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Von Esrap bis Edelweiss

Hip-Hop, Gitarrenrock und Circus Freak Folk - das alles bringt der dritte Popfest-Tag.

Von Christian Pausch

Was alles Pop ist und was nicht, wird Jahr für Jahr hinterfragt, weil das Popfest eben „Pop“ im Namen trägt. Kuratorin Katharina Seidler sagt es bei einer Bühnenansage am dritten Popfest-Tag eindeutig: „Alles darf Pop sein.“ Die Bezeichnung ist kein enges Korsett, sondern ein weites Meer an Möglichkeiten.

Das zeigen schon allein die ersten Konzerte an diesem Popfest-Samstag: nicht nur Songcontestteilnehmer Tony Wegas, sondern auch die Protestsongcontest-Gewinnerinnen Lupin bespielen schon am Nachmittag das Wien Museum am Karlsplatz. Der Multi-Instrumentalist pauT eröffnet die Seebühne, gefolgt vom Linzer Rapper Kroko Jack, mit roten überdimensionalen Federn in der Frisur bespielt Love Good Fail die Red Bull Music Stage und die Hip Hopper von Kreiml und Samurai rufen gefühlt eintausend Mal „Oida“ von der Hauptbühne.

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„Meine Tschuschen, meine Kanaken, meine Leute mit Lederjacken“

Eindeutige Headliner - und nicht nur wegen der Uhrzeit - sind am Samtag aber Esrap. Das Geschwisterduo Esra und Enes stürmt die Bühne mit Pharaonen-gleichen Gewändern, weit ausgebreiteten Armen und mit Leningrad Cowboys-Gedächtnisfrisur. Der erste Song featured den arabischen Welthit „Aïcha“ von Khaled und Esrap zeigen wieder einmal, wie man altes Material in die Gegenwart holt. Bei ihnen wird der Frauen-Name türkisch ausgesprochen und die Protagonistin Aişa notgedrungen zur Kapitalistin, weil ihre Kinder iPhones wollen.

„Wo sind meine Tschuschen“ ruft Rapperin Esra und beschwört im selben Atemzug die Kraft der Arbeiter*innen-Klasse. Es ist ein politisches Konzert, so wie das ganze Projekt der beiden ein politisches ist. Dass man dazu aber nicht auch feiern und ordentlich abgehen könnte, ist ein Trugschluss. Die Menge vor der Seebühne springt, bounced und gibt tosend Applaus. Dass man als Künstler*in auch immer Sprachrohr einer Community ist, wird hier eindrucksvoll deutlich.

Das Highlight des Abends

Schnell geht es nach Esrap die Argentinierstraße hinauf ins schön kühle Theater Akzent, wo das Highlight des Abends wartet: Alicia Edelweiss. Zusammen mit zwei Streichern und gehüllt in ein silbern-schimmerndes Abendkleid zieht uns die Singer/Songwriterin in ihre Welt.

Es gibt zwei Alicia Edelweiss’: die lustige und beschwingte, die von ihrem Zusammen-Leben mit Kakerlaken singt („The Cockroaches and me“), Hula Hoop Reifen als Zugabe auf der Nase balanciert, oder ihre To-Do-Liste von 2017 in einem Song abarbeitet: „Ich bin schon fast bei der Hälfte.“ Und dann gibt es noch die traurige, melancholische und dramatische Alicia Edelweiss. Es geht um Väter, die ihre Töchter ins Meer werfen („Skeleton Woman“), und darum, wie es ist, in unserer Gesellschaft eine Frau zu sein („I changed my voice“).

Aber so ist das eben, wenn man weit gereist ist und schon viel erlebt hat: die Themen werden vielfältiger und stagnieren nicht. Bei Alicia Edelweiss, die als Straßenmusikerin ihre Karriere begonnen hat, fügen sich all diese Geschichten zu einem großen Ganzen. Sie wechselt nicht nur zwischen Akkordeon, Gitarre, Flügel und Ukulele, sondern auch zwischen Stimmlagen und Charakteren, je nachdem was der Song eben verlangt. Das Publikum ist ein sehr aufmerksames, lacht wenn etwas lustig ist und ist sichtlich gerührt bei den traurigen Stellen. Am Ende gibt es Standing Ovations im ganzen Saal. Zu Recht.

Nachts im TU Prechtlsaal

Wieder zurück am Karlsplatz und noch ganz verzückt vom Edelweiss-Konzert geht es hinein in den TU Prechtlsaal, wo heute die Gitarren vorherrschen. Das Duo RÁN hat bereits Aufstellung genommen, um ihren ersten Österreich-Gig zu absolvieren. Beheimatet sind Laura Landergott (Ja, Panik) und Yair Karelic (Mystical Communication Services) in Berlin, wo sie kein Geheimtipp mehr sind.

Mit den Mundwinkeln nach unten, aber dem Blick stets nach vorne gerichtet, öffnen die beiden Gitarrist*innen mit den Drumbeats vom Band, die verschiedensten Settings für unsere Imagination. Schon beim ersten Song, als Landergott nur kurz die Rasseln schüttelt, tauchen sofort Klapperschlangen in einer staubtrockenen Wüstenlandschaft vor dem geistigen Auge auf. Der Schweiß perlt Musiker*innen und Publikum gleichermaßen von der Stirn. Die beiden singen mit ihren düsteren Stimmen von jagenden Löwinnen und es gibt kein Entkommen vor dieser einnehmenden Performance.

Es folgt ein, aufgrund eines Radunfalls, eingegipster Wolfang Möstl mit seinen Mannen von Melt Downer, die uns ebenfalls die Gitarren um die Ohren fetzen. Der Bandname scheint Programm im TU Prechtlsaal, wo man nicht mehr von schwitzen, sondern von schmelzen sprechen muss. Den Fans im vollgefüllten Saal ist die Temperatur egal und unter jubelnden Zugabe-Rufen humpelt Möstl zufrieden lächelnd von der Bühne.

Zum Abschluss findet sich noch der geheimnisvoll im Programm angekündigte Überraschungsact auf der Bühne ein. Boy Jürgens aus Wien nennt sich die Formation aus Voodoo Jürgens, Sebastian Janata (Worried Man & Worried Boy) und Popfest-Kurator Nino Mandl (Der Nino Aus Wien). Hits und Hadern von allen drei Herren werden in alter Medley-Manier zum besten gegeben und man darf noch einmal so richtig lauthals mitgrölen zu später Stunde.

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Am Sonntag geht es weiter mit dem Wiener Beschwerdechor, Lyrik von u.a. Stefanie Sargnagel, oder Andreas Spechtl in der Karlskirche, um nur einige zu nennen.

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