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Argentinien - Messi und Rojo

APA/AFP/GABRIEL BOUYS

Blumenaus WM-Journal

Sie kriegen, was sie verdienen

Nämlich die Franzosen; und umgekehrt... und auch aus diesem Viertel wird der Weltmeister nicht kommen. Plus: vier ausgefüllte Feedback-Bögen.

Von Martin Blumenau

Für die einen ist es die Strafe für ein nicht anständig ausgeführtes Spiel - für die anderen ist es die Strafe für die bis dato ungenügende Spielanlage, Spielweise und Einstellung. Frankreich und Argentinien bekommen und verdienen einander im Achtelfinale.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Die andere am an die Schande von Gijon gemahnenden Match beteiligte Mannschaft ist ohnedies bestraft genug: sie wird im Achtelfinale von Kroatien (deren heutiges Match, von wegen B-Team, 2. Anzug etc., gar nicht zu bewerten ist) vorgeführt werden.

Man mag jetzt einwenden, dass es im Gegensatz zu Gijon, wo sich 1982 Österreicher und Deutsche dazu verabredeten mit einem Ballgeschiebe-Betrug Algerien aus dem Turnier zu werfen, diesmal keinen Geschädigten gibt. Das stimmt. Australien war deutlich zu schwach um seine theoretische Chance zu nützen.

Tschutti Heftli Matchplakat Dänemark Frankreich

Tschuttiheftli

Trotzdem, stell dir vor, du hast dir für ein WM-Spiel Tickets und Reisekosten aus dem Kreuz geleiert, samt terminlichen Ungemach, und alles was du dafür bekommst ist eine Partie, bei der es die überwiegende Mehrheit der Beteiligten gar nicht interessiert eine ernsthafte Darbietung zu zeigen. Und dann siehst du womöglich auch noch das Dünnpfiff-Flash-Interview von Tages-Captain Varane, wo er sinngemäß sagt, dass seine Truppe doch nicht so blöd sei, sich anstrengen zu wollen.

Du wirst diese Teams und auch den Sport dein Leben lang hassen. Oder zumindest für vier Jahre, wie ich nach Gijon ’82, samt Fußball-Platz-Boykott. Das muss nicht sein, das macht das schöne Spiel zu etwas, was jenseits der Realwirtschaft Fußball existiert, einer Art Derivathandel.

Nach der Kotzpause war dann - so wie auch gestern - der abendliche Thriller (viel besser als Tschiller) dran. Dass es zwischen den drei außer-kroatischen Teams in Gruppe D so eng werden würde, hätte niemand gedacht. Obwohl, wenn ich ehrlich bin: ich wusste seit gestern Abend, dass es Argentinien doch noch schaffen wird, seit ich Frenk Schinkels in einer Nebenrolle einer Wettwerbung gesehen habe, mit seiner Prophezeiung eines nigerianischen Siegs und Aufstiegs.

Tschutti Heftli Matchplakat Nigeria Argentinien

Tschuttiheftli

Das ist mehr als nur eine Bauernregel: es wird immer das Gegenteil von dem passieren, was Schinkels annimmt. Vor allem dann, wenn er, der Populist, sich allzu stark auf einen rasant fahrenden Boulevard-Zug draufsetzt. Dieser Zug signalisierte: Argentinien und Messi fliegen raus, weil sie streiten und ihre Nerven flattern, und weil skandalisierende Medien und hysteriegeile User damit eine Katastrophe hätten, über die sie dann ihre Stammtische breiten können.

Nun haben aber auch die anderen Nerven und eben nicht die Individualisten, die in ganz wenigen Szenen den Unterschied machen, wie Banega, Rojo und eben Messi. Und nach langer Suche und vielen falschen Entwürfen dann wenigstens im Finish ein riskantes 3-2-5, dessen Druck der Gegner nicht mehr standhalten konnte. Auch weil dann endlich das Kurzpass-Spiel aufblitzte, mit dem man den Strafraum zur danger zone umgestaltet. Davor war wieder das Longpass-Spiel dran, das zwar die Führung brachte, dem aber mit einfachen Mitteln zu entgegnen ist. Warum Coach Sampaoli dieses untaugliche Mittel in seinem WM-Plan-Mittelpunkt setzte, ist nicht nachvollziehbar. Und: genau deshalb kann Kurzpass-König Messi weder Aufstellung noch Plan gemacht haben.

Erinnert das alles an die deutsche Vorstellung mit der Rettung in letzter Sekunde? Ja, im Zweifel entscheidet das höhere Basis-Selbstbewusstsein für den Großen.

Tschutti Heftli Matchplakat Australien Peru

Tschuttiheftli

Zu den Feedback-Bögen für die vier Ausgeschiedenen. Nigeria ist knapp und an zwei dann doch besseren Teams gescheitert, hat sich in Spiel 2 mit einem interessanten 3-5-2, das im Offensivfall auf ein 3-3-4 umgemodelt wird, neu erfunden und beachtliche Ansätze gezeigt. Aber auch einzelne grässliche Halbzeiten. Und das alles mit einer personell doch deutlich weniger gut besetzten Mannschaft, als man sie schon bei WM-Turnieren gesehen hat. Gernot Rohr beweist also, dass afrikanische Teams auch jenseits von individueller Klasse und Starfaktor im Top-Bereich mithalten können.

Auch von Peru verabschiedet sich der Fan ungern, bei einem nur knapp anderen Verlauf (ein verwandelter Elfmeter) wären die Schärpenträger die Nummer 2 ihrer Gruppe geworden. Peru hat das klassische Problem der zweiten Reihe in Südamerika (Paraguay, Ecuador, auch Chile oder Kolumbien mit schwächeren Jahrgängen): es setzen sich zu wenige Spieler in den großen Ligen durch, vor allem der Sprung nach Europa gelingt zu wenigen. Und das rächt sich genau dann, wenn es ins direkte Duell mit vielleicht weniger talentierten, aber abgefeimteren europäischen Teams geht.

Tschutti Heftli Matchplakat Island Kroatien

Tschuttiheftli

Island ist da nicht mitgemeint, die sind ein Sonderfall, sollten eigentlich mit der Teilnahme glücklich sein, hatten aber wegen der übergut gelaufenen letzten Euro absurd hohe Ansprüche. Mit nur einer einzelnen Spielidee (und mit so wenigen Einwohnern/Kickern ist mehr dann auch zu viel verlangt) ist auf dem WM-Level schnell die Grenze erreicht. Was bleibt: ein legendärer Punkt im Spiel gegen Argentinien.

Tagesletzter: Australien. Nicht weil sie wie früher in der interkontinentalen Ausscheidung an den Südamerikanern hängenbleiben, sondern weil sie mit Bert van Marwijk das hässliche und reaktive Spiel gesucht haben, das nicht von Ideen sondern von der Hoffnung auf Gegner-Fehler lebt. Das ist selbst innerhalb des schwächsten Kontinental-Packages, dem aus Asien, hinterrangig. So sind die Socceroos von ihrem Ziel durch mehr Herausforderung zu einem besseren Team zu werden, weiter entfernt als in den Tagen, wo man sich in langweiligen Play-Off-Matches gegen Neuseeland durchgesetzt und dann nur eine ernsthafte Stufe zur WM-Quali bestreiten musste.

Noch zwei P.S. zu den nicht abreißenden politischen Zwischentönen des Turniers. Der väterliche Freund von Özil und Gündogan konnte bei den wahlberechtigten Auslandstürken 63 Prozent abstauben, also deutlich mehr als in der Heimat. Gut, gegen die 72% in Österreich ist das natürlich noch schwach.
Und: Jimmy Durmaz rules...

1. Runde
Argentinien : Island 1:1 Review
Kroatien : Nigeria 2:0 Review
2. Runde
Argentinien : Kroatien 0:3 Review
Nigeria : Island 2:0
3. Runde
Island : Kroatien 1:2
Nigeria : Argentinien 1:2

Gruppe D

Kroatien 3 0 0 7:1 9
Argentinien 1 1 1 3:5 4
Nigeria 1 0 2 3:4 3
Island 0 1 2 2:5 1
Gruppe A Gruppe B Gruppe C Gruppe D
Russland Portugal Frankreich Argentinien
Saudi-Arabien Spanien Australien Island
Ägypten Marokko Peru Kroatien
Uruguay Iran Dänemark Nigeria
Gruppe E Gruppe F Gruppe G Gruppe H
Brasilien Deutschland Belgien Polen
Schweiz Mexiko Panama Senegal
Costa Rica Schweden Tunesien Kolumbien
Serbien Südkorea England Japan

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