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Portraitfoto The Boys You Know in der Tiefgarage

Fritz Lichtenwagner

Schwer-Themen mit Indie-Leichtigkeit

Die 90iger Indieliebhaber The Boys You Know wagen sich mit ihrer neuen Platte „Two Lines That Never Touch“ an die schweren Themen des Lebens: konfliktreiche Beziehungen, Depression und Tod. Trotzdem ist der Wiener Band ein sehr luftiges und hoffnungsvolles Werk gelungen.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Mit ihrer ersten neuen Single „Song For A Failure“ scheint bei The Boys You Know im ersten Moment noch alles beim Alten zu sein. Locker-flockig eröffnet dieser Song mit einem schönen Gitarrenriff à la Teenage Fanclub, die Rhythmik ist beschwingt und Thomas Hangweyrers Stimme klingt vertraut nach dem schnarrigen Timbre von J Mascis.

Doch wenn die Trompeten im Refrain einsetzen, dann wird der Wandel transparenter. Vor allem inhaltlich widmen sich The Boys You Know gleich mal einem „unpopulären“ Thema in Zeiten der Social-Media-Selbstoptimierung, nämlich dem Fehlermachen.

Ruhe und Natur statt Hi-Tech Studio

Schließlich sind es all die Fehler, die The Boys You Know zu diesem neuen, wunderschönen Album geführt haben. Für den Vorgänger „Elephant Terrible“ haben The Boys You Know zwar auch schon den Verzerrer zurückgedreht, aber sie mieteten sich in ein teures Studio ein, um die Songs zu schreiben und zu produzieren. Diese „teuerste Demoaufnahme“, wie Thomas es so schön ausdrückt, wanderte nämlich in den Mistkübel.

Plattencover The Boys You Know "Two Lines That Never Touch"

The Boys You Know/Wohnzimmer Records

Das vierte Album „Two Lines That Never Touch“ von The Boys You Know ist bei Wohnzimmer Reocrds erschienen.

Diesmal hat sich Thomas auf die griechische Insel Santorin und nach Barcelona begeben, um Ruhe zu finden und die Natur zu genießen. Dabei entstanden die Ideen und musikalischen Skizzen für „Two Lines That Never Touch“. Zurück in Wien sind dann diese Ideen zu großartigen Songs gereift, meist ganz unvermittelt mitten im stressigen Arbeitsalltag. Genau dann, wenn das Unbewusste und der Körper die Songs, die in ihm schon gereift sind, frei geben. So zumindest schildert Sänger Thomas Hangweyrer den Entstehungsprozess der Songs.

Musikalisch repräsentieren die zwei Linien des Albumtitels, die sich niemals treffen, einerseits ruhige, sehr gefühlvolle Balladen, wie das berührende „Hide And Seek“ mit seinen wundervollen Gesangslinien, dem zarten Chorgesang und den sphärischen, glitzernden Gitarrenzerlegungen; andererseits treibende Rocknummern, wie das partytaugliche „Avery“, das mit seinem rau dahingroovenden Schlagzeug, den verschmitzt klingenden Solo-Gitarrenlinien und den kecken Bläsern sofort zum Tanzen animiert. Wobei hier mal wieder die Gitarren voll verzerrt werden dürfen, auch wenn es nur für einen kurzen Moment ist.

Wir halten mehr aus, als wir glauben

Inhaltlich beziehen sich die „Two Lines That Never Touch“ auf zwischenmenschliche Beziehungen. Schließlich haben wir oft das Bedürfnis andere Menschen ganz zu verstehen, mitunter in romantischen Situationen ganz mit ihnen zu verschmelzen oder gar im anderen aufzugehen. Doch trotz all dieser Bemühungen werden wir doch immer in gewissem Sinne alleine sein, eine eigenständige Person bleiben mit der mehr oder weniger starken Sehnsucht nach Symbiose.

Portraitfoto The Boys You Know in der Tiefgarage

Fritz Lichtenwagner

Für Thomas Hangweyrer ist diese Erkenntnis jedoch keineswegs negativ oder traurig. Auch wenn es wohl einige Zeit gebraucht hat, dorthin zu kommen. Der Song „You & Your Arcade Fire“ ist beispielsweise ein recht intimer Einblick in die letzten zehn Jahre des The Boys You Know Sängers, der daraus ein Liebeslied gemacht hat, ein Soundtrack zu einem „Foxlight Teenage Coming-Of-Age Film“, wie Thomas es mit breitem Grinsen benennt.

The Boys You Know live in Österreich:

  • 29.06. Wien, Flex
  • 30.06. Graz, Tamtam
  • 06.10. Wolkersdorf, Outback
  • 13.10. Klagenfurt,
  • 08.11. Salzburg, Rockhouse
  • 20.12. Feldkirch, Rauch Club

Aber nicht nur schwierige Beziehungen werden auf „Two Lines That Never Touch“ thematisiert. Auch Depression und vor allem der Tod ziehen sich durch das Album. Schließlich waren die letzten Jahre für Thomas Hangweyrer sehr schwierig. Der Tod war noch nie so unmittelbar und präsent und hat Verluste im engen Kreis nach sich gezogen. So ist eines der absoluten Highligts der Platte, das herrlich krachige, Shoegaze-ähnliche „Already Dead“, eine Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit.

Das neue The Boys You Know Album ist jedoch keineswegs ein deprimierendes, drückendes Werk geworden. In den Songs mag zwar eine gehörige Portion Melancholie mitschwingen, aber trotz aller Schwere vermittelt „Two Lines That Never Touch“ viel Hoffnung. Denn wenn Thomas Hangweyrer aus den letzten Jahren etwas gelernt hat, dann ist es, dass wir weitaus mehr aushalten, als wir glauben. Situationen, von denen man im Vorhinein denkt „das stehe ich nie durch“ durchlebt man und geht stärker daraus hervor. Insofern können uns die liebevoll arrangierten, mit dem einen oder anderen schönen Gitarren-Solo verzierten Songs wirklich Mut machen und vielleicht sogar unser Selbstvertrauen etwas stärken.

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