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Chancha Via Circuito EP Cover "Semillas"

Chancha Via Circuito

artist of the week

Die optimistische Schwermut

Der argentinische Produzent, Komponist und DJ Chancha Via Circuito ist unser FM4 Artist of the week.

Von Natalie Brunner

Gibt es optimistische Schwermut? Wenn diese Gegensätze sich irgendwo annähern, dann im Cumbia. Ein lateinamerikanischer Musikstil, der das Rückgrat vieler Produktionen des argentinischen Produzenten, Komponisten und DJs Chancha Via Circuito ist.

Chancha Via Circuito, das „Schweinchen durch den Kreisverkehr“, ist der Künstlername von Pedro Canale. Chancha Via Circuito ist Slang für die Vorortelinie, die Pedro genommen hat, um aus dem Umland, wo er wohnte, nach Buenos Aires zu kommen. Das „Schweinchen“ ist die dicke alte Dampflok, die es heute nicht mehr gibt.

Züge und ihr Rhythmus waren für Pedro immer eine große Inspiration. Auf seinem neuen Album „Bienaventuranza“, Glückseligkeit, verbindet er lateinamerikanische Instrumente der einfachen Art, also Volksinstrumente, die jedes Kind in Peru, Kuba, Kolumbien, Argentinien hat und die mensch auch in Touristenshops kaufen kann, mit elektronischen Kompositionen. Die Panflöten und Rasseln werden so eingesetzt wie es vor Jahrhunderten auch gedacht war, zur Imitation von Klängen aus der Natur.

"Bienaventuranza" Chancha Via Circuito Cover

Chancha Via Circuito

Wir NordhalbküglerInnen denken bei den Klängen von Panflöten und Rasseln auch an diverse Postkarten: Sehnsuchtorte vom Grün des Amazonas zum Ocker der peruanischen Hochebenen. Cumbia, Dub, Afro House, folkloristische Gesänge, Raps und Dancehall sind in dem Baukasten, aus dem Chancha via Circuito sein Klanguniverum zimmert.

Schön illustriert ist diese Kombination auch auf dem Cover des aktuellen Albums. Eine Dame sitzt auf einem Crazy Hairstyle Alpaca, das außerdem noch eine digitale Photosticker-Maske trägt. Das ist extrem super und wäre meiner Meinung nur noch zu toppen von einem in einer heißen Quelle sitzenden und Koto spielenden japanischen Wasserschwein.

Chancha via Circuito

Chancha via Circuito

In der Musik von Chancha Via Circuito hört mensch Natur und Stadt gleichermaßen. Was er oder sie aber sicher nicht hört, ist ein einen Müllberg hinterlassendes und Murmeltiere auf Lebzeiten traumatisierendes EDM-Rave in der hinteren Einöde. Chancha Via Circuitos Stücke sind fragil und mensch kann die Sensibilität ihres Schöpfers hören. Die Hälfte der Stücke auf Chanchas vierten Album „Bienaventuranza“ sind instrumental, teils folkloristische, digitale Cumbias, die gewagteren holen sich Stimmen an Bord, wie zum Beispiel den kolumbianischen MC Manu Ranks, der auf „La Victoria“ zu hören ist. „Bienaventuranza“ ist das fünfte Album von Chancha Via Circuito, das „Los Pastores“-Mixtape aus dem Jahre 2010 mitgezählt.

Den Ansatz, lateinamerikanische Klang- und Musiktraditionen in eine elektronische Gegenwart zu führen, verfolgt Chancha Via Circuito schon seit Beginn seines Tuns im Jahr 2005. Er ist auch auf dem Album „Rodante“ aus 2008 zu hören. Was die aktuellen Produktionen von Chancha so brillant macht, ist einerseits die Entwicklung seines kompositorischen Talents und andererseits auch die Produktionsqualität. Jene unter euch, die sich gerne durch die Soundcloud hören, wissen, wie viele Produktionen aus allen Teilen der Welt es gibt, bei denen MusikerInnen lokale Traditionen weiterführen, bei denen aber leider die Soundqualität noch zu schlecht ist, um der Idee zu entsprechen.

Chancha Via Circuito EP Cover "Semillas"

Chancha Via Circuito

Die EP „Semillas“ gibt es hier zum Gratis-Download

Die ersten Produktionen von Chancha Via Circuito erschienen auf dem in Buenos Aires beheimateten Label ZZK, ausgesprochen „Zizek“ wie der slowenische Starphilosoph, der die argentinische Hauptstadt zu dieser Zeit ebenfalls seine Heimat nannte.

ZZK entstand aus einer Partyreihe und veröffentlicht argentinische ProducerInnen, die alle auf ihre Weise Reminiszenzen an Cumbia, Murga, Sonidero, Dub oder Reaggeton in ihrem Werk tragen. Chancha Via Circuitos erstes Album „Rodante“ war einer der ersten Releases auf ZZK.

Der Ruhm von Chancha Via Circuito ist spätestens seit seinem 2014 erschienen Album „Amansara“ global. Ein Einsatz bei „Breaking Bad“ und Auftritte bei großen Festivals wie Coachella oder Sónar sorgten dafür, dass keine Veröffentlichung von Chancha am Radar der internationalen Musikpresse vorbeigeht. So nannte ihn der Guardian - für mich inhaltlich nicht so ganz nach vollziehbar - „Lateinamerikas Antwort auf Massive Attack“. Die Latte, an der gemessen wird, liegt auf jeden Fall knapp vor den Toren des Olymps.

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