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Menschen sitzen auf einem Rasen

Martin Blumenau

dailyblumenau

Die Bundesliga in der selbstinstallierten Echokammer

Message Control, Symbolpolitik und migrierte User - der Start der medial runderneuerten Fußball-Bundesliga läutet einen Paradigmenwechsel des Sportjournalismus ein.
Eine Pre- und Review in drei Teilen.

Von Martin Blumenau

Der Schritt ist nicht groß - deshalb auch leicht zu gehen - aber entscheidend. Der österreichische Vereinsfußball zieht sich in einen vollständig kontrollierten, fast schon virtuellen Raum zurück, in eine Echokammer von Symbolbilder produzierenden Medien, wo der Fan nur als Datensatz existiert. Journalismus hat da keinen Platz. Es gibt kein einigermaßen breit streuendes Medium, das ohne Eigeninteressen berichten wird. Das war - wir sind in Österreich - vielleicht schon immer so, aber noch nie per definitionem.

Das Symbolbild zeigt den Garten des MAK in Wien, einem der Orte an dem die neue Liga präsentiert wurde.

Teil 2 der Reihe zum österreichischen Liga-Start - Ellbogenchecks am Kleingarten-Stammtisch - behandelt das moralische Sittenbild im heimischen Fußball.

Teil 3: Vom Wettstreit der Systeme und 0,0 Prozent Marktanteil: Die Liga hat Sichtbarkeits-Probleme und plustert sich entsprechend auf.


The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

Ganz früher war das so: ein paar Zehntausend rund um den Platz sehen ein Match der österreichischen Fußball-Meisterschaft und via Radio und Printmedien werden ein paar Hunderttausend weiteren dazu Geschichten erzählt.

Bis vor kurzem war das so: ein paar Tausend rund um den Platz sehen ein Match und viele Medien (im besten Fall überträgt das Fernsehen, das Hunderttausende erreicht, live) verbreiten dazu Info-Häppchen.

Ab Freitag wird es so sein: ein paar Tausend rund um den Platz sehen ein Match und viele Medien verbreiten die Info- und Emo-Häppchen nach einem strikten Schlüssel, was vor allem die Bilder, die die Hunderttausenden erreichen, betrifft.

Die neue Regierung macht das mit ihren Botschaften übrigens auch so, und nennt das „message control“.

Die kurze historische Phase, in der jeder, der wollte, barrierefrei, via Medien überprüfen konnte, ob die mediale Darstellung mit der Realität übereingestimmt hat, ist vorbei. Nach der Innenpolitik jetzt auch im Sport.

Dabei hat sich - trotz des großen Brimboriums, das die Branche veranstaltet - nicht allzu viel verändert: der neue Modus der reformierten 1. Liga greift erst im Frühjahr, Infrastruktur und Spiel-Level bleiben in etwa gleich, die 2. Liga dümpelt im Windschatten vor sich hin und der Verlust des Sonntag-Livespiels im ORF-Fernsehen ist sportlich wirklich zu verkraften.

Stattdessen wurden Rechte weiterverteilt, rein optisch es sieht gar nach einer medialen Demokratisierung aus: Highlight-Shows im ORF und auch im Fellner-TV, Einbindung eines Mobilfunk-Partners und einer großen Sport-Website. Dazu kommen Rechtepakete für Radio und Online, neue Möglichkeiten für regionale TV-Anbieter (Beispiel LASK) und bereits bestehende Verpartnerungen von Clubs und regionalen Printmedien bis hin zum Krone-Trikot-Popo. Weiters gibt es ausgedehnte Rechte für die einzelnen Vereine, die mittelfristig dazu führen werden, dass sie Öffentlichkeits-Politik über ihre Sites bzw. Channels steuern werden. Kurzfristig sind die Liga-Mitglieder dafür noch nicht professionell genug, den Job übernimmt zwischenzeitlich der zentrale Host-Broadcaster Sky, der unter dem Signet „Mein Verein“ jedem Liga-Club seine wöchentliche Viertelstunde of fame gibt und außerdem eine hippe Social Media-Show zwischenschaltet. Mit dieser als Berichterstattung getarnter PR werden die bisherigen Platzhirschen, die regionalen Medien, heftig unter Druck gesetzt noch größere Nähe zu den Objekten ihrer Berichterstattung zu suchen.

