aber (uneinheitliche Tests erzählen nichts Gegenteiliges) nicht durch die kurzfristige Verpflichtung von Jorge Sampaoli im Herbst 2017 aufgehalten. Ihr Ursachen liegen tiefer. Es hat vielleicht damit zu tun, dass die Mannschaft sich seit Jahren als Messi + 10 andere betrachtet und dementsprechend zuarbeitend antizipativ um das Genie herumwuselt; und damit, dass die Leistungsträger (Di Maria, Mascherano...) in dieser doppelten Anstrengung (auf den unberechenbaren Gegner und den eigenen unberechenbaren Star zu achten) schon müde sind. Oder auch damit, dass ein Spieler wie Dybala, der das Zeug hätte Messi den Starfaktor abzuluchsen, in die zweite Reihe gestellt wird, oder ein Icardi gar nicht mitfahren darf. Oder damit, dass im Vergleich mit den anderen Top-Nationen wenige überdurchschnittlich begabte Spieler nachwachsen. Und mit einem Außenverteidiger-Problem. Und einem Tormann-Problem. Und anderem mehr. Natürlich kann man da gegensteuern. Sampaoli hat Messi deshalb als Freigeist in ein 4-2-2-Messi-1 gesetzt, so kann er keine Löcher reißen, wenn er dann macht, was er will.

Und, ehrlich, ich wünsch’ mir dass Messi mit einem Schnupfen oder was harmlosen ausfällt und die Albiceleste kann ohne ihn (vielleicht mit dem jungen Lo Celso im Zentrum) befreit aufspielen. Damit der Druck sich schleicht. Ein Druck den sich das Team und das Land selber machen, weil sie nicht mit Finals zufrieden sein können, sondern mit nichts als dem Titel zufrieden sein werden. Nicht glücklich, sondern nur zufrieden, weil es doch eh klar ist, dass man mit dem Allerbesten gewinnen muss, auch wenn man sonst nicht die Besten hat; alternativlos. Dieses Hirnlego, diese verquere (und blöde) Denke hat Maradona hinterlassen, nicht die gänzlich freie 78er-Mannschaft; und damit auch das implizierte Scheitern.

Republika Hrvatska

Wenn du diese Anspruchshaltung, den daraus entstehenden Druck und die daraus resultierende Verkrampfung auf niedrigerem Niveau, runtergekochst, dann hast du das Dilemma des kroatische Teams. Auch dort sieht man sich bereit, zumindest fürs Halbfinale (wie die mittlerweile in die Verbandstrukturen eingesickerten 98er-Vorbilder, die sich ihre Kuchenteile in der durchaus korrupten Fußball-Landschaft des Landes gesichert haben), und kommt dann in die Spirale. Seit schon einigen Turnieren, seit Jahren. Halt minus dem Messi-Problem. Auch weil es neben Modric dann einen Rakitic gibt. Und fünf fast gleichwertige Angreifer. Die man alle (nur Srna ist nicht mehr dabei) kennt, von ihren internationalen großen Klubs und von den letzten Turnieren, seit Jahren. In einem 4-3-3, wie in den letzten Turnieren, seit Jahren. Was übrigens zum EM-Aus gegen den späteren Titelträger führte: Fernando Santos erkannte das kroatische System, vor allem seine Schwächen, so gut, dass es ihm ein Leichtes war, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Das Glück von Zlatko Dalic (der Ante Cacic auch im Herbst 2017 ersetzte) ist, dass sich weder Argentinien noch Island um das Spiel des Gegners scheren, sondern ihr Ding durchziehen und den Karo-Hemden somit ihre Möglichkeiten lassen.

Österreich hat den Linzer Mateo Kovacic und den Salzburger Duje Caleta-Car als Anhaltspunkte dabei. Marin Leovac hat den Cut nicht geschafft.

Übrigens: Kroatien liegt am Westbalkan, ein Begriff den unser Kanzler dankenswerterweise in unser Bewusstsein gehoben hat. Ich kannte den vorher gar nicht.

