FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Jim Morrison Memorabilia

JOEL SAGET / AFP

Fm4 Excursions

Psychedelic Rock: Rap auf LSD

FM4 Excursions, Episode 6, Liner Notes: Im großen Staffelfinale werfen wir einen psychedelischen Trip der 1960er und 1970er Jahre. Wir hören Psych Rock-Bands wie The Doors, Pink Floyd und Can und wie ihre Experimente mit Musik und Drogen den Pop revolutionierten. Jahrzehnte später erleben sie einen Flashback als Samples in HipHop-Beats von A Tribe Called Quest, Nas & Beyoncé.

Von Florian Wörgötter

Unsere Sommer-Studienreise zu den Sample-Wurzeln von HipHop und Dance-Music erreicht ihr Ziel. Kurzes Reisetagebuch von Staffel zwei der FM4 Excursions: Kapitän Trishes führte uns durch Brasilien auf den Spuren von Bossanova und Tropicalia. Wir hörten Mozart und Beethoven auf den Beats der Straße und jagten den Zeitgeist in Samples aus dem 21. Jahrhundert. Wir rückten Library Music für Funk und Fernsehen ins Rampenlicht und würdigten die legendärsten Drum-Breaks vergessener Schlagzeuger. Wie schon David Lynch in Twin Peaks verschieben wir zum Staffelfinale noch einmal die Wahrnehmung und enden mit Psychedelic Rock.

Psychedelic Rock Poster in einer Ausstellung

Josh Edelson / AFP

Der hypnotische Psychedelic Rock entwickelt sich Mitte der Sechziger Jahre im warmen Kalifornien aus dem Folk, der Beat-Literatur, dem Rock’n’Roll und halluzinogenen Drogen wie LSD. Arm in Arm mit der Hippie-Bewegung tanzen Bands wie The Doors, Jimmy Hendrix, The Beatles und Pink Floyd in die Charts.

FM4 Excursions

Bunt gemixte Assoziationsketten zeigen die Wurzeln aktueller Sounds und ihre Einflüsse auf die musikalische Jetztzeit. Die Excursions-Themen-Mixtapes von Trishes laufen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ab 0 Uhr und im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player. Ein Klick auf die Links der beschriebenen Songs führt zu ihrer Position im Mix.

Ihr Sound steht im Zeichen des Experiments: Im Studio laufen Tonbänder langsamer oder verkehrt, Soundeffekte wie Fuzz und Flanger, Wahwah und Echos vertonen ihren (Drogen-)Trip, der Loop wird entdeckt. Songstrukturen werden aufgebrochen, das Radioformat episch aufgeputscht, das (Konzept-)Album übernimmt – auch weil es mehr Kohle bringt als eine kurze Single. Auf Live Konzerten dominieren überbordende Solo-Improvisationen, ummalt von ersten trippigen Visuals und Lichtshows. Und das Publikum erfährt davon durch knallbunt-designte Plakate und schwebt dank bewusstseinserweiternden Substanzen wie LSD oder Cannabis auf der gleichen Frequenz wie ihre vollgedröhnten Idole. Es gibt keinen falschen Film, wenn er ordentlich gerissen ist.

Ende der Sechziger Jahre erreichen Psychedelic Rock und die Hippie-Bewegung ihren Höhepunkt, ihre Einflüsse reichen aber bis in die Gegenwart. Im finalen Mix zur zweiten Staffel der FM4 Excursions zeigt Trishes, wie viel Hippie in HipHop steckt.

PInk Floyd Köpfe

ANDREAS SOLARO / AFP

Pink Floyd: Der Mond ist die Grenze

Trishes eröffnet seinen Mix mit Pink Floyd, einer wichtigen Instanz des britischen Psychedelic Rock. Im Opener „Comfortably Numb“ (1979) hören wir langsamer und schneller spulende Tapes und die berechtigte Frage: „Heaven, is there anybody in there? Is there anyone at home?“. Eminem-Entdeckung Yelawolf & DJ Paul interessiert in „Mastermind“ (2013) mehr der Tremolo-Effekt des Samples und die Antwort wohl nur dann, ob da oben genug Leute mitbekommen, wenn er mit seiner Bande ordentlich Stunk macht.

