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MARC CARNAL

Golf als Massensport

Man hat einen hübschen Text geschrieben, einen reißerischen Titel und ein lizenzfreies Foto für die Startseite gefunden, liest die Zeilen noch ein letztes Mal Korrektur und will sich schon zufrieden zurücklehnen. Doch HALT, da fehlt ja noch was! Der sogenannte Vorspann, der „Lust auf mehr“ machen soll. Er ist mir verhasst!

Von Marc Carnal

Behauptungen, die ungefragt auf Repeat vorgetragen werden, camouflieren zumeist ihr Gegenteil. “Ich bin ja wirklich nicht homophob” schreit nach einem Komma, gefolgt von “aber”. Wer ständig betont, kein Rassist zu sein, rollt damit nur den rhetorischen Teppich für bedenkliche Statements aus. Schwärmt einer permanent von arte und 3sat, schaut er in Wahrheit nur Dschungel und Schwiegertochter.

Golfspieler erzählen dagegen ständig, sie würden einen hochkomplexen, “faszinierenden” Sport ausüben. Noch mehr Präzision, Konzentration und Hingabe würde einem höchstens beim Stabhochsprung abverlangt werden, prahlen sie. Nur das jahrelang trainierte Zusammenspiel zigtausender Muskeln und Milliarden an Synapsen im Bruchteil einer Zehntelsekunde ermögliche einen gelungenen Abschlag, beim Putten erreiche man meditative Zustände, von denen ein Shaolin nur feucht träumen kann, und die taktische Raffinesse, die so ein Major-Sieg erfordere, lasse selbst Schachweltmeister kapitulieren.

Zweite Schutzbehauptung von Golfdeppen: Längst habe ihre Leidenschaft das elitäre Image hinter sich gelassen und sei zum Breitensport geworden (haha). Dass sich nur Banker, Notare und Konzernbosse den Schläger in die Hand geben, sei ein überkommenes Klischee. Gerade junge Menschen mitten aus dem Volk habe das “Golf-Fieber” mittlerweile “gepackt”, neben den oberen Zehntausend würden längst Normalbürger den Pracker schwingen.

Gegen diese These spricht einerseits, dass man schon zahlreiche Opfer bringen müsste, um mit einem Durchschnittseinkommen regelmäßig Golf zu spielen. Mit einer Jahresmitgliedschaft auf einem durchschnittlichen Green, der Investition in Schläger und Zubehör, Trainingsstunden und und und kommt man in einem Jahr locker auf fünf Tausender. FÜNFTAUSEND EURO!? Um auf englischem Rasen flanieren und zwischendurch einen kleinen Ball durch die Atmosphäre schießen zu dürfen?! Wer meint, ein derart kostspieliges Hobby wäre breitentauglich, beweist damit eindrücklich, Bodenhaftung nur aus dem Fremdwörterbuch zu kennen.

Außerdem: Das Spiel an sich ist wirklich erschreckend uninteressant. Man muss kilometerweit einem Ball hinterherspazieren, um ihn dann mit einem Eisenschläger in ein kleines Loch zu befördern. Wer zu diesem Zweck die wenigsten Versuche benötigt, gewinnt. Damit sind die wesentlichen Regeln zusammengefasst. Wäre Golf ein abwechslungsreiches, komplexes und spannendes Spiel, wären die Quoten der TV-Übertragungen zumindest messbar.

Golf hat hauptsächlich den Zweck von langen Gehstrecken für die Spieler, damit sie stundenlang ungestört den Sozialstaat verachten, von Derivaten schwärmen oder Stiftungen aushecken können. Ein Klischee? Man gehe in ein beliebiges Golfplatz-Restaurant, erstelle eine Statistik über Alter und Geschlecht der Anwesenden und lausche eine Stunde lang ihren Gesprächen. Und behaupte dann noch einmal, Golf sei kein Sport für reiche, alte Männer.

Reformvorschläge

Hätten die Elitären tatsächlich Interesse daran, ihren Idiotensport für die Breite zugänglich zu machen, müsste man ihn grundlegend reformieren. Gerne bin ich dabei behilflich. Mit einigen radikalen Maßnahmen könnte es im Handumdrehen gelingen, Golf auch für den kleinen Fußballhooligan von der Straße attraktiv zu machen.

Zuerst wird die Gebühr für die Benützung von Golfplätzen um ein Vielfaches reduziert. Pro Spieler darf nur noch ein Schläger verwendet werden. Die Löcher, in die der Ball befördert werden muss, werden doppelt so groß ausgestochen. Die ehemals weißen Bälle werden ebenfalls etwas vergrößert und leuchten obendrein in grellen LED-Tönen, damit man auch mit Dioptrien einem Wettkampf folgen bzw. daran teilnehmen kann.

Wettkämpfe werden umfassend revolutioniert. Alle Spieler starten und spielen gleichzeitig. Zu diesem Zweck müssen sie einen sogenannten Golfhelm sowie einen steifen Golfanzug tragen, damit sie nicht sterben, wenn sie von Bällen getroffen werden.

In Turnieren geht es nicht mehr darum, mit möglichst wenigen Schlägen einzulochen, sondern die Anlage als Erster zu absolvieren. Man muss nur in der richtigen Reihenfolge die gottverdammten Löcher treffen, das ist alles. Zwischen den einzelnen Stationen müssen die Spieler also sprinten. Um sich einen Vorteil zu erarbeiten, sind dabei auch leichte Fouls am Gegner erlaubt (Bein stellen, rempeln, brennesseln, Arschtritte). Nur Angriffe mit dem Golfschläger sind untersagt, weil diese tödlich enden könnten.

Pro Spiel hat jeder Spieler zweimal das Recht, den Ball eines beliebigen Gegners möglichst weit wegzuschlagen. Das führt zu einem zusätzlichen Thrill. Außerdem muss man in Loch-Nähe vor dem Putten zehnmal um den eigenen Schläger laufen, um dank Gleichgewichtsstörungen sehenswerte Fehler zu provozieren.

Die Basis-Idee von Golf (Ball mit Schläger in Löcher spielen) bleibt nach meinen Reformen also durchaus erhalten, ein langweiliges Bonzen-Hobby würde aber im Nu zum mitreißenden, Vorabendprogramm-tauglichen Funsport für die ganze Familie. Falls die Restbevölkerung das wünscht, möge sie mir bitte schreiben und ich kümmere mich darum. Sonst halt nicht.

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