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Trump Baby Blimp über Westminster

Verena Thim

ROBERT ROTIFER

London vs The Donald

Donny ist da, und London hat ihm gezeigt, was es von ihm hält. Ein Probelauf, und ich war nicht dabei.

Von Robert Rotifer

Ich muss mich entschuldigen, nicht weil es meine Reporterpflicht gewesen wäre, sondern falls mich dereinst am Totenbett das Gewissen fragt, wo ich war, als die Massen in London gegen Donald Trump auf die Straße gingen bzw. gegen die von ihm verkörperte Verrohung der Politik und der Gesellschaft, die Normalisierung von Menschenverachtung in all ihren Formen vom Rassismus über Frauen- bis zur Fremdenfeindlichkeit, das Trennen von Kindern von ihren Eltern, das Einsperren jener Kinder in Käfige, kurz das, was Fintan O’Toole von der Irish Times ein Test-Marketing des Barbarismus und einen Probelauf für den Faschismus nennt.

Während ich das hier tippe, zieht sich ein unüberschaubarer Zug von Hunderttausenden von der BBC am Portland Place bis hinunter zum Trafalgar Square, und ohne hier jetzt noch länger Platz mit dem Schreiben über mich selbst zu verschwenden, nein, ich bin nicht dort, sondern sitze zuhause am Schreibtisch, denn heute in der Früh gewann der Gedanke, dem Typen, der wie ein Vampir Energie aus dem ihm gebotenen Widerstand gewinnt, nicht noch mehr wertvolle Aufmerksamkeit zuzubilligen auf seiner willkürlich destruktiven Europa-Tournee.

Es ist ganz offensichtlich, ich hatte Unrecht in dieser meiner Entscheidung. Natürlich spielt es eine ganz notwendige Rolle, dass London und alle anderen Großstädte Großbritanniens sich ihm heute entgegenstellten, denn sonst liefe in den Rolling News hier jetzt nicht ein Split-Screen zwischen dem Gepränge in Windsor und der Menge in London, sondern ausschließlich der Kanal auf derer linken Seite, das Teetrinken hinter Burgmauern in Windsor als Fortsetzung einer bizarren Performance in Chequers, der Premierministerin Landresidenz in Buckinghamshire, wo vierzig Meilen weit weg von den Protesten in London alle Beteiligten ihr üblich übles Spiel der Kalmierung und Assimilierung hinter täuschend zivilisierter Fassade abspulten:

Trump selbst, der gestern noch in seinem Interview mit dem Politik-Korrespondenten Tom Newton-Dunn von Murdochs Revolverblatt The Sun getönt hatte, Theresa Mays Brexit-Pläne würden jede Aussicht auf ein britisches Freihandelsabkommen mit den USA „killen“ und gleichzeitig den zurückgetretenen Boris Johnson als großes Talent gelobt hatte, um dann bei der Pressekonferenz sowieso, wie er das immer tut, die Niederschrift seiner Aussagen gänzlich ungeniert als „fake news“ zu bezeichnen (selbst wenn den ganzen Tag jede Menge Aufnahmen jenes Interviews zu hören gewesen waren).

Theresa May, die so tat, als nähme sie ihm das alles ab. Die sich gestern wie heute wieder vom Alpha-Tier am Arm fassen ließ und ihrem in charakteristisch kippendem Kirchenfest-Tombola-Ansagerinnen-Ton vorgetragenen, pflichtgemäßen Exkurs über die große Zukunft Britanniens nach dem Brexit, der der Brexit ist, welcher immer noch der Brexit ist, freien Lauf durch die engen Korridore ihres beschränkten Wortschatzes ließ.

Und nicht zuletzt die versammelte Presse, die sich all das anhörte und keine Spur von Solidarität zeigte, als Trump sich weigerte, Fragen von CNN entgegenzunehmen. Die Held_innen des freien Journalismus in Großbritannien, sie blieben allesamt artig sitzen, zufrieden, dass sie nicht gemeint waren.

„Sir“ sagte der Mann von Reuters nach jedem Satz zu Trump, so als wäre er beim Schuldirektor vorgeladen, und er nahm sogar seinen Hut ab und entblößte seine Glatze, als Sir sagte, er gefiele ihm ohne Hut viel besser. Er wäre auf die Knie gegangen, hätte Sir das verlangt.

In ihren Analysen sprachen die Analyst_innen später von „Schadensbegrenzung“. Davon, dass Theresa May nun wieder besser dastehe, nachdem Trump sie als „harte Verhandlerin“ und „unglaubliche Frau“ gelobt habe. Aber natürlich war es nichts dergleichen, sondern im Gegenteil die Vorführung der Tatsache, dass Trump sich selbst noch die schamloseste Verarsche leisten kann - Großbritannien wird ihm immer verzeihen. Er kann sagen, was er denkt und was seine Kernkundschaft hören will, im Wissen, dass die Drohungen und Demütigungen, die er Tags darauf wieder zurückzieht, trotzdem hängen bleiben.

Aber es war nicht alles Beschwichtigung. So wie im Interview mit der Sun bezog sich Trump auch in der Pressekonferenz wieder auf eine unausgesprochene, spezifische Handlungsweise gegenüber der EU, die er, der große Künstler des Deal-Machens Theresa May vorgeschlagen, die jene aber abgelehnt habe. Weil sie ihr wohl „zu brutal“ erschienen sei. Er wolle nicht sagen, welche Brutalität er da angeregt hatte, so Trump, aber vielleicht würde May ja doch noch von seinem Vorschlag Gebrauch machen. Don Corleone, aber ganz ohne Stil.

Diese geballte Würdelosigkeit, sie hätte kein Gegengewicht ohne die Bilder vom Trafalgar Square, wo gerade Jeremy Corbyn sprach (der neulich bei der Demo für das People’s Vote zum Brexit-Deal gefehlt hätte), während die Trumps mit der Königin in Windsor Tee tranken.

Trump Baby Blimp über Westminster

Verena Thim

Dank an Verena Thim, Österreicherin in London, für die schon zu Mittag geschossenen Bilder

Über der Demo in London einstweilen des Donalds aufgeblasenes Alter Ego, das gigantische blonde, brüllende Baby Blimp in Windeln, zu niedlich und zu liebevoll in seinem Spott, aber dennoch ein mehr als brauchbares Maskottchen, das helfen wird, den Tag des Trump-Besuchs als Tag des Widerspruchs in Erinnerung zu behalten.

Trump Baby Blimp über Westminster

Verena Thim

Auf den Plakaten war dabei von einem „Carnival of Resistance“ die Rede, und aus der Ferne sah das alles mehr gutgelaunt als zornig aus, aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Heute drang nämlich an die Öffentlichkeit, dass die britische Regierung für den Fall eines harten Brexit nicht nur Lebensmittelvorräte anlegt, sondern auch einen Einsatzplan gegen die erwarteten Straßenunruhen ausarbeiten lässt.

Ein Probelauf in mehrerer Hinsicht also. Schauen, was reingeht, so wie Fintan O’Toole das beschreibt. Und ich weiß jetzt, ich wäre besser mitgelaufen.

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