Daraufhin folgt der nächste Pink Floyd-Song „The Great Gig In The Sky“ (1973), eine weitere Auseinandersetzung mit dem Leben danach. Die Gesangsimprovisationen von Sängerin Clare Torry verzichten auf erklärende Worte, ihre instrumental eingesetzten Schreie vertonen aber unmissverständlich: Die Zeit der naiven Blumenkinder ist vorbei, der düstere Tod hat auch ihre Blüten zum Verwelken gebracht.

In seinem Remake „The Dive Pt.2“ (2009) rappen Eyedea & Abilities in der philosophischen Sprache ihrer (Hippie-)Vorfahren: „I’d like to welcome you, to the heaven you’ve created / I tell the truth, this is the wisdom of the ancients / Holding onto something contradicts our being, so fly free“. Ein Satz, der angesichts der Vergötterung von materiellem Status im HipHop wohl nur einen Bruchteil seiner Szene zum Abheben bringen wird. Zeit für mehr Askese in der Manege.

On The Road auf dem Hippie Trail

In den Sechziger und Siebziger Jahren pilgern Hippies und Globetrotter auf dem „Hippie Trail" von Europa aus nach Asien. Ihr Ziel: spirituelle Erleuchtung, Urlaub vom Spießbürgertum, gleichgesinnte Gemeinschaft und Drogenrausch. Die bedeutendste Route führt vom Puddingshop in Istanbul in ein kulturell offenes Teheran, durch staubiges Gebirgsland nach Kabul auf die Chicken Street, in den Ashram nach Goa (wie The Beatles) und in die heilige Gebirgsstadt Katmandu im Himalaya (wie Jimmy Hendrix, angeblich). Manche bleiben kurz, manche länger, manche bleiben hängen.

Trishes zeigt in musikalischen Beispielen, wie auch der Psychedelic Rock von Kalifornien nach New York über Großbritannien hinaus in die Welt reist. Der iranische Farsi-Rock-Pionier Kourosh Yaghmaei verkörpert mit seiner Liebesballade "Gole Yakh“ (1974) ein noch kulturell offenes Klima, das im Jahr 1979 durch die Machtübernahme konservativ-islamistischer Mullahs erstickt wird und auch den Hippie Trail von der Landkarte schneidet. NYC-Rap-Legende Nas nutzt das melancholische Piano als Grundgerüst für den von Kanye West produzierten Beat von „Adam and Eve“ (2018).

Aus Puerto Rico hören wir die glühende Hammondorgel von Kaleidoscope und ihrem „Let Me Try“ (1969). Darauf lässt sich Beyoncé von Producer Just Blaze einen glänzenden Beat schneidern, auf dem sie mit Feature-Gast Kendrick Lamar lautstark die Mission der Hippie-Generation skandiert: „Freedom!“ (2016).

In Deutschland wächst der Horizont durch die weitsichtigen Kölner Can, die sich selbst nie als Rockband sehen, jedoch avantgardistische Experimente aus Freejazz und Psychedelic Rock verbinden. Ihr Song „Vitamin C“ (1972) besticht mit unfassbar nahrhaftem Bass-Groove im Stile von James Brown und einem Chorus von Straßenmusiker Damo Suzuki, der schon gestern nach heute geklungen hat. Ihr Statement zum Pazifismus: Den trockenen Sound im Kölner Kino-Studio besorgen 1.500 ausgediente Bundeswehr-Matratzen.

