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Nestinari in Bulgarien

Wikimedia Commons / Apokalipto / CC BY-SA 4.0

mit akzent

Pure Exotik

Feuertänzer, Ufo-Hallen oder lieber doch ans Meer? Todor Ovtcharov ist unschlüssig, was er Touristen in seiner Heimat Bulgarien empfehlen soll.

Von Todor Ovtcharov

„Ich bin noch nie in so einem exotischen Land wie Bulgarien gewesen, habe aber vor, es diesen Sommer mit meiner Freundin zu besuchen, was kannst du mir empfehlen?“, sagt mein Freund Alex. Alex hat schon die halbe Welt durchkreuzt. Er war mit einem Kajak in den norwegischen Fjorden, ist den Antilopen in den unendlichen Savannen der Serengeti nachgerannt und hat Peyote auf den Spuren von Carlos Castaneda in Mittelamerika gegessen. Doch Bulgarien, das sich 1000 Kilometer von Österreich entfernt befindet, ist für Alex eine „exotische“ Destination. Ein Land, das mein abenteuerlustiger Freund jahrelang nicht beachtet hatte.

Mit Akzent

Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.

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Ich war nie ein guter Reiseleiter. Mit 16 bin ich bei einer Deutscholympiade durchgefallen - die Frage war: „Wenn ein Deutscher nach Bulgarien kommt, was würdest du ihm zeigen?“. Wäre ich damals ehrlich gewesen, hätte ich gesagt, dass ich ihn auf den Berg Vitoscha bei Sofia bringen würde. Ich kannte dort einen Ort, der schwer zu erreichen war, aber die Mühe hätte sich gelohnt – man steht auf einem nackten Gipfel und ganz Sofia liegt dir zur Füßen. Dort setzt man sich hin und trinkt ein Bier. Es macht einen Riesenspaß Bier zu trinken und eine ganze Hauptstadt von oben zu beobachten. Stattdessen aber erzählte ich banalen Schwachsinn wie „Ich zeige ihm die unbefleckte bulgarische Natur und unser wunderschönes Meer“.

Nestinari siehe Coverbild: CC BY-SA 4.0

Dieses Mal wusste ich nicht, was ich Alex antworten sollte. Ich sagte ihm, dass unterschiedliche Leute unterschiedliche Sachen in Bulgarien mögen. Einige kommen, um die Nestinari zu beobachten – Menschen, die auf Feuer tanzen. Man sagt, dass dessen Konzentration und Glaube an Gott so stark sind, dass sie keinen Schmerz empfinden. Natürlich sind die echten Nestinari schwer zu finden, doch jede dritte Kneipe am Schwarzen Meer hat dafür einen angeheuert. Man muss nur mit dem Schnaps aufpassen, da ich Leute kenne, die nach dem dritten Rakija auch auf Feuer gehen wollten.

Buzludzha Halle in Bulgarien

Sam Hermans / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0

Buzludzha, CC BY-SA 4.0

Andere kommen nach Bulgarien, um die riesige kommunistische Halle am Gipfel Buzludzha sehen wollen. Sie sieht aus wie eine fliegende Untertasse, die am Berggipfel gelandet ist. Nicht wenige halten die Idee für außerirdisch, ein solches Gebäude auf einem Berggipfel zu errichten. Heute ist die Halle eine riesige Ruine, doch sie ist ohne Zweifel ein Denkmal menschlichen Größenwahns.

Ich kenne auch Leute, die jedes Jahr nach Bulgarien kommen, um die Gebirge Pirin und Rila zu duchwandern. Dort befindet sich der höchste Gipfel der Balkanhalbinsel – Mussala (2925 m). Der Name Mussala kommt aus dem Arabischen und bedeutet „Weg zur Gott“. Vor zwei Jahren, als die Olympiade in Rio stattfand, schlief ich in einer Berghütte im Rila Gebirge. Außer uns war in der Hütte nur ein deutscher Tourist. Er war auf dem Weg zu Mussala, um den Weg zu Gott zu finden. Eines Nachts wollte er auf die Toilette, doch er hatte vergessen, dass er im Stockbett oben schlief. Deshalb steckte er mit einem verstauchten Fuß in der Hütte fest und wartete auf seine Freunde. Zusammen schauten wir im Fernsehen Beachvolleyball von der Copacabana. Ich beruhigte ihn, dass er danach zum Schwarzen Meer fahren und Beachvolleyball live schauen könne. Seine Augen leuchteten; er fand seinen „Weg zum Gott“.

Deshalb kann ich Alex sagen, dass er einfach ans Meer fahren kann. Das mag sich so banal anhören wie bei der Deutscholympiade, doch am Meer ist es ganz schön.

Todor am Schwarzen Meer

Todor Ovtcharov

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