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Kleingartenvereins-Aushang

Martin Blumenau

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Ellbogenchecks am Kleingarten-Stammtisch

Das Gerangel zum Start der reformierten Bundesliga lieferte ein moralisches Sittenbild des heimischen Fußballs.

Von Martin Blumenau

Die Orte der Präsentationen zur neuen Bundesliga, der 2. Liga und des neu geschnürten Medienpakets (dessen Auswirkungen Teil 1 dieser Mini-Serie behandelt) waren ganz bewusst gewählt: ein windumrankter Tower nächst des VIC, eine veritable Kultur-Institution an der Ringstraße und das Schutzhaus einer Kleingartensiedlung auf einem vorstädtischen Hügel. Es sollten Symbolbilder erzeugt werden: von Modernität und Weitsicht; von Klasse und Gediegenheit sowie von Bodenständigkeit und Nähe.

Das Symbolbild zeigt den Hinterausgang der Kleingartensiedlung, in der die 2. Liga der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Teil 1 der Reihe zum österreichischen Liga-Start behandelte Medien, Message Control und migrierte User.

Teil 3: Vom Wettstreit der Systeme und 0,0 Prozent Marktanteil: Die Liga hat Sichtbarkeits-Probleme und plustert sich entsprechend auf.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

Die symbolischen Orte waren auch unbewusst gut gewählt. Sie repräsentieren nämlich auch Abgehobenheit und Ameisensicht auf den Kunden und den intriganten Zank und Hader, der sowohl die großen Kultur-Institutionen des Landes als auch seine Kleingartensiedlungen geradezu klischeehaft durchweht.

Denn dort, in einer Jeder-gegen-jeden-Stimmung sind die beiden neu erstellten Profi-Ligen dieser Tage angesiedelt, mehr denn je. Und auch wenn gerade versucht wird, die Unruheherde als kleingeistige Buschfeuer von nur lokaler Bedeutung abzutun: ihr Träger-Verband der Vereine, die Bundesliga, trägt eine erhebliche Mitschuld an der Lage.

Nicht dass das absichtlich passiert wäre. Das Selbstbild der Liga ist ebenso wie das der größeren Vereine ein international ausgerichtetes, modernes und zugleich publikumsnahes. Und auch die kleinen Vereine streben in den kühneren ihrer Träume in eine Richtung, die ihren Provinzialismus abstreifen möchte.

Das nach außen abgelieferte Fremdbild ist ein anderes: es zeigt Groß-Klubs, die Extrawürste wollen und sich auf Kosten der Kleinen bessere Konditionen herausdealen; Kleine, die jedes erdenkliche Schlupfloch nützen um sich Vorteile zu verschaffen, ohne Rücksicht auf die somit verminderte Tragfähigkeit des Gesamtpakets; und es zeigt eine Liga, die gleichzeitig internationale Ansprüche stellt und informell-provinzielle Schlupflöcher anbietet.

Und genau in dieser Schere zwischen Tradition und Moderne steckt die Bundesliga gerade fest. Um die Liga-Reform so schnell wie möglich durchzubringen, wurden die Bestimmungen zur Infrastruktur der Vereine (Stadion, Gesellschaftsform, Service, Sicherheit etc.) über die letzten Jahre dramatisch erhöht. Damit waren viele, nicht nur einzelne kleine Clubs, ebenso dramatisch überfordert - und zwar weniger, was die Umsetzung, sondern mehr was die Philosophie dahinter betrifft. Die Vereine spalteten sich in Bremser und Goldgräber.

In gut funktionierenden Kultur-Institutionen oder Kleingärtnersiedlungen ist das ein Thema für einen funktionierenden Jour Fixe oder Stammtisch. Im Fall der Liga kommt es zu ansatzlosen Klagen, die dem Hochglanz-Produkt zwischen Schampus und Scampi (Liga-Vorstand Herovits) einen Dorfverein aufs Auge drücken bzw. wochenlang die Gefahr einer Aufstockung und eines schlimmen Spielbetriebsunfalls heraufbeschwören.

Stichwort Raffgier... die TV-Gelder werden künftig nach vier Kriterien aufgeteilt: 30% Fixbetrag, 30% erreichte Punkte, 20% Österreicher-Topf und 20% Zuschauer-Zahlen, die von den Groß-Klubs, vor allem Rapid, reinreklamiert wurden. Das ist das Ende des bis dato europaweit solidarischsten Verteilungsschlüssels.