The Doors, 1968

public domain

The Doors (of Perception)

Trishes beschließt seinen Mix mit The Doors, Pionieren des Psychedelic Rock. Jim Morrisson und sein kongenialer Keyboarder Ray Manzarek vereinen in ihrer Musik alles, was Psychedelia ausmacht: ausufernde Soli, esoterische Beat Poetry, eine LKW-Ladung LSD. Nicht zuletzt war es die bewusstseinssprengende Erfindung des Schweizers Albert Hofmann, die Psychedelic Rock seine erweiterte Perspektive gegeben hat. Ehe die Droge 1966 in den USA verboten wurde, propagierten Uni-Psychologen wie Timothy Leary, dass sie die Persönlichkeit des Menschen befreien würde und zu einer besseren Gesellschaft führen könne. LSD-Selbstversuch-Parties wie die „Acid Tests“ waren eine wichtige Inspirationsquelle für den Psychedelic Rock.

Zuerst hören wir das Intro der mehrteiligen The Doors-Suite „The Soft Parade“ (1969). Morrison erbittet Asyl („Can you give me Sanctuary, I must find a place to hide“), im Hintergrund tröpfeln Harpsicord-Klänge. Atlantas Rapper und Producer Count Bass D (2002) hat Morrisons Stimme offenbar nicht mehr aus dem Kopf bekommen, da er seinen Shamanen-Gesang in „Sanctuary“ (2002) in einem endlosen Psycho-Trip wiederholt und in selber Lautstärke darüber singt. Allerdings: Ein Duett mit dem Geist von Jim Morison kann kein Rapper gewinnen.

Weiters hören wir The Doors in The Psycho Realm’s „Confessions Of A Drug Addict“ (1997). Wenn Cypress Hill-Chef-Junkie B-Real mit seinen Amigos Big Duke und Sick Jacken ihre California-Landsleute The Doors sampeln, ist das wie ein Bekenntnis zur regionalen Volkskultur – und ein Aufruf zum Kauf heimischer Kräuter.

Der The Doors-Hippie-Evergreen (oder besser: Everblack?) „The End“ (1967) vom gleichnamigen Debütalbum erzählt ein Drama über den Ödipus-Komplex. Auch wenn dieses Thema schon zig Male in griechischen Theatern über die Bühne ging, wurde James Morrisons Zeilen vom Label trotzdem zensiert. Morrison selbst deutete den Song stets als Abschied – jener von seiner Geliebten, von der Kindheit oder vom Leben.

Wie auch The Doors bei ihren Live-Konzerten nehmen wir mit diesem Song Abschied von einem Sommer voll strahlender Samples und romantischer Referenzen. Wem dieses Jahr zu wenig die Sonne scheint, dem empfehlen wir die LSD-Dokumentation „The Sunshine Makers“. Have a nice Trip!

Weitere Episoden der FM4 Excursions
Episode 1: Sounds of Brasilien
Episode 2: Klassische Musik
Episode 3: Das 21. Jahrhundert
Episode 4: Library Music
Episode 5: Drum-Breaks
Episode 6: Psychedelic Rock

Die gesamte Staffel 1 könnt ihr hier Nachhören und Nachlesen

Pink Floyd Comfortably Numb
Yelawolf & DJ Paul Mastermind
Pink Floyd The Great Gig In The Sky
Eyedea & Abilities The Dive Part 2
Atmosphere Trying to find a Balance
Spooky Tooth B3. The Mirror
Colonel Bagshot Six Day War
DJ Shadow feat. Mos Def Six Days (Remix)
Homeboy Sandman Angels with Dirty Faces
Cream White Room
Can Vitamin C
Kurupt Stalkin
Black Hippy Rolling Stone
The Zombies Time Of The Season
The Cyrkle The Visit (She Was Here)
A Tribe Called Quest Get A Hold
A Tribe Called Quest Lost Somebody
Can Halleluhwah
Kaleidoscope Let Me Try
Beyonce ft. Kendrick Lamar Freedom
Nas Adam and Eve
Kourosh Yaghmaei Gole Yakh
Georgia Brown Pollution
Danny Brown Torture
Count Bass D Sanctuary
The Doors The Soft Parade
The Psycho Realm Confessions Of A Drug Addict
The Doors The End

Aktuell: