FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Mark Zuckerberg, der Kurs der Facebook Aktie

SAUL LOEB / AFP, NASDAQ , Collage Radio FM4

Erich Moechel

Furcht vor EU-Maßnahmen hält Facebook-Aktie im Keller fest

Wie die Kursentwicklung nach dem Absturz zeigt, warten die Anleger auf neue schlechte Nachrichten. Und die werden aus Großbritannien kommen und zwar schon bald, das verspricht ein Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments.

Von Erich Möchel

Der Sommer 2018 wird zunehmend zum Wendepunkt in der scheinbar unendlichen Erfolgsgeschichte von Facebook. Die Entwicklung ѕeit dem Kurssturz um mehr als 20 Prozent in der vergangenen Woche zeigt, wie weit sich unter den Anlegern bereits Verunsicherung verbreitet hat. Viele Börsianer glauben offenbar nicht, dass Mark Zuckerbergs Geschäftsmodell den kommenden juridisch-regulatorischen Tsunami in Europa ohne schwere Verluste überstehen wird.

Am Freitag wurde bereits die erste Sammelklage in Großbritannien wegen Manipulation des „Brexit“-Referendums via Facebook angekündigt. Noch gefährlicher für die Umsätze des Sozialen Netzwerks sind allerdings Pläne des britischen Parlaments für neue Regulationen und Abgaben für Soziale Netzwerke, die am Freitag bekanntwurden. Am Montag fielen die Aktien um weitere vier Prozent und bewegten sich dann kaum noch. Die verbliebenen Anleger warten nun auf neue Nachrichten und die werden keine guten sein.

Die Aktienkurse von Facebook, sie gehen nach unten

NASDAQ

Die Grafik des Kurses an der IT_Börse NASDAQ zeigt die Kursentwicklung seit Donnerstag. Wie aus dem stark gesunkenen Handelsvolumen abzulesen ist, warten die Anleger nun auf die nächste Gelegenheit zum Zocken, denn bekanntlich verdient man an der Börse mit starken Kursbewegungen, egal in welche Richtung. Für gestandene Börsianer zeigt der bisherige Kursverlauf, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter nach unten gehen wird.

Facebook plötzlich in der Doppelmühle

Falls Facebook den Auflagen der EU-Kommission für politische Werbekampagnen nicht bis Oktober nachkommen sollte, droht Brüssel mit Regulation. In Brüssel geht die Angst vor einer Manipulation der EU-Wahlen 2019 um.

Losgetreten hatte Facebook den Kurssturz selbst mit einer in jeder Hinsicht diffusen Gewinnwarnung am vergangenen Mittwoch. Die Kosten für Datenschutzmaßnahmen würden die Gewinne im Verlauf der kommenden Jahre stark beeinträchtigten, hieß es. Parallel dazu stagniere auch das Wachstum auf den größten Anzeigenmärkten, also in Europa und den USA. Die Quartalszahlen zeigen derzeit zwar nur einen leichten Rückgang der Facebook-Nutzung im Zehntelprozentbereich, aber es ist eben der erste solche Rückgang, seit Facebook an der Börse ist.

Dazu kam der „negative Outlook“ - wie es im Jargon der Börsianer heißt - und der wurde gleich für mehrere Jahre angesagt. Die Anleger warfen daraufhin ihre Facebook-Aktien reihenweise und fast gleichzeitig auf den Markt, das löste den senkrechten Absturz am Donnerstag aus. Am Montag war endgültig keine Rede mehr davon, dass diese Verluste womöglich demnächst wettgemacht werden könnten. Binnen weniger als einer Woche ist das Papier von 216 Dollar abgestürzt und pendelt sich nun offenbar bei 170 Dollar ein.

Brexit Werbung

Public Vote Leave

Eines der 1.200 verschiedenen Sujets der zig Millionen Inserate, die von der „Vote Leave“-Kampagne auf Facebook geschaltet wurden. Veröffentlicht wurden sie am Freitag vom Untersuchungsausschuss des Parlaments in London.

„Brexit“-Referendum , Verdacht auf Manipulation

Die von Whistleblower Wylie veröffentlichen internen Dokumente zeigen, wie Cambridge Analytica über aggregierte Datensätze von Facebook Wahlmanipulation betrieben hat.

Am Freitag kam der Interimsbericht zu „Fake News und Desinformation“ des Untersuchungsausschusses im britischen Parlament heraus, zu dem der Whistleblower von Cambridge Analytica, Chris Wiley, maßgeblich beigetragen hatte. Für Facebook enthält dieser Bericht ganz besonders schlechte Nachrichten, denn er zieht die Firma hinein in die laufende Untersuchung des Parlaments über mögliche Einflussnahme von russischen Akteuren auf das britische EU-Austrittsreferendum 2016. Auf den 90 Seiten des Untersuchungsberichts zeigen sich frappierende Parallelen zur Manipulation der Präsidentschaftswahlen in den USA.

