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Die Fahnen europäischer Staaten

APA/AFP/Ben STANSALL

Buch

Reform statt Revolution

Der Historiker Wolfgang Schmale glaubt fest an die Zukunft der Europäischen Union. Wie sie ausschauen könnte und sollte beschreibt er in seinem neuen Buch „Was wird aus der Europäischen Union?“

Von Ali Cem Deniz

Die Europäische Union und die Krise - ein unzertrennliches Paar. Egal ob es um Asyl, Grenzen oder Brexit geht. Deswegen wünschen sich derzeit viele weniger Europa. Wolfgang Schmale sieht es anders. Gerade wegen den Krisen plädiert er für mehr Euopa.

„Die Krise scheint Teil der europäischen Identität zu sein und das wird dann an der EU festgemacht, weil sie sie lösen soll“, sagt er. Der deutsche Historiker hat in Frankreich studiert und unterrichtet in Wien. Es ist nicht nur seine Biografie, die quer durch Kontinent führt und ihn zum glühenden Europäer macht. Die Probleme der EU sind zu groß, als dass sie die europäischen Nationen alleine lösen könnten, glaubt Schmale.

Portrait des Historikers Wolfgang Schmale.

Andjelko Vasilevic

Fiktion und Realität

Eine neue Europäische Union will er nicht, aber eine bessere. Wie sie ausschauen könnte, beschreibt er aktuell in seinem neuen Buch „Was wird aus der Europäischen Union?“ mit dem Untertitel „Geschichte und Zukunft“. Das mutet recht chronologisch an, aber beim Lesen stellt sich heraus, dass für den Historiker Schmale Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft oft nebeneinader und durcheinander stattfinden.

Das 19. Jahrhundert, der Zweite Weltkrieg oder der Kalte Krieg, sie zeigen Schmale, dass es ohne ein gemeinsames Europa nicht geht. Dass jetzt immer mehr Länder glauben, dass es auch ohne die Union gehen könnte, ist für ihn ein Beweis für den Erfolg der EU. Denn sie hätte es geschafft, die brutalen Konflikte der Vergangenheit aus unserer Realität zu verbannen.

Buch-Cover "Was wird aus Europa?"

Reclam Verlag

„Was wird aus der Europäischen Union?“ ist im Reclam Verlag erschienen. Nicht nur das Buch ist empfehlenswert, sondern auch Wolfgang Schmales Blog: „Mein Europa

Und der Grund für ihre Krise liege „im Nationalstaat, weil er einer Fiktion treu bleibt, der die Realität längst davon gelaufen ist. Genauer gesagt sind das Problem jene politischen Kräfte, die einer veralteten Idee der Nation anhängen und die Gegenwart an die Fiktion anpassen wollen.“

Ausweg Demokratie

Um diesen Trend zu stoppen, schlägt Schmale mehr Beteiligung der EU-Bürgerinnen und Bürger im politischen Prozess vor. Das soll zum Beispiel durch die Ausweitung des Wahlrechts geschehen. Vor allem das Parlament und die Zivilgesellschaft müssten in Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen.

Gestärkt durch die Partizipation soll sich die Union schließlich nicht nur um ihre eigenen Probleme kümmern, sondern als erfolgreiches Zivilisationprojekt der ganzen Welt zum Vorbild werden, gerade in Zeiten von Trump & Co. Vor allem gelte die Vorbildfunktion aber für jene Staaten, die am Rande Europas liegen. Das Verhältnis zu ihnen beeinflusst schließlich auch das Innenleben der EU.

Hoffnung und Argumente

“Was wird aus der Europäischen Union?” gibt nicht die endgültige Antwort auf diese Frage, die vielleicht viele gerne hätten. Aber es ist ein gutes Überblickswerk, das bei der Orientierung im EU-Dickicht hilfreich ist. Verglichen mit rein akademischen Texten bleibt das Buch über weite Strecken zugänglich. Es wäre aber auch ohne die teils sehr detaillierten Beschreibungen von EU-Verträgen und Institutionen sehr aufschlussreich. Schließlich will Schmale nicht bloß informieren, sondern überzeugen.

In jeder Zeile verteidigt der Historiker die Zukunft eines vereinten Europas. Ob er damit EU-SkeptikerInnen erreichen kann? Wohl eher nicht. Aber er liefert zumindest den Pro-Europäerinnen und Europäern Hoffnung und genug Argumente, um am Stammtisch die Stellung zu wahren.

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