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David Fuchs

Zita Bereuter / Radio FM4

David Fuchs’ Romandebüt lebt von seinem Krankenhauswissen

2016 hat David Fuchs mit der Geschichte um die Teenager Ben und Ambros den Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut gewonnen. Zwei Jahre später ist aus der Episode der Roman „Bevor wir verschwinden“ geworden. Ein Besuch bei David Fuchs im Krankenhaus.

Von Zita Bereuter

Klar habe ich gewusst, dass er in seinem Arbeitsgewand auftauchen wird. Dennoch ist es ungewohnt, als er mir im weißen Mantel gegenüber steht. „Oberarzt Dr. David Fuchs“ steht auf der Manteltasche. Er grinst. Ich kenne ihn sonst mit Band- oder Fuchs-T-Shirt. Nur die weißen Turnschuhe hat er auch „in Zivil“ an.

David Fuchs

Zita Bereuter / Radio FM4

Es nieselt leicht und wir können uns nicht wie geplant im Krankenhauspark unterhalten. Zu gern hätte ich die Sträucher mit dem Schnapsvorrat gesehen. „Unter den Parkbänken und in den Büschen verstecken die Alkoholiker ihre Schnapsflaschen, die sie heimlich zwischen den Untersuchungen und Visiten besuchen.“ Das weiß ich aus seinem Roman „Bevor wir verschwinden“. „Es kommt oft vor, dass ein Alkoholiker, der schon zittrig wird und unruhig, kurz von der Station verschwindet und nach einer halben Stunde entspannt wieder zurückkommt. Natürlich weiß das jeder, aber wozu soll man einen Alkoholentzug machen, wenn jemand für eine Leistenbruchoperation zwei Tage im Krankenhaus ist. Zahlt sich nicht aus.“ David Fuchs lacht, als ich ihn darauf anspreche. Früher sei das so gewesen. Die Sträucher seien mittlerweile einer Baustelle gewichen.

Schnaps und Merci

Wir gehen in den Trakt der Onkologie, die Krebsabteilung, sein Fach. David Fuchs stempelt aus und macht uns im Schwesternzimmer einen Kaffee. Er findet auf die Schnelle keine Merci-Schokolade. Aber er habe die eh satt. Ich weiß warum: „Merci gibt es im Krankenhaus immer und überall. Die Patienten schenken uns Merci, wenn sie nach Hause gehen, und glauben, dass das eine originelle Idee ist. Die Patientenkantine hat das Geschäft entdeckt und verkauft zum doppelten Ladenpreis große Packungen, kleine Packungen, alle Größen, alle Sorten.“ Originellerweise habe ich ihm natürlich auch Merci mitgebracht. Extra.

Es sind Beobachtungen wie diese, die das Setting von „Bevor wir verschwinden“ ausmachen. Denn Oberarzt Dr. Fuchs weiß, wovon er schreibt und er macht sich auch über Oberärzte lustig: „Wer so rumschimpft, ist entweder psychotisch oder Oberarzt. Oder beides, das schließt sich nicht aus.“ oder „Bei Oberärzten weiß man nie, ob nicht noch der Choleriker durchkommt.“

Aber, damit das auch gleich klar ist: alle Figuren sind frei erfunden. Ebenso wie etwa die Szene zu Beginn des Romans: „Wir defibrillieren Schweine in Planschbecken. Für meine Dissertation. Wir narkotisieren die Schweine, lösen Kammerflimmern aus und defibrillieren.
Gestern war Adelheid dran. Adelheid ist eine zweijährige Sau und es geht ihr schlecht. In der Nacht habe ich sie vier Mal defibrilliert und jetzt flimmert ihr Herz schon wieder.“

Ben und Ambros

Wir erinnern uns an die Kurzgeschichte „Fingerfallen“, mit der David Fuchs 2016 Wortlaut gewonnen hat: Darin erzählt er von den beiden Schulkollegen Ben und Ambros, die sich bei einer Klassenfahrt nach Rom näher kommen.

"Bevor wir verschwinden" Cover

Haymon Verlag

David Fuchs: Bevor wir verschwinden, Haymond 2018. Für den Titel ist David Fuchs dem Verlag dankbar. Er selbst hätte „ein paar gscheit miserable Vorschläge abgegeben.“

Mittlerweile ist Ben 24 Jahre alt, studiert Medizin und macht kurz vor dem Abschluss ein Praktikum in der Onkologie. Dort trifft er überraschend auf Ambros. Der ist Patient – sein Körper voll mit Metastasen. Wir erfahren, schon auf den ersten Seiten, dass die beiden einmal zusammen waren, sich aber offensichtlich lange nicht gesehen haben.
Auch das ist klar: auf ein Happy End muss man bei so viel Krebs nicht hoffen.

