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Die MitarbeiterInnen der Firma emagnetix

Firma emagnetix

Gegen den Trend

Weil er auf ausgeschriebene Stellen keine Bewerbungen bekommen hat, führt Klaus Hochreiter gemeinsam mit seinem Geschäftspartner in seiner E-Marketing-Firma die 30-Stunden-Woche ein – bei vollem Lohnausgleich. Wie funktioniert das?

Von Irmi Wutscher

Es ist eine der zentralen Forderungen des Frauenvolksbegehrens, aber auch vieler anderer, die sich eine bessere Work-Life-Balance wünschen: eine 30-Stunden-Woche. Die Idee dahinter: wer 30 Stunden die Woche arbeitet – also zum Beispiel nur 4 volle Arbeitstage oder jeden Tag 6 Stunden - hat mehr Zeit für Freizeit und Familie. Väter und Mütter könnten sich Kinderbetreuung, Pflege oder ähnliches gerechter aufteilen. Denn: Teilzeit ist in Österreich immer noch weiblich: 47,7 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, aber nur 11,9 Prozent der Männer.

Ein Betrieb, der sich diese Wünsche zu Herzen genommen hat, ist die E-Marketing Firma emagnetix im oberösterreichischen Bad Leonfelden: Hier wird gerade schrittweise umgestellt auf eine 30-Stunden-Woche - bei vollem Lohnausgleich. Die Firma bietet ihren KundInnen Konzepte für den Online-Auftritt an, sie entwickelt Websites, schaltet Werbebanner oder übernimmt Social Media Aktivitäten. Dinge also, die sich planen lassen und sich deswegen für so eine Umstellung gut eignen.

Wie funktioniert das Modell von emagnetix und kann der Betrieb ein Vorbild sein für andere Firmen? Ich habe mich auf den Weg nach Bad Leonfelden gemacht.

Zeit ist das neue Statussymbol

Ein Hauptplatz mit Bäckereien, Bars und einer gotischen Kirche. Nur ein paar Meter weiter in einem Eckhaus ist die Firma emagnetix untergebracht. Ein freundlicher junger Mann in Birkenstockschlapfen und mit großer Brille öffnet mir. In den hellen, offenen Büroräumen ist die Firma untergebracht. Menschen in ihren Zwanzigern sitzen hinter Computerbildschirmen.

Das Büro im Dachgeschoß

Irmi Wutscher

Das ausgebaute Dachgeschoß haben die MitarbeiterInnen mitgestaltet.

Geschäftsführer und Inhaber Klaus Hochreiter begrüßt mich. Er erzählt, dass hinter der Idee mit der 30-Stunden-Woche der vielzitierte Fachkräftemangel stand: „Auslöser war vor zwei Jahren, dass wir eine Stelle ausgeschrieben hatten und keine Bewerbungen bekommen haben.“ 24 Mitarbeiterinnen hat er heute, sie sind alle zwischen 25 und 27 Jahre alt.

Zum Fachkräftemangel kommen geänderte Bedürfnisse der Jungen, sagt Hochreiter: Zeit ist das neue Statussymbol und viele junge Arbeitnehmerinnen wollen lieber kürzer arbeiten und mehr Zeit für Freunde und Familie haben, anstatt viel Geld zu verdienen.

Das Umstellen auf die 30-Stunden-Woche war für die Firma also eine notwendige Maßnahme, MitarbeiterInnen zu bekommen. Auch, weil es abseits von den Zentren noch einmal schwieriger ist, qualifizierte Leute zu finden: „Am Land muss man sich auf alle Fälle etwas überlegen. Der Fachkräftemangel trifft alle, aber am Land ist es noch ein bissl schwieriger.“

Alles wird optimiert

Seit etwa einem Jahr wird jetzt umgestellt. Letzten Sommer gab es eine Testphase, um zu schauen, ob das System überhaupt funktioniert. Jetzt gerade wird schrittweise endgültig umgestellt: Seit 1. Juni arbeiten alle 34 Stunden, ab 1. Oktober werden es 30 Stunden sein.

