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Drogensäcke und die Aufschrift "Zoll"

APA/dpa/Oliver Berg

Mehr Anzeigen, mehr Beschlagnahmungen

2017 gab es mehr Anzeigen aufgrund des Suchtmittelgesetzes als je zuvor. Wir haben den Psychologen Karl Schubert-Kociper, Chef der Drogenberatung Checkit, um eine Einschätzung gebeten.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat vorab Daten aus dem aktuellen Suchtmittelbericht für das Jahr 2017 veröffentlicht. Er liegt noch nicht komplett vor, aber es gibt schon ein paar Eckpunkte: Im Jahr 2017 gab es so viele Anzeigen aufgrund des Suchtmittelgesetzes wie noch nie zuvor.
Die Anzeigen sind um mehr als 6.300 auf 42.610 gestiegen. Es wurden auch so viele Drogen wie noch nie beschlagnahmt: Die Polizei stellte 1,7 Tonnen Cannabis, jeweils rund 70 Kilogramm Heroin und Kokain, 450. 000 Ecstasy-Tabletten, 50 Kilo Amphetamine und fünf Kilo Methamphetamin sicher. Den Grund für die steigenden Zahlen bei den Anzeigen und den beschlagnahmten Drogen sehen die AutorInnen des Berichts in einem „Drogenboom im Internet“.

Drogen aus dem Internet

Der Internethandel beeinflusse zunehmend das Verhalten von Händlern und Konsumierenden, und der Reinheitsgrad untersuchter Drogen steige – so die Schlussfolgerungen der AutorInnen vom Bundeskriminalamt.

Ihre Einschätzung bestätigt der Psychologe Karl Schubert-Kociper. Er leitet die Beratungsstelle Checkit! in Wien. Die Einrichtung bietet (auch in anderen Bundesländern als Wien) seit 20 Jahren Infostände auf Partys und Festivals an. Dort können Konsumentinnen und Konsumenten gekaufte Substanzen auf ihre Zusammensetzung überprüfen lassen.

Testergebnisse von Checkit

APA-FOTO: WOLFGANG WAGNER

Testergebnisse von überprüften Drogen bei Checkit

Schubert-Kociper sagt, dass die Zahl der Menschen, die mit Drogen aus dem Internet zu Checkit kommen, gestiegen ist: „Beim Drug Checking fragen wir auch nach der Bezugsquelle. Ist die ein Freund, gibt es die Drogen direkt auf der Party? Wir stellen dabei fest, dass mehr Menschen ihre Substanzen im Internet bestellen.“

Es sei eine leichte Tendenz feststellbar, so Schubert-Kociper, dass die Drogen, die im Internet bestellt werden tatsächlich jene Substanzen enthalten, die die Konsumentinnen und Konsumenten erwarten – und auch der Reinheitsgrad steigt. Das macht manche Drogen dann aber viel stärker, als erwartet: „Die Opiate, die dort gehandelt werden, sind oft mit einem hohen Prozentsatz an Fentanyl oder Fentanylderivaten verschnitten, sehr hochpotenten synthetischen Opioiden. Wenn man nicht weiß, dass diese Substanzen enthalten sind, kann man sehr leicht überdosieren.“

In der sozialwissenschaftlichen Suchtforschung wird der Internethandel als logische Folge der Prohibition bewertet. Studien, etwa des Suchtforschers Heino Stöver in Frankfurt am Main, zeigen, dass der Drogenkauf im Netz ein geringeres Risiko für gewalttätige Vorfälle mit sich bringt. Wo sich im Internet dubiose Gestalten, dunkles Licht und schlechte Ware vermeiden lassen, so Stöver, findet man diese Veränderungen des Marktes vor. Die österreichische Polizei reagiert derzeit auf den Trend, indem sie z.B. verstärkt Polizeihunde in Paketverteilungszentren einsetzt. Auf die intensivere Polizeiarbeit führt Karl Schubert-Kociper auch die vorab veröffentlichten Rekordzahlen aus dem neuen Drogenbericht zurück: „Ich gehe davon aus, dass die Polizei ihre Arbeit gut gemacht und sehr genau ermittelt hat. Das lässt aber nicht unbedingt den Rückschluss zu, dass es plötzlich mehr Konsumenten gibt.“

Schärfere Gesetze?

Innenminister Herbert Kickl hat angesichts der aktuellen Zahlen angekündigt, dass er das Suchtmittelgesetz verschärfen will. Karl Schubert-Kociper gibt zu bedenken: „Zu strenge Gesetze bringen Menschen, die eine Abhängigkeit entwickeln, in eine prekäre Situation: Die Behandlung wird schwieriger, der Konsum ist für diese Menschen mit viel größeren Risiken verbunden, als das in Ländern mit liberaleren Drogengesetzen der Fall ist. In Portugal sind zum Beispiel Eigenbedarfsmengen jeglicher Substanz erlaubt. Der Drogenhandel ist natürlich auch dort verboten. Aber der Besitz ist erlaubt. Das hat dazu geführt, dass die Zahl der Konsumenten gesunken ist, dass weniger HIV-Infektionen auftreten und viel mehr Menschen, die Drogen konsumieren, in Drogenberatungsstellen ankommen.“

Karl Schubert-Kociper würde sich wünschen, dass mit dem Thema Drogen weniger emotional umgegangen wird. „Drogensucht sollte als Krankheit gesehen werden, die behandelt werden muss. Junge Leute, die irgendwann einmal Substanzen ausprobieren, sollen nicht sofort als Drogenkonsumenten abgestempelt werden und Probleme bekommen. Nur ein kleiner Bruchteil der Menschen, die Drogen ausprobieren, entwickelt später eine Suchterkrankung. Ihnen muss geholfen werden.“

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