David Fuchs war die Handlung und die Dynamik zwischen den Figuren schon vor seiner Teilnahme bei Wortlaut klar, erzählt er. Anschließend habe er das verfeinert. Der Gewinn von Wortlaut habe ihn bzw. sein Schreiben bestätigt. Außerdem sei es ein Türöffner gewesen. „Es ist einfach ein Einstieg und ohne das hätte es nicht so hingehauen.“

Diese ungewöhnliche Liebesgeschichte erzählt David Fuchs aus der Perspektive von Ben. Gekonnt springt er von dem 16-Jährigen in den 90ern zum 24-Jährigen im Sommer 2002, als nicht nur das Jahrhunderthochwasser den Alltag erschwert. Er benennt Zweifel, Unsicherheiten und Ängste. „Von der Art, wie man sich fühlt, wenn man wohin kommt und neu ist und es hat niemand auf einen gewartet“, das kenne er noch aus seiner Erinnerung, „und im Buch noch verstärkt durch die Situation, dass er auf Ambros trifft.“

Ben und Ambros, das ist unsicher, vorsichtig, sensibel und zärtlich. Das kann auch romantisch, fast kitschig werden. Aber hey – es ist eine Liebesgeschichte!

Nirvana und Stauschlauch

Man taucht in die 90er, schwitzt in Holzfällerhemden und hört Nirvana, Bush und die Smashing Pumpkins, Musik, die David mitunter auch jetzt noch gerne hört, die für ihn aber wichtig war, um in die damalige Stimmung zu kommen. Toptitel beim Schreiben: „The Man Who Sold The World“ von Nirvana bzw. Bowie.

Man riecht den typischen Krankenhausgeruch, der von Desinfektionsmittel stammt und erahnt den Geruch der verschiedenen Stationen. „Auf der Onkologie riecht es anders, wie eine Mischung aus Waschmittel und Fischsuppe mit Knoblauch.“

Man lernt neue Begriffe kennen wie „Obduktionseinladung“, „Stauschlauch“ oder „Fußpass“ und Hypochonder werden mit dem Roman ihre Freude haben. Besonders beruhigend ist es ja nicht, wenn der Praktikant eine Punktion durchführen soll: „Man darf nie am Unterrand einer Rippe einstechen. Am Unterrand verlaufen die Gefäße, und die darf man nicht treffen. Oder waren die am Oberrand? Jetzt bin ich nicht mehr sicher.
Ich gebe in die Suchmaske ein: „Ablauf Pleurapunktion“. Gleich der erste Link funktioniert nicht, weil der Pornofilter des Krankenhauses den Zugriff sperrt. Warum auch immer. Ich wüsste jetzt nicht, welche schlimmen Bilder da auftauchen sollten. Man macht das von hinten, also kann man sicher keine Nippel sehen oder so was.
Ich bin auch nicht sicher, ob jemand eine Pleurapunktion überhaupt geil finden kann. Ich habe in einem Sexshop einmal ein komplettes Harnkatheterset gesehen, aber eine Punktion ist ein anderes Kaliber.“

Man erfährt in „Bevor wir verschwinden“ einiges über den Krankenhausalltag. Den ungeschönten Alltag, eventuell auch den realistischen Alltag. Über die Arbeit von Ärzten und Krankenschwestern, mit Details, die man nicht unbedingt wissen will. Oder auch über den Mythos Krankenhausessen. Ja, auch Ärztinnen und Ärzte bekommen wie das Personal das Krankenhausessen. „Dass das über Jahrzehnte oft ein bisschen mühsam ist, ist einsichtig.“

Arzt und Autor

Oberarzt Dr. David Fuchs wollte schon früh Onkologe werden. Das ist sein Fach. Da kennt er sich aus. Ähnlich ist es mit dem Schreiben. Er hat nicht vor, das eine für das andere aufzugeben. Warum sollte er auch? „Zu welchen Teilen das zu welcher Zeit mehr oder weniger Raum einnimmt, werden wir sehen.“ Vielmehr sieht er das als ideale Kombination. „Diese genaue Beobachtung, die man in beiden Dingen braucht, aber auch die Langsamkeit beim Schreiben und das detailliertere Beschreiben ergänzt sich ganz gut. Und im Arztberuf gibt es die Begegnung mit einer großen Zahl von Menschen und so kommen da auch Themen.“

Schreiben kann er nur zu den Randzeiten des Tages. In der Früh vor der Arbeit, oder wenn die Kinder schlafen. „Aber mir kommt das sehr entgegen, weil ich kann nur unter Druck und mit einer Deadline gut schreiben. Und das muss dann sehr fokussiert sein.“ Ein ganzes freies Schreibwochenende funktioniere nicht. „Es sind die kurzen ein oder zwei Stundeneinheiten, wo dann wirklich was passiert.“

Am ersten Verkaufstag hat David Fuchs in zwei Buchhandlungen seinen Roman gesucht. Und gefunden. Es sei ein seltsames Gefühl gewesen. Auch die „Nachbarschaft“ in der Buchhandlung. „Mit großen Namen da auf dem Tisch zu liegen ist eine ganz seltsame und schöne Sache. Seethaler, Handke und einige solche größeren Namen. Da liegt man ganz gut.“

David Fuchs live:
o-töne
Do, 23.8. 20:00 Uhr
MQ Wien, Hof 8

David Fuchs schreibt schon am nächsten Roman. Der hat nichts mit einem Krankenhaus zu tun. „Es werden schon Krankheiten vorkommen, aber es ist ein gänzlich anderes Setting mit anderen Personen.“ Schade, jetzt, wo man Ben und Ambros und das Krankenhaus so gut kennt.

Wie auch immer - Oberarzt Dr. David Fuchs muss los und seine Kinder vom Kindergarten abholen. Beim Gehen schiele ich nochmal unter die Sträucher im Krankhauspark. Dieses Buch wird mich noch lange begleiten.

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