Weitere deutliche Hinweise auf ein vergiftetes Klima boten dann die Aufsichtsratswahlen der Vorwoche. Abgestraft, nicht mehr gewählt wurden die Vorstände von Wr. Neustadt (Abstrafung wegen Klage 2), Rapid (Abstrafung wegen Raffgier) und der Austria, der klug genug war sich in diesem Klima nicht mehr der Wahl zu stellen.

Der abgetretene Markus Kraetschmer war es auch, der einen Vorgang orchestriert hatte, mit dem die Bundesliga die Ellbogen-Vorstöße seiner Einzel-Mitglieder wohl mitangestoßen hatte. Die Liga war direkt ins Macht-Vakuum des nach der Euro ’16 am Boden liegenden ÖFB und seines in Folge wundgeschossenen Präsidenten vorgestoßen und hatte als Nachfolger von Marcel Koller einen Coach installiert, der im Gegenzug für seine Bestellung bei exakt jeder Gelegenheit die Bedeutung, Güte und Qualität der Bundesliga betont. Für einen permanenten PR-Stunt nahm die Liga die (durch den gleichzeitigen Rauswurf des Sportdirektors entstehende) Kopflosigkeit und die Möglichkeit des strukturellen Zusammenbruchs des ÖFB (der nach diesem Putsch ich glaube kein einziges Spiel im Nachwuchs mehr gewonnen hat) in Kauf.

Diese den Gepflogenheiten der Moderne (zumindest der des Finanzmarkts) durchaus entsprechende Maßnahme symbolisierte die entschlossene Ernsthaftigkeit, mit der die Liga ihr neues Produkt platzieren wollte: als unangreifbar, alternativlos an den neuen (auch medialen) Möglichkeiten ausgerichtet. Ohne Rücksicht auf Verluste, Kollateralschäden oder gar Einzelschicksale. Jeder ist sich selbst der nächste. Das gilt (nicht zufällig zeitlich folgerichtig) seit diesem Jahr umso stärker und sorgte für eine totale Vereinzelung der ohnehin schon in Bremser und Goldgräber zerfallenen Gruppe der Liga-Vereine, die seitdem in Selbstmord-Attentäter-Manier vorgehen.

Der Dorfverein in Hartberg, von der Liga wegen zu schwacher Infrastruktur ursprünglich abgelehnt, klagte sich über eine formale Hintertür in die Liga und sorgt somit weiter für das, was verhindert werden sollte: Dorfplatz-Flair, Leberkäs-Geruch. Etwas, was vor allem TV-Host Broadcaster Sky verhindern wollte.

Der strukturschwache, zuseherarme Verein in Wiener Neustadt nutzte eine halbgare Gentlemen’s Agreement-Regel der Liga (die übrigens alle Warnungen in den Wind schlug wie Custer vor Little Big Horn), mittels derer Spieler-Leihen auch jenseits der von der FIFA festgelegten Grenze möglich wären, für eine Klage. Und das obwohl man selber einen solchen Spieler in den eigenen Reihen hatte. Nur die, vorsichtig gesagt, nonchalante Haltung des Weltverbands und der Tatsache, dass die letzte Instanz nationales über internationales Recht stellte (nur innerhalb des Systems Fußballs möglich, im richtigen Leben nicht denkbar) rettete die Bundesliga vor einer den Neustart verunmöglichenden Katastrophe.

Ich wüsste kein Beispiel auf diesem öffentlich einsichtigem Level, wo ein Mitglied auf Basis von Partikular-Interessen das zentrale Projekt ganz bewusst gefährdet und damit auch seinen eigenen Mit-Untergang in Kauf nimmt. Nicht in der großen Kultur-Institution, nicht in der Kleingartensiedlung.

Wenn es diese egomanischen Geschichten sind, die in der auch medial zunehmenden Vereinzelung erzählt werden, wenn es das „Erfolg/Entwicklung um jeden Preis“-Narrativ sein soll, das der Zuschauerschaft präsentiert werden soll, wird der heimische Fußball ein gleichermaßen vereinzeltes Leben führen.

Am Dienstag in Teil 3 der Mini-Serie zur neue Liga: die Review. Was können die Vereine, was kann das Medien-Paket wirklich?

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