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Publikum bei Granada am Donauinselfest 2018

Franz Reiterer

Donauinselfest 2018

„Es war uns ein inneres Blumenpflücken“

Granada sprechen den Satz für den Abend, den letzten am Donauinselfest 2018. Ein Resümee.

Von Lisa Schneider

Am dritten, letzten Tag des 35. Donauinselfests darf man sich schon fragen: Was macht das alles hier eigentlich so besonders? Die ewigen Weiten, das breite Spektrum an musikalischem und kulinarischem Angebot? Die frische Luft, die Donaubrise? Hauptargument für viele BesucherInnen ist das logischste und nachvollziehbarste: dass das Donauinselfest nämlich nach wie vor das größte Festival mit Gratiszugang ist. Außerdem kann man im eigenen Bett schlafen, hier gibt’s keinen Zeltplatz - der dritte Grund ist aber der schönste. Es geht hier nämlich auch darum, Freunde wiederzusehen, die man ewig nicht gesehen hat. Hier muss man sich den Festivalpass nicht leisten können, jeder ist willkommen. Klingt logisch, wird einem aber erst dann richtig bewusst, wenn man die Leute beobachtet, die direkt vor einem stehen, wo sich Freunde, die sich seit zehn Jahren nicht mehr gesehen haben, um den Hals fallen.

Und dann noch oben drauf gibt es die verschiedenst kuratierten Bühnen, hier im Fokus die Planet.tt/FM4-Bühne, die auch am letzen Tag wieder mit einem genretechnisch breit gefächerten Programm aufgewartet hat.

Geheimtippfaktor an der Donau

Naked Cameo aus Oberösterreich bespielen die Bühne im ein bisschen verdeckten Sonnenuntergang, es ist sind überhaupt viele heimische Acts, die heute noch die Bühne betreten werden. Naked Cameo jedenfalls haben erst kürzlich ihr Debütalbum „Of Two Minds“ veröffentlicht und wohlverdient großzügig positives Medienecho hervorgerufen; sie haben gehalten, was die sehr gute Debütsingle „Luddite“, am Anfang letzten Jahres erschienen, versprochen hat.

Naked Cameo LIVE

  • 28. Juni JKU Sommerfest Linz
  • 30. Juni Open Doors WSV Niederranna
  • 21. Juli Sammerseefestival Schondorf am Ammersee (DE)
  • 27. Juli Popfest Wien
  • 3. August Szene Open Air Lustenau

Und nicht nur auf Platte, auch live gilt das. Wo mit „Synthpop“ schon die Genrebezeichnung für gefühlt jeden zweiten aufkommenden, neuen Act, der irgendwo in Popgefilden fischt, zutrifft, machen Naked Cameo ihrem Lieblingsspielzeug aus den 80ern nämlich wirklich alle Ehre: Es ist nicht nur der nostalgische Zugang, der Anklang an eines der größten Popjahrzehnte, der hier aufgewärmt wird; die bedienten Synthesizer konstruieren im Set erst richtig die Melodien, das lassen sie nicht einfach der Leadgitarre oder dem Gesang über. Letztgenannte vervollkommnen natürlich das Set, das ist unbestritten, eine Band, die aktuell gerade ein paar der besten Popmelodien landesweit schreibt.

Und die Boxen beben

In Sachen knallhart spielen die Tiroler Mothers Cake wohl den intensivsten Gig des gesamten Wochenendes; eine Band, die es schon seit 10 Jahren gibt und die sogar schon vor 15 Jahren am Donauinselfest aufgetreten ist, damals noch im noch zarten Teenageralter und unter anderem Bandnamen, und auch auf einer anderen Bühne. Mothers Cake ist eine Band, deren Wurzeln sich in den Bereichen Stoner-, Psychedelic- und Progressiverock überschneiden und die, weil die Szene in ganz Österreich offensichtlich dafür nicht ausgeprägt genug ist, in den letzten Jahren oft unter den Tisch gefallen ist. Nicht so aber international: die Band ist schon mehrmals durch Europa - und weiter bis nach Australien - getourt, hat heuer etwa auch am renommierten Showcase-Festival The Great Escape in Brighton, UK gespielt.

Mothers Cake LIVE

  • 30. Juni Arena Open Air mit Alice In Chains
  • 14. Juli Rock Im Dorf Schlierbach
  • 4. August Szene Open Air Lustenau
  • 9. November PPC Graz
  • 10. November Rockhouse Salzburg
  • 16. November Stadtwerkstatt Linz
  • 24. November Kino Ebensee
  • 30.November Remise Amstetten
  • 7. Dezember Arena Wien

Mothers Cake feiern auch am heutigen Abend noch einmal den Release ihres aktuellen Albums „No Rhyme, No Reason“, ein melodieverliebteres als die Vorgänger, und fast schon lieblicher als eben diese. Lieblich ist an der Liveshow aber höchstens das Bier am Rande der Bühne, dem mittlerweile die Kohlensäure fehlt, ansonsten passiert da oben alles in guter alter Rock’n’Roll-Manier, mit der Tschick im Mundwinkel, dem ärmellosen Shirt, den wirren, langen Haaren, die das ganze Gesicht verdecken, nur für ein gehuschtes „Danke Donauinselfest, ihr seid unglaublich“ beiseite gestrichen werden.

„Wien wort auf di“

Ein schneidender Genreswitch folgt auf den nächsten, die folgenden Musiker kommen aus Graz, es sind Granada, rund um Thomas „Effi“ Petritsch. Für sie ist ihr Auftritt deshalb besonders schön, weil er gleichzeitig eine Art inoffizielle Releaseshow ihres neuen Albums bedeutet, es heiß „Ge Bitte“ und ist letzten Freitag erschienen. Ein kurzer Gedankensprung zurück ins Jahr 2011: in diesem Jahr ist Thomas Petritsch eben noch als Effi auf genau dieser Bühne gestanden, Vergleiche zu ziehen muss fast sein, der augenscheinlichste ist natürlich seine Band, die vor allem mit dem Akkordeon in die schöne, gute Schunkelrichtung geht. Besungen wird auch hier das Leben, gern denkt man da zurück an den zweiten Abend hier an der Donau, an die zumindest im Dialekt artverwandt verfassten Songs von Voodoo Jürgens.

Granada LIVE

  • 6.12. Posthof Linz
  • 7.12. Orpheum Graz
  • 12.12. Rockhouse Salzburg
  • 15.12. Arena Wien

Alle weiteren Tourdaten gibt’s hier.

Und auch wenn Voodoo Jürgens sich das erwähnte „Gschichtldrucken“ auf raffiniertere Weise zu Eigen gemacht hat, kann man Granada ihren Charme im Livekostüm nicht absprechen. Es ist immer der kleine Schmäh, der mitschwingt, die Geliebte ist zwar weg, na, dann schick ich ihr halt liebe Grüße nach „Scheiß Berlin“. Die Stimmung ist gut, das alles passt hinein in den Wunsch, noch ein letztes gemütliches Konzert zu genießen, bevor das Festival seine Pforten schließt. Und wenn den neueren Songs an manchen Stellen, wie im erwähnten „Berlin“, der packende Refrain gar fehlt, holt Thomas Petrisch mit Songs wie „Wien wort auf di“ alle zurück ins Boot. So muss das sein, eine klare, feine Melodie, die nicht vielmehr braucht, die das schmerzende, oder das sehnsüchtige Herz auch einmal zulässt, und nicht immer Späßchen über den Gemütszustand treiben muss.

Das Donauinselfest als Festival des Wiederkommens, nicht nur für die BesucherInnen, auch für viele Bands: Effi ist 2011 auf der Planet.tt/FM4-Bühne am Donauinselfest gestanden, gestern seine Band Granada. Die Liste lässt sich weiterführen, schon 2011 und auch heuer wieder mit dabei sind Der Nino aus Wien, Shout Out Louds, Katie Trenk mit ihren Sex Jams (und heuer als Special Guest bei Voodoo Jürgens’ Show).

Von der zu hohen Erwartungshaltung

Und auch die Headliner des gestrigen Abends, Portugal.The Man waren schon 2011 am Donauinselfest zu Gast. Ebenso wie im Wiener Gasometer vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im September letzten Jahres. Das alles zu Ehren ihres aktuellen Albums „Woodstock“ und dem Überhit „Feel It Still“, der der Band aus Alaska endlich auch die Zuneigung der amerikanischen Fans gesichert hat. Gleich vorweg: für Fans, die auch bei besagtem Gasometer-Gig dabei waren, war das gestrige Set eine langweilige Angelegenheit; dieselben Banner werden auf den Screens eingespielt, auf denen steht, dass die Band nicht mit dem Publikum kommunizieren wird, weil sie darin halt einfach nicht so gut sind. Hier wie im Gasometer vor einigen Monaten dieselbe Frage: Wieso muss man so etwas überhaupt ankündigen?

Es gibt die Metallica- und die Pink Floyd-Covernummer zur Eröffnung, auch wird wieder fast jeder Song in einen fast ebenso langen Instrumentalpart hinausgezögert. Ich muss an dieser Stelle nicht weitererzählen, es gibt alles hier nachzulesen, einzig minimale Abweichungen vorbehalten.

Die BesucherInnen, die die Show zum ersten Mal erleben, werden damit kein Problem haben; generell stellt sich aber die Frage, wieso gerade für ein Festivalset nicht ein bisschen ummodeliert wurde, wieso der Fokus nach wie vor am Vorängeralbum „Evil Friends“ aus dem Jahr 2013 liegt (ohne nämlich, dass der hervorragende titelgebende Song gespielt würde). Es ist keine schlechte Show, das war sie schon im Gasometer nicht, aber selbst für die, denen sie bis dahin unbekannt war, dürfte es wohl eine Überraschung gewesen sein. Ob eine positive oder negative, muss dem subjektiven Geschmack überlassen sein - Portugal. The Man ist auf jeden Fall nicht mehr die charmante, crowdpleasing Band, die sie noch vor zehn Jahren war. Gerade aber auch deshalb geht es ihnen, mehr noch als damals, offenbar darum, nicht nur die Hits rauszuhauen, sondern ihre instrumentalen Fähigkeiten zur Schau und unter Beweis zu stellen.

Songs wie „Modern Jesus“ oder „Creep In A T-Shirt“ verlieren deshalb nicht an Glanz und Größe, und auch Zeilen wie „never was a child, I was born this way“ können gar nicht oft genug gesungen werden. Genau diese haben sie auch damals erst an den Anfang der steilen Karriere gestellt, deren Leiter sie mittlerweile bis fast ganz oben erklommen haben. Etwas blutleer wirkt das Set trotzdem, man wünscht sich das Herzblut, das kann ja auch ohne Bühnenansagen funktionieren, das Übersprudeln, die Energie.

Es ist gut, in so einem Moment an die glücklicheren Auftritte zurückzudenken, die am Wochenende zu sehen waren. „Es war uns ein inneres Blumenpflücken“ sagt Thomas Petritsch da etwa ganz am Schluss ins Mikrophon und hat vollkommen Recht damit. Diversität macht das Donauinselfest unter anderem aus, nicht jede Show trifft dabei ins Schwarze. Sonst wären die schönsten Momente ja aber auch nicht die wunderbaren, herausragenden Erinnerungen, die man sich mit nach Hause nimmt.

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