Ísland

Wenn ich mich nicht verzählt habe, dann sind es 14 aus dem EM-Kader von 2016, die Island auch bei der WM vertreten werden; also viele und vor allem die wichtigen. Traustason etwa ist nicht mehr dabei - und da wäre ich dann auch stutzig geworden. Nein, Island hat sein Level gehalten und seine Möglichkeiten vielleicht auch ausgebaut. Die Erfolge (mir ist da ein Match gegen die Türkei erinnerlich) kommen nicht mehr wie zufällig und verblüffend, sondern verfügen über mehr Logik. Das hat Heimir Hallgrimsson, der nach der Euro auch offiziell die davor mit Lagerbäck geteilte Verantwortung übernahm, geschickt gemacht. Optimal sogar. Aus einem wirklich nicht großen Pool (weniger Einwohner als Vorarlberg!) soviel rauszuholen ist aller Ehren wert.

Deshalb ist auch jeglicher Kritikpunkt lächerlich, und das tapfer durchgespielte und diszipliniert besetzte 4-4-2 die einzige Möglichkeit sich Sicherheit zu geben. Sicherheit, die die isländischen Stammspieler mittlerweile auch in großen Ligen zu Leistungsträgern machen. Mehr geht also nicht; und weil bei fast jedem Spiel 100% ausgeschöpft werden müssen um etwas zu erreichen, ist gerade gegen Teams mit versteckten Krisen immer etwas möglich.

So, und jetzt dann doch noch zu etwas, wofür die kleinen Einheiten keine Ausrede sind: das Huh-Huh. Eh schön und eh fein, und Gänsehaut und anrührend. Innerhalb des Kontextes. Weil aber das wehrhafte Wikinger-Klischee (der nordisch blonde, unterdrückt-bedrohte Freiheitskämpfer in Kreuzritter-Pose) gar zu unreflektiert nach außen getreten ist, konnte sich das Huh-Huh schließlich bis hin zum Demo-Schlachtruf den rechtextremen Identitären Bewegungen, die noch nie ein Problem mit dem Plündern von Popkultur hatten, mausern. Unwidersprochen. Vielleicht hat aber auch hier ein Lerneffekt eingesetzt.

Federal Republic of Nigeria

Was Gernot Rohr sich ausgedacht hat, und ob er mit seinen Super-Eagles überhaupt daran denkt Konkurrenten strategisch auszuspielen, oder ob sie sich lieber auf die eigenen Stärken verlassen wollen, werden wir erst sehen. Möglich ist es allemal. Denn Nigeria ist die - Klischee und Vorurteils-Alarm! - taktisch gewiefteste Mannschaft in Sub-Sahara-Afrika, ebenso wie der Deutschfranzose Rohr und auch sein verlängerten Arm auf dem Platz, der große John Obi Mikel.

Rohr hatte im Vorjahr ein Testspiel gegen Argentinien und probierte da ein 3-5-2 aus (und gewann das Match!). Sonst spielt man ein 4-2-3-1 oder ein 4-3-3, das flügelstarke Erfolgssystem der letzten Hausse von 2013. Aus dieser Zeit sind mit Moses, Musa, Omeruo, Onazi und Obi Mikel nur noch wenige dabei, auch weil danach ein Absturz den nächsten jagte - durch Schuld von Verband, Trainern und Spielern. Für den Afrika-Cup 2017 konnte sich Rohr etwa nicht qualifizieren (okay, man scheiterte an Ägypten). Rohrs wichtigste Ansätze: die Stabilisierung der anfälligen Abwehr, etwa mit Leon Balongun (von Mainz) oder dem in Holland geborenen William Paul Troost-Ekong und überhaupt eine erhöhte Durchlässigkeit für schon früh im Ausland großgewordene Talente wie Iwobi oder Iheanacho. Überhaupt sind die Grünen die jüngste Mannschaft der Gruppe, setzen den gut abgehangenen Systemen und Strukturen der drei Gegner also eine der wichtigsten Währungen des Weltfußballs entgegen: das Potential derer, die sich angesichts einer großen Herausforderung unerwartet steigern können. Es bedarf keiner großen Denkleistung, dass diesem Ansatz mein Herz gehört.

Alle Tabellen und Spielpläne

Gruppe A Gruppe B Gruppe C Gruppe D
Russland Portugal Frankreich Argentinien
Saudi-Arabien Spanien Australien Island
Ägypten Marokko Peru Kroatien
Uruguay Iran Dänemark Nigeria
Gruppe E Gruppe F Gruppe G Gruppe H
Brasilien Deutschland Belgien Polen
Schweiz Mexiko Panama Senegal
Costa Rica Schweden Tunesien Kolumbien
Serbien Südkorea England Japan

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