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Die Band Sluff

Tina Bauer

soundpark act des monats

Quit the rat race

Slackerpop und das ewige Erwachsenwerden: Sluff veröffentlichen mit „On Debris“ ihr Debütalbum. Unser FM4 Soundpark Act im September.

Von Lisa Schneider

Es ist eine alte Parole der Avantgarde, die der Erneuerung die Zerstörung voraussetzt. Der deutsche Künstler Gerhard Richter hat nicht selten seine Gemälde zerstört, dem britischen Street Art-Künstler Banksy werden sie teils von anderen ruiniert. Wie in der Bildenden Kunst ist es auch in der Musik, das Alte muss weg, das Neue her. Sluff aus Wien haben mit ihrem passend betitelten Debütalbum „On Debris“ („Auf Trümmern“) ihr Ringen um die Gesamterneuerung beschrieben.

Von den besten Bargesprächen

War man in den letzten Monaten, ja Jahren, in den szenetypischen Wiener Lokalen unterwegs, am Gürtel etwa oder auch im Flex, hat man „Sluff“ womöglich schon einmal gehört. Das Wort aus dem Mund eines Freundes gezischt, „die neue DIY-Szene-Band“, oder sogar live, wo sich das Trio schon einen kleinen, aber guten Namen als Garant für gut durchzechte Nächte erspielt hat. Es ist auch so eine Bar, der „Transporter“ (gibt es leider nicht mehr), in Wien, in der die Band Sluff ganz naturgemäß ihren Anfang findet: Martin Zenker, Sänger und Gitarrist, führt mit Paul Stöttinger, Schlagzeuger, ein langes Bargespräch, das schließlich im Proberaum enden sollte.

Als Moriz Büsing dann noch eines Tages, es ist an die vier Jahre her, an Martins Tür klopft - eigentlich will er nur einen Platz zum Übernachten - ist die Sache klar. Er hat einen Bass dabei und die Zenker’sche Mitbewohnerklausel damit fröhlich eingelöst: Du bringst das Instrument, du bist in der Band.

Die Band Sluff

Tina Bauer

Rohe Anfänge, und später Pop

2016 erscheint die erste EP von Sluff. Sie heißt, wie konnte es anders sein, „Constructions“: Lebensentwürfe, die ewige Selbstoptimierung, das Erdenken großer Träume, die man vielleicht nie erreichen wird. Titel wie „Talk Down“ oder „Streaks“ pendeln zwischen übertriebener Selbsteinschätzung und Verzweiflung, es ist nicht nur ein inhaltliches, auch noch ein musikalisches zu sich selbst Finden. Roh klingt sie, die EP; die Arrangements so, als wären sie zuerst aufgebaut, und dann Teilchen um Teilchen dekonstruiert worden. Mit Pop hat das im Sinne geradliniger Melodieführung noch nicht allzuviel zu tun, es ist ein Kratzen, Schaben, Auseinandernehmen, ein facettenreiches Abenteuer, auf dem Martin Zenker auch seine Stimme immer wieder in andere Lagen bettet. Facettenreich auch im Sinne der Möglichkeiten, die man aus Schlagzeug, Gitarre und Bass eben rausholen kann. Wahrscheinlich ist die EP gerade deshalb so erstaunlich.

Albumcover Sluff "On Debris"

Siluh Records

„On Debris“, das Debutalbum von Sluff, erscheint am 20. September via Siluh Records.

Dieser Popmoment, anfangs noch eher geschmäht, kehrt auf „On Debris“ doppelt zurück. Wolfang Möstl hat sich einmal mehr als Produzent hinters Pult gesetzt. Auch ihn haben Sluff, genau, im Flex kennengelernt, beim gemeinsamen Arbeiten dort. Der Mann, der irgendwie überall, wo es in Österreich um gute Gitarrenmusik geht, seine Finger im Spiel hat, packt auch hier wieder sein Geschick auf den Tisch; wie bei seinen eigenen Musikprojekten (Mile Me Deaf, Sex Jams, Melt Downer) beweist er einmal mehr, dass der Grat zwischen experimentellem Noise und dick aufgetragener Popmelodie ganz schmal sein kann.

Es ist natürlich nicht nur Wolfgang Möstl anzurechnen, wie gelungen „On Debris“ jetzt klingt. Das Händchen für direkte, ja fast romantische Melodien beweist Martin Zenker gleich mit der ersten, vielleicht der besten Single „Deep Blue“. Die Gitarren schlenkern dahin, hinein in eine Dichte, die einen schnell verschluckt. Wie Jonas im Fischbauch. Dick aufgetragene Wassermetaphern für eben genau dieses Gefühl: „Floating through the deep blue, waves keep shaking up“ heißt es in der ersten Zeile; und tatsächlich, wir tauchen ein. Die Symbiose Text-Musik ist selten besser gelungen, alle Sinne sind angesprochen, auch, wenn man eigentlich nur zuhört.

Weicher, runder als die EP klingt das Album, das mag teils der Produktion, teils aber auch einfach der Zeit geschuldet sein. Sluff haben ihre erwähnten Fans aus dem Wiener Undergrounds vielleicht auf diesen großen Wurf warten lassen. Einmal aber im Studio, war in ein paar Tagen alles aufgenommen. Ging es bei der EP noch darum, herum- und vor allem sich selbst auszuprobieren, klingt „On Debris“ nach klarer Essenz. Nach dem, was rauskommt, wenn man sich fragt, was man eigentlich wirklich will: Slacker-Gitarrensongs, denen man den Popanspruch durchaus anhören darf; die Instrumentierung tut dann ohnehin den Rest, das sonst allzu Glatte wieder aufzurütteln.

LIVE

  • 15.9. Milchbart, Meidlinger Markt, Wien
  • 11.10. Fluc, Wien
  • 19.10. Egon TV, St. Pölten
  • 9.11. tba, Berlin

Gut erzählt tut weniger weh

Sluff schreiben nicht nur den ersten („Deep Blue“), sondern alle dieser zwölf essentiellen Songs mit starkem musikalischen und textbezogenen Zusammenhang; im selben Moment aber gleicht die Leichtigkeit der Melodien die inhaltliche Schwermut aus. Zwinkern, Schmunzeln und beruhigende Harmonien treten dem alltäglichen Wahnsinn entgegen, den festgefahrenen Strukturen, denen niemand entkommt. Man spürt, in diesem Album ist man genauso wie die Band mittendrin im Selbstfindungsprozess, es gibt mehr Fragen als Antworten: Wo will ich hin, was ist das Ziel? Und was ist jetzt, wenn ich das Beste verpasse? „I can not resist, a chance that could be missed, a chance that will destroy, the feeling of the void“ heißt es auf der verhältnismäßig ruhigen Nummer „Forgotten“.

Zum Schluss ein Anspieltipp, die zweite Single des Albums, sie heißt „Vile“. Weil sie so schön die gute Unruhe, die böse Gelassenheit bündelt. Dort, am Ende, ist alles gut. Und wenn nicht, tja, dann wird’s trotzdem weitergehen: „When this is wrong / still rely on gold“.

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