Ebenso wie in den USA sind auch hier Erkenntnisse der Geheimdienste aus der Überwachung der Telefon- und Internetkontakte von Schlüsselfiguren eingeflossen. Auch in Großbritannien spielte die russische Botschaft offenbar eine zentrale Rolle, denn dort ging mit dem Versicherungs- und Spekulationsmagnaten Arron Banks eine Schlüsselperson des Skandals seit 2015 ein und aus. Banks war die treibende Kraft hinter gleich zwei der vier „Brexit“-Kampagnen und zeigte sich dabei als größter Einzelspender der britischen Geschichte: Laut Untersuchungsbericht hat Banks selbst 8,4 Millionen britische Pfund für die „Brexit“-Propaganda ausgegeben, der Löwenanteil davon ging in Facebook-Inserate.

Brexit Werbung

Public Vote Leave

Die Sujets selbst sind gar nicht überraschend, fast die Hälfte davon sind xenophoben Inhalts, die übrigen bestehen aus platter Propaganda wie dieses hier.

1.200 verschiedene Anzeigensujets

Da auf Facebook fokussierte Kampagnen - wie jene zu den Präsidentschaftswahlen in den USA - auf sogenanntes Microtargeting setzen, war das Ausmaß dieser Kampagne nicht öffentlich bekannt. Microtargeting ist deswegen so heimtückisch, weil die entsprechenden Inserate auf einzelne Bevölkerungsgruppen zielen und daher für alle anderen nicht sichtbar sind. Nun wurden die betreffenden Anzeigen von den britischen Parlamentariern veröffentlicht, die 1.200 verschiedenen Sujets (!) wurden allesamt nur auf Facebook geschaltet.

Die Serie dieser verdeckten Anzeigen, die nur für ausgewählte Bevölkerungsgruppen geschaltet wurden, startete ausgerechnet am Tag nach der Ermordung der pro-europäischen britischen Abgeordneten Jo Cox (Labour) durch einen britischen Neonazi im Juni 2016. Das hatte im Parlamentsausschuss für besondere Empörung gesorgt. Neun dieser Anzeigen erreichten zwischen zwei und fünf Millionen Adressaten, insgesamt wurden offenbar 100 Millionen sogenannte Ad-Impressions gebucht. Laut Bericht zahlte die von Arron Banks finanzierte „Vote Leave“-Kampagne dafür fast drei Millionen britische Pfund.

Schriftstück des House Of Commons

Public Domain

„Unsere momentanen gesetzlichen Rahmenbedingungen passen nicht mehr zu dieser, sich rasant verändernden digitalen Welt“ - der Interimsbericht des Parlaments in London deutet bereits kommende gesetzliche Veränderungen an.

Wie es schon bald weitergeht

Dieser Interimsbericht ist für Facebook deshalb so gefährlich, weil alle Parteien des britischen Unterhauses an dieser Untersuchung beteiligt sind. Zudem hatte die britische Datenschutzbehörde Facebook bereits wegen der illegalen Weitergabe von Nutzerdaten an App-Entwickler zur Höchststrafe von 500.000 britischen Pfund verurteilt. Für Facebook ist dies zwar eine lächerliche Summe, doch die Verurteilung ist als Präzedenzfall zu werten, das zeigt nämlich die Reaktion der Parlamentarier. Eine der ersten konkreten Maßnahmen, die der Bericht vorschlägt, ist die Aufwertung der Datenschutzkommission auch in finanzieller Hinsicht.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. sind über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Verbindungen via TOR-Netz willkommen. Wer eine Antwort will, gebe tunlichst eine Kontaktmöglichkeit an.

So, wie die Bankenaufsicht seit eh und je durch Abgaben der Banken finanziert wird, sollten auch Datenbroker wie Facebook oder Google für die Datenschutzbehörde bezahlen. Für Börsianer ist das ein überdeutliches Zeichen, dass es Zeit ist, auf sogenannte Put-Optionen zu setzen. Übersetzt heißt das, viele werden auf einen neuen Facebook-Kursverfall wetten. Der endgültige Untersuchungsbericht soll im Laufe des Herbsts erscheinen und soll laut Ausschussbericht „substanzielle Maßnahmen“ enthalten. Ebenso wahrscheinlich ist, dass die EU-Kommission ihre Androhung einer EU-weiten Regulation für Internetkonzerne, die große Publikumswebsites betreiben, im Herbst wahrmachen wird.

mehr Netzpolitik:

Aktuell: