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APA/AFP/Filippo MONTEFORTE

Blumenaus WM-Journal

Die drei großen Themen vor dem Halbfinale...

... sind (und das zu Recht): die Dominanz von Europa, das Ende des Starkults und das Ende des Ballbesitz-Fußballs.

Von Martin Blumenau

Wahnsinn, vier europäische Mannschaften im Halbfinale - so etwas hat’s ja überhaupt noch nie gegeben!
Eh, total! Außer halt 2006. Und 1982. Und 1966.
Ja, aber diese Außenseiter-Dichte - total einmalig!
Eh, total! Außer halt 2002. Und 1994.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

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In echt, jenseits von aufgeregten Fehlschlüssen und interessensgesteuerten Annahme-Bestätigungen, ist es so: wenn beide großen außereuropäischen Mächte (Brasilien und Argentinien) schwächeln und Uruguay nicht einspringt, dann sind vier Europäer die Regel. Punkt.
Weil niemand sonst die Kapazitäten hat. Da können maximal glückliche Gastgeber noch mithalten.
Und auch Kroatien und Belgien hatten jeweils bereits ihren Top-4-Platz, sind also keinesfalls so jungfräulich wie jetzt getan wird.
Es ist also alles komplett normal.
Und die Hysterie rund um die europäische Hegemonie ist nichts als aufgeblähte Empörungsbewirtschaftung.

Die argentinische Krise und das (durchaus unnötige) Scheitern Brasiliens lassen sich unter Punkt 2 besprechen: dem Ende des Starkults. Alle vier Halbfinalisten (aber auch drei weitere Viertelfinalisten und noch mindestens vier weitere Achtelfinalisten) kommen ohne einen überragenden Superstar aus - und das war auch gut so, denn weder Messi, Ronaldo, Neymar, James noch Lewandowski, Salah oder Mane konnten ihrem Team entscheidend helfen. Weil zu viel an Verantwortung an sie delegiert wurde, sie sich zu wichtig nahmen und so der Ibrahimovic-Effekt entstand: irgendwann weigern sich die anderen für den größenwahnsinnigen Affen zu laufen - und wenn das nur 5% Leistungsschwächung bringt, ist es auch schon entscheidend.

Dabei hat es am 10. Juni im Wiener Stadion noch so ausgesehen, als hätte Coach Tite (der übrigens weitermachen darf, weil ihm keine Schuld angekreidet wird, auch eine Seltenheit) ein Mittel gefunden, wie er seinen Star Neymar Jr. einfängt: mit der Idee ihm einen Security mitzugeben, der fast genauso viel kann und alle Unsicherheiten auffängt, also mit Philippe Coutinho, der das auch großartig gemacht hat. Dass sich Neymars Fallsucht im Lauf des Turniers zur Lachnummer entwickelte, die geplante Wirkung sich umkehrte und es so zu den entscheidenden 5% Minus kam, ist der Dynamik eines großen Turniers geschuldet; der auch Ronaldos Portugal zum Opfer fiel, dessen Team nach dem 1. Match davon ausging, dass es CR7 eh immer in der letzten Minute richten würde.

Die vier Halbfinalisten verfügen über jeweils genügend Schultern um den Druck und die Verantwortung zu teilen und haben interne Strukturen entwickelt, die Aussetzer Einzelner abfangen können. Wer damit auch nur leichte Probleme hat (Uruguay oder Kolumbien) strauchelt im entscheidenden Moment.

Worst Practice-Beispiel: Deutschland, wo die eh schon mühsame Bruchlinie „Junge gegen leistungsbefreite Arrivierte“ dann auch noch von Özils/Gündogans Erdogan-Fanboy-Foto erweitert wurde und sich somit alle Verantwortung bei Toni Kroos bündelte, der dem Druck (siehe oben) dann nicht gewachsen war.

Bierhoffs #Mnnschft wäre aber auch bei einem Aufstieg ins Achtelfinale an einem anderen, ihrem sportlichen Problem gescheitert, ganz ähnlich wie Spanien: am Ballbesitz-Fußball. Der den Gegner nicht mitdenkt und im Glauben hermetischer Vorherplanbarkeit existiert, auch wenn sie so grandios aussieht, wie das, was Isco spielen kann.
Das ist aber eben noch sehr 2014.
Seit 2015/16 (die ersten Drei bei der Euro, die Copa-Gewinner...) weht der Wind via Tempo-Gegenstoß-Fußball mit genau getimtem Plan.

Dominanz-Fußball ohne zu wissen gegen wen es eigentlich geht, den spielt auch Brasilien, und das geht sich bis zu einer gewissen Qualität (Österreich) auch echt gutaussehend aus, schon die Schweiz ist so nicht mehr zu biegen, und bei Belgien steht dann das große Stop-Schild.

Womit wir wieder bei den Europäern wären. Wobei... wenn wir die kroatischen Weißbrote weglassen: Die Teams aus Belgien, England und Frankreich sind mehrheitlich (ich habe 37 zu 32 gezählt) schwarz oder nordafrikanisch, also keinesfalls „europäisch“ im Sinn von PiS/Lega/Fidesz/FPÖ, sondern europäisch im Sinne des amerikanischen Traumes, der im Fußball eben der „europäische Traum“ ist, nämlich in eine der fünf großen Ligen zu kommen, die das globale Fußball-Erlebnis in Atem halten.

Einen Traum, den aktuell 35 Österreicher leben (30 in Deutschland, vier in England, einer in Italien), von denen vier außereuropäische Wurzeln haben, nur so als Vergleichswert.

Achtelfinale
AF1: Frankreich - Argentinien 4:3 Review
AF2: Uruguay - Portugal 2:1 Review
AF3: Spanien - Russland 1:1 - 3:4 i.E. Review
AF4: Kroatien - Dänemark 1:1 - 3:2 i.E. Review
AF5: Brasilien - Mexiko 2:0 Review
AF6: Belgien - Japan 3:2 Review
AF7: Schweden - Schweiz 1:0 Review
AF8: Kolumbien - England 1:1 - 3:4 i.E. Review
Viertelfinale
VF1: Frankreich - Uruguay 2:0 Review
VF2: Brasilien - Belgien 1:2 Review
VF3: Schweden - England 0:2 Review
VF4: Russland - Kroatien 2:2 - 3:4 i.E. Review
Semifinale
SF1: Frankreich - Belgien 1:0 Review
SF2: England - Kroatien 1:2 Review
Spiel um Platz 3
Belgien - England 2:0 Review
Finale
Frankreich - Kroatien 4:2 Review

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