Bei der Umstellung wurde aber nicht einfach nur die Arbeitszeit verkürzt, sondern es gab viele begleitende Maßnahmen, um Arbeitsabläufe effizienter zu machen. Heißt das nicht, dass man jetzt einfach alles in 6 Stunden erledigen muss, was vorher in 8 Stunden erledigt wurde? „Genau das Gegenteil ist der Fall“, sagt Projektmanager Andreas, „Sonst wär ja jeder gestresst!“

Manche Aufgaben wurden digitalisiert – zum Beispiel das Zusammentragen von Zahlen für Berichte. Das macht jetzt ein Online-Tool, anstatt dass man die Zahlen händisch einträgt. Interne Abläufe wurden ebenfalls effizienter gemacht. Bei Besprechungen läuft die Sanduhr, sie finden im Stehen statt: „Vorher haben Termine zum Beispiel zwei Stunden gedauert. Jetzt gibt es einen Leitfaden, und Besprechungen dauern jetzt nur mehr dreißig Minuten“, sagt Andreas.

Motivationswand

Irmi Wutscher

Die Motivationswand gibt die Ziele bis 2025 vor, feiert neue Aufträge und heißt neue KollegInnen willkommen.

Die Mitarbeiterinnen scheinen mit der Optimierung ihrer Arbeitsabläufe zufrieden zu sein. Das Geheimnis ist vielleicht, dass diese Maßnahmen nicht von oben verordnet wurden: Sie haben selbst erhoben, was verbessert werden kann.

Eine interne Umfrage nach der ersten 30-Stunden-Testphase hat ergeben, dass die MitarbeiterInnen ihre zusätzliche Zeit tatsächlich für Haushaltstätigkeiten oder Familie nutzen – Männer wie Frauen. „Man kann die Zeit für viele alltägliche Sachen verwenden, die man sonst erst nach der Arbeit erledigt hätte – Einkaufen zum Beispiel“, sagt Stefan, Leiter der Abteilung für Performancemarketing.

Was sagen die KundInnen

Skepsis kommt wohl eher von den Kunden. Die offiziellen Telefonzeiten wurden zum Beispiel auf 8 – 14 Uhr eingeschränkt. Hochreiter und die Projektleiter betonen aber, dass sich Kunden mit ihren jeweiligen Betreuern auch zu anderen Terminen Gespräche ausmachen können. Und einen Notfall-Dienst gibt es auch.

Einige Kunden waren auch besorgt, dass die Kosten der Umstellung auf sie umgewälzt werden könnten. „Das hat auch ein Vertreter einer Interessensvertretung gemeint“, sagt Hochreiter. „Das machen wir natürlich nicht, denn dann wären wir ja nicht mehr konkurrenzfähig.“

Hochreiter betont, dass die Einsparungen rein über das Optimieren von Abläufen gelungen sind, und dass die Maßnahme ein Investment in die Zukunft sei: „Das ist ein langfristiges Investment von der Unternehmensseite. Wir sind inhabergeführt und unabhängig, uns sitzt niemand im Nacken, der auf Gewinne pocht. Wir sind bereit, dass wir jetzt 2, 3 vielleicht sogar 5 Jahre auf Teile vom Gewinn verzichten, und das in die langfristige Mitarbeiterzufriedenheit investieren.“

Genutzt hat es ihm: Mittlerweile hat emagnetix mehr Bewerbungen als je zuvor. Hochreiter erzählt, er habe auch hochqualifizierte Mitarbeiter gewinnen können, die sich ohne die 30-Stunden-Woche nie für diesen Betrieb entschieden hätten. Dank des Erfolgs will die Firma jetzt weitere Standorte in Graz und Linz aufbauen.

Die Gründer der Firma emagnetix

Firma emagnetix

Geschäftsführer und Inhaber Klaus Hochreiter und Thomas Fleischanderl

Auch Nachahmer gibt es schon. Oder Firmen, die anrufen und sich erkundigen, wie das Modell funktioniert. Dazu sagt Klaus Hochreiter: „Das ist ein Modell mit all unseren Rahmenbedingungen, das nur bei uns so funktioniert. Ich sage nicht, dass das bei einem anderen Unternehmen genauso funktionieren muss. Das kann ich mir überall auch gar nicht vorstellen.“

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