Praktisch alle Medien aller Gattungen, die sich bisher mit Fußball-Berichterstattung, Quote, Auflage, Klicks generiert haben, sind Teil eines großen Ganzen geworden. Wie schon gesagt: informell war das in großen Teilen davor auch schon so. Jetzt ist es aber verbindlich. Message Control, die Steuerung der Streuung.

Und es funktioniert schon im Vorfeld: So konnte Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer bei einer von mehreren Präsentations-Veranstaltungen recht freimütig über die grässlich aus dem Ruder gelaufenen Verteilungs-Kämpfe im Vorfeld (Stichworte: die Klagen von Hartberg und Neustadt) sprechen und konnte sich trotzdem sicher sein, dass diese Misstöne den Saison-Auftakt nicht stören würden: da praktisch alle Medien am Gesamt-Produkt österreichischer Vereins-Fußball mitverdienen und deshalb an seinem Erfolg interessiert sind, da sie also allesamt Stakeholder sind, verschwindet Kritik in kaum wahrgenommene Nischen. Es ist das Gegenteil von Berichterstattung - Message Control at it’s best.

Fans bekommen ihre Informationen in Hinkunft also exakt so, wie sie von den Teilnehmern und Veranstaltern gewollt werden. Es ist wie bei FPÖ-TV: durch die Umgehung von einordnendem Journalismus fällt jeder Filter weg. Der einzige Unterschied zur politischen message control: der dort betriebene, strukturell verlogene Wahrheits-/Authentizitäts-Kult weicht einem bewusst ausgestellten „Durch die Vereins-Brille“-Sehen, der bei Bedarf zu einem „Durch die Österreich-Brille“- bis hin zu einem „Durch die Fußball-Familien-Brille“-Sehen steigerbar ist.

Die Fußball-Interessierten, die jenseits der auf einen einzelnen Verein fokussierten Ultras, ein realistisches Bild ihres Lieblingssports erwarten, finden sich zwischen institutionalisierter Medien-Beschönigung und dem Wegfall des leicht zugänglichen Reality Checks als Datensatz wieder. Wir wollen User zu Sky-Abonnenten migrieren, sagte laola1.at-Geschäftsführer Rainer Geier bei einer der erwähnten Präsentationen. Eine bezeichnende Formulierung: Diese Art der Migration hat nämlich nichts mit der Balkanroute unseres Kanzlers zu tun, sondern bezeichnet die Überführung von Daten in ein anderes Betriebssystem.

Um viel mehr geht es den großen Playern dieses neuen Stakeholder-Konglomerats dann auch nicht; messbare Gewinnoptimierung. Und die dient auch dazu, die entscheidende Maßeinheit im Fußball, nämlich die Anzahl der Zuschauer im Stadion, durch Datensatz-Transfers und mediale Touch-Points aller Art zu relativieren.

Einen Hundskick als Hundskick anzusprechen, das wird innerhalb dieses Systems zunehmend schwieriger - wiewohl es die ARD-Kollegen bei ihren Sportschau-Berichten wohltuend vorzeigen - weil niemand die Hand beißen will, die das eigene Unternehmen (mit)füttert. Geschehnisse jenseits des reinen Spiels, gesellschaftlich relevante side effects aufzuklären oder gar in eine supranationale Relation zu setzen, geziemt sich in diesem Denkgebäude schon gar nicht mehr - weil man neben der Vorsicht das Produkt nicht zu beschädigen auch die Neo-Logik des Journalismus unserer Tage (Hysterisierung, Zuspitzung, Empörung) mitbedenken muss.

Angewandter Euphemismus wird also den Kern des Journalismus, die Einordnung, ersetzen. Wie gesagt: auf diesem Weg war die Branche bis dato eh auch schon, informell. Jetzt ist es halt offiziell, mit Regeln und Beschlüssen.

Vor einigen Jahren gab es Pläne eines großen (konservativen) österreichischen Verlages, die Sportredaktion seines zentralen Produktes auszusourcen, also jenseits von Redaktionsstatuten, Kollektivverträge zu stellen. Und so als das auszuschildern, was sie de facto - zumindest größtenteils - sind: keine Journalisten. Die Idee wurde nach massiven Branchen-Protesten fallengelassen. Mittlerweile würde sie durchgehen.

P.S.: Echo-Kammern, auch jene, die man selber installiert, haben einen Nachteil - sie können schnell zu einem Panic-Room werden, aus dem man dann nicht mehr zurück ins wirkliche Leben findet.

Morgen in Teil 2 der Preview: Ellbogenchecks im Kleingärtnerparadies - ein Sittenbild.

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