FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Tommie Sunshine - Protagonist von "After the Raves" hinter einem Mischpult

Joseph Robbins/Red Bull Content Pool

DokuSerie

In Serie: „After the Raves“

EDM ist nicht mehr als wertfreier Hedonismus, dachte ich. Bis ich die Dokuserie „After the Raves“ gesehen habe, die kulturelle Fragen und Geschichte der elektronischen Musik beleuchtet.

Von Natalie Brunner

Seit Jahren, um genau zu sein seit seinem Auftauchen, irritiert mich der Begriff EDM. Elektronische Tanzmusik: das ist so ziemlich alles und gar nichts.

Meine persönliche Definition - bevor ich „After the Raves“ gesehen habe – war folgende: Brutalinski Dubstep mit schleimigem Afterwork-House kombiniert, der die elektronische Musik zu völlig inhalts- und wertfreiem Hedonismus werden lässt. Kapitalismus und Machotum, schreiende Bros mit nackten Oberkörper und Bikini Babes. Ein niemals endender Spring-Break-Albtraum.

Oh ich Verblendete! Dank der Serie „After The Raves“ habe ich gelernt, alles entwickelt sich weiter. Es gibt keine Subkultur vor dem Sündenfall, sondern wo viel Licht, da auch viel Schatten. Und das ist okay so, auch für eine Kellerrave-Enthusiastin aus den Neunzigern wie mich.

EDM ist tatsächlich ein eigenständiges Genre, das soziale Funktionen erfüllt, kulturelle Bilder und eigene Lebensentwürfe transportiert. Vermittelt wird das in der sechsteiligen Dokuserie „After the Raves“ von einem durch und durch sympathischen alten Sack, der die musikalische und kulturelle Glaubwürdigkeit hat, dass es auch Besserwisserinnen mit Underground Resistance T-Shirt annehmen können.

Tommie Sunshine ist ein lang- und weißhaariger DJ aus Chicago, der auf die fünfzig zugeht und so viel Liebe und Sympathie ausstrahlt, als wäre er wie Obelix als Kind nicht in den Zaubertrank sondern in die XTC-Bowle gefallen. Er besucht sechs Hotspots des globalen EDM-Business und dort lebende DJs und geht auf jeweils eine sich aus dem kulturellen Kontext ergebende Frage besonders ein. Das ist interessant und hat viel Anbindung zur Geschichte der elektronischen Tanzmusik.

Die Doku-Serie „After the Raves“ wurde produziert von RedBullTV und ist auch auf Netflix zu sehen.

EDM ist ein sehr neues, sehr kommerzielles Kapitel der elektronischen Musik, das mir ästhetisch nicht zusagt, aber voller spannender Entwicklungen ist. Und am Ende des Tages bleibt es dahingestellt, ob die BesucherInnen der subkulturellen Etablissements, die ich frequentiere, mehr Handlungen mit realpolitischen Auswirkungen setzen, als die EDM Weekend Warriors.

Ob mir es gefällt oder nicht: Vielleicht ist die Frage ‚Tomorrowland oder Berghain?‘ schlussendlich doch nur eine Geschmacksfrage.

mehr TV-Serie:

Aktuell: