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Aktueller Musiktitel:

Conner Youngblood

Trevor Paulhus

Fm4 artist of the week

„Anybody can sing“

Der wunderbar unprätentiöse Conner Youngblood ist unser FM4 Artist Of The Week.

Von Lisa Schneider

„Do you know Coldplay? Well, imagine that, but not really much like that“, sagt Conner Youngblood auf die Frage, wie er seinen Sound beschreiben würde. Herrlich bescheiden tritt er auf und merkt gar nicht, wie unterhaltsam seine Antwort ist. Er denkt vermutlich wirklich kurz an Coldplay, an das erste, sehr gute Album „Parachutes“ aus dem Jahr 2000. An Songs wie „Spies“ oder „Shiver“, die noch so kraftvoll gut in Folkstrukturen verwurzelt waren und noch nichts mit Glitter, Stadionpop und den Chainsmokers zu tun hatte. Aber zurück zu Conner Youngblood.

Mach’ es wie Bob Dylan

Der mittlerweile 28-Jährige wird in Dallas geboren und wächst in Nashville/Tennessee auf, dort lebt er heute noch. Er ist Sportler und nutzt die aktuelle Tour anlässlich der Veröffentlichung seines Debütalbums hauptsächlich dazu, zwischen den Gigs wandern zu gehen und die Umgebung zu erkunden. Ein positiver Aspekt, den die steigende internationale Aufmerksamkeit mit sich bringt: man sieht die Welt, man sieht aber auch die Veränderungen an den Orten, an die man zurückkehrt.

Zum Musikmachen, vor allem aber zum Singen, hat er für seine Begriffe relativ spät gefunden. Als Senior an der Highschool, sprich im Alter von 17/18 Jahren, hat er sich überwunden, das Mikro in die Hand zu nehmen. Die Überwindung kommt damals aus der tief steckenden Unsicherheit gegenüber der eigenen Stimme. Was im Radio läuft, zuhause bei seinen Eltern, das klingt alles so abgeschmirgelt und perfekt, es muss schwer sein, an diese Maßstäbe heranzukommen. Conner Youngblood versinkt langsam, aber umso tiefer in den nicht ganz so kommerziellen Stimmlagen von Bob Dylan, von Elliott Smith. Deren Songs singt er gerne mit, bis er sich denkt: Wieso nicht?

Es kommt ihm entgegen, dass Stimmverfremdungen - Autotune, Harmonizer, Verzerrung - längst keine Schimpfwörter, vielmehr Stilmittel geworden mehr sind; eines seiner großen Vorbilder, Justin Vernon, verlässt sich als Bon Iver bekanntlich fast nur mehr auf seinen Vocoder (genauer gesagt seinen „Messina“).

Alleine mit orchestralen Klängen

So kreativ, wie er mit seiner Stimme umgeht, ist auch bei der Instrumentierung der Songs. Man darf sich sein Zuhause über und über voll mit Instrumenten vorstellen, es sind an die vierzig, zwischen denen er da sitzt, während er ihnen, einem nach dem anderen, die unkonventionellsten Töne entlockt. Afrikanische Pfeifen sind dabei, die alte, kaputte und fast saitenlose Harfe seiner Schwester, aber genauso die Instrumente, auf denen er sich am sichersten fühlt: Gitarre, Banjo, Klavier.

Gern will man sich ein kleines Orchester vorstellen, oder zumindest eine gut bestückte Band, die Songs wie „Birds Of Finland“, „Los Angeles“, oder einen schon älteren und einen der schönsten Titel „A Summer Song“ einspielt. Aber: Nein. Conner Youngblood hat, für seine ersten Songs ebenso wie für sein gerade veröffentlichtes, erstes Album alles selbst eingespielt. Er schmunzelt, wenn man ihn nach der Liveumsetzung fragt:

Als er vor zwei Jahren am Reeperbahnfestival in Hamburg auftrat, stand er noch allein auf der Bühne, mit dabei eine Handvoll Instrumente. Mittlerweile, in Vorbereitung auf die erste große Europa-Tour, hat er eine Liveband zusammengestellt.

Das geplante Ungeplante

Die Vielzahl an Instrumenten, die sich in Conner Youngbloods Songs versteckt, ist oft schwer bis gar nicht herauszuhören. Auf „Cheyenne“, so heißt das Album, präsentiert er einen üppigen Klangteppich zwischen Folk, Ambient und Elektronik, feingliedrig und detailreich. Er kann sich manchmal selbst nicht mehr erinnern, wie ein bestimmter Laut zustande gekommen ist, es ist einfach passiert. Gut, dass alles, was er spielt, immer sofort digitalisiert wird.

Albumcover "Cheyenne" Conner Youngblood

Counter Records

„Cheyenne“ heißt das Debütalbum von Conner Youngblood, es erscheint via Counter Records.

Über den Zufall in der Neuen Musik sind viele Abhandlungen geschrieben worden, etwa im Zusammenhang mit dem verstorbenen Künstler und Komponisten John Cage. Im Mittelpunkt dieses Spiels mit dem nicht Planbaren standen bei ihm Geräusche aus der Natur, field recordings, die auch ihren Weg in Conner Youngbloods Stücke gefunden haben. Nicht etwa am Song „The Birds Of Finland“, das wäre zu offensichtlich; nein, im Song „Bare River“ kann man sie, in bearbeiteter Form, zwitschern hören.

Schon seit einigen Jahren veröffentlicht Conner Youngblood immer wieder einzelne Songs oder mehrteilige EPs auf diversen Streamingplattformen; eingespielt, fertig produziert, hochgeladen. Das passt sehr gut zur Streaming-Kultur, wo nur Musik noch schneller konsumiert wird, als Serien. In Anbetracht dieser Schnelllebigkeit hat sich seine Einstellung zum Veröffentlichen von Musik etwas verändert; das liegt einerseits wohl an dem Labelvertrag, den er unterzeichnet hat, andererseits daran, wie er seine Position als Musiker mittlerweile wahrnimmt.

Ein Album aufzunehmen sei sein größtes Ziel, sagte er 2016 in einem Interview. Auch, wenn ihm das zuvor jahrelang egal war. Jetzt will er sich einreihen, in diese Liste an Menschen, die großartige Alben geschrieben und veröffentlicht haben, er will zum Club gehören.

LIVE

Am 22. Oktober spielt Conner Youngblood im Rhiz Wien. Alle Details hier.

„Cheyenne“ ist fertig, ein Album voller Songs, denen man trotz elektronischer Verfremdungsmaßnahmen ihren warmen, analogen Charakter anhört. Auch darin liegt, wenn man so will, ein harmonisches Statement gegen die reine Digitalisierung, gegen Streaming-Vergänglichkeit und für ein musikalisches Erbe, das andauern soll: Auf Vinyl reiht Conner Youngblood sich jetzt ein in die Liste seiner Vorbilder.

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