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Portrait Tom Klocker

Florian Wörgötter

PROS AND PROFILES

1000 Likes in 15 Minuten

Der Ex-Snowboard-Profi Tom Klocker hat alles, wonach Sponsoren bei Influencern suchen: ein gutes Auge, Credibility und 183.000 Instagram-Follower. Heute lebt der Tiroler vom Fotografieren. Instagram bringt ihm die meisten Kunden. Beim Wandern im Zillertal erklärt er, wie er neue Perspektiven findet, ob Social Media das Snowboarden verändern und dass Likes nicht immer glücklich machen.

Von Florian Wörgötter

Der Stillup Speichersee im Tiroler Zillertal steht tief. Schmutziges Schmelzwasser drängt in den türkisen Bergsee. Einzelne Sonnenstrahlen durchbrechen die graue Wolkendecke. Die perfekte Stimmung für den Fotografen Tom Klocker: „Düsterer Regen und mystischer Nebel sind spannender zu fotografieren als blauer Himmel und Sonnenschein“, sagt der Tiroler Fotograf. Ähnlich sehen das auch seine 183.000 Instagram-Follower, die seine spektakulären Berg-, Outdoor- und Actionsportfotos sehen. Bis ein Foto 1.000 Likes bekommt, vergehen gerade einmal 15 Minuten.

Tom Klocker beim Fotografieren eines Wasserfalls im Zillertal

Florian Wörgötter

Vom Snowboarder zum Instagram-Fotografen

Der Zillertaler Tom Klocker war einer der vielversprechendsten Freestyle-Snowboarder. Zuerst ist er Contests gefahren, dann hat er vermehrt Snowboard-Videos gedreht. Seine Foto-Kamera war auf Reisen immer dabei. Als ihn 2015 eine Knie-Verletzung außer Gefecht setzt, postet er aus Langeweile alte Fotos auf seinen Instagram-Account @tomklockerphoto. Jeden Tag ein neues Bergfoto; jeden Tag ein paar Follower mehr. Drei Jahre später lebt Tom Klocker vom Fotografieren.

Mystical caves.

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Fünf Mal die Woche postet Tom Klocker Bilder von Bergen und Seen, von Kajaks und Snowboards. Viele davon im Auftrag von Tourismusverbänden, Smartphone- oder Autoherstellern. Instagram bringt ihm die meisten Kunden. Wäre er weiter Snowboarder geblieben, wäre er wohl noch weit von seiner Followerzahl entfernt. Beim Wandern im Zillertal zeigt er uns, wie sein Arbeitsalltag aussieht.

Das Beste kommt von oben

Normalerweise schleppt Tom Klocker in seinem bis zu 15 Kilo schweren Rucksack sein Kamera-Equipment: einen Kamerabody, ein Weitwinkelobjektiv (16–35 mm mit 2,8er Blende) für weite Landschaften und einen besonders schönen Sonnenstern bei Gegenlicht; sein Hauptobjektiv (24–70 mm) deckt von der Weite bis zum leichten Telezoom am meisten ab; die Berggipfel zieht er sich mit einem Teleobjektiv (70–300 mm) nahe heran, wie mit einem Fernglas. Heute fotografiert er den Stilluper Speichersee ausnahmsweise mit einer ferngesteuerten Kameradrohne.

Tom Klocker steuert die Drohne zum Wasserfall.

Florian Wörgötter

An einem flachen Startplatz richtet Tom die Drohne ein. Eine weibliche Computerstimme definiert anhand der Satellitenposition wie ein Navi den „Homepoint“ – sollte die Drohne sich aus dem Blickfeld verabschieden. Ein Knopfdruck, lautes Rotoren-Gebrüll, eine Brise Wind, die Drohne schwebt davon. Auf dem Display in seiner Hand sieht Tom in statischen Bildern, was die Drohne sieht: „So nahe war ich dem Wasserfall noch nie".

Tom Klocker sieht auf seinem Controller alles, was die Drohne sieht

Florian Wörgötter

Aus 120 Meter Höhe in der Vogelperspektive kartografiert Tom den Speichersee wie mit einem Joystick: Ein Querformat nach dem anderen, vom einen Seeufer zum anderen, der Fokus piepst, der Auslöser schließt künstlich. „Diesen Blickwinkel bekommst du sonst nur mit einem Hubschrauber oder einem Paragleiter“. Später, am Computer werden die Querformate zu einem großen Hochformat-Panorama zusammengefügt. „So hole ich das Maximum an Auflösung heraus". Bevor der Drohne der Saft ausgeht, sollte Tom besser wieder landen. Doch wo ist die Drohne geblieben?

Like mich am Arsch

Was Tom Klocker auf Instagram stört: Viele Kollegen bereisen „Instagram-Hotspots“, um bereits tausendfach fotografierte Motive in der gleichen Einstellung zu kopieren. „Es soll beim Fotografieren nicht um Likes gehen, sondern um das Abenteuer, neue Motive zu entdecken. Mich zieht es dahin, wo weniger los ist“.

Stilluper-Speichersee-Panorama

Tom Klocker

Eines der Ergebnisse: der Stilluper Speichersee im Zillertal, fotografiert von Tom Klocker

Die besten Momente hält Tom mit seiner Kamera fest, wenn der Tag erst erwacht. Daher startet er seine Bergtouren beizeiten auch in der Nacht oder übernachtet überhaupt in der Höhe. Den Hype, den Medien und Werbebranche um Instagramer machen, findet er übertrieben. Denn nicht jeder sogenannte „Influencer“ würde auch hohe Qualität liefern. Unternehmen empfiehlt er, bei der Wahl ihrer Testimonials etwas genauer hinzusehen. Ob er ein Influencer ist? „Dieses Wort mag ich nicht – aber eigentlich bin ich’s schon.“ Er würde aber nie mit seiner Reichweite bei Hotels hausieren gehen, um für ein Foto eine Gratis-Übernachtung zu kassieren.

Social Media im Snowboarden

Was meint der ehemalige Profi-Snowboarder, wie Facebook, Instagram und Co. das Leben heutiger Athleten verändert haben? „Sponsoren wollen, dass Snowboarder auf Social Media aktiv sind.“ Mittlerweile gewinnen Profis ihre Sponsoren nicht mehr nur, weil sie die Besten auf der Piste sind. Heute zählen eine große Reichweite auf Social Media und die passende Inszenierung mehr als ein Sieg, sagt Tom Klocker. „Viele Marken nehmen Sportler nicht mehr als Athleten auf, sondern wegen der hohen Reichweite als Brand-Ambassador“.

FM4 Draußen: Pros & Profiles - SportlerInnen auf Social Media

Auf Social Media aktiv zu sein ist für SportlerInnen Teil ihres Alltags geworden. Sie müssen nicht nur sportlich erfolgreich sein, sondern sich und ihre Erfolge auch verkaufen können. Unseren Timelines bringt das jede Menge Super-Content, Hochglanzbilder, Actionvideos, Inspirationen? Was aber bedeutet das für die SportlerInnen und ihre Sportart? Empfinden sie Social Media mehr als Chance oder als Belastung? Diesen und anderen Fragen spürt FM4 Draußen den ganzen Sommer lang in der Porträtserie: „Pros & Profiles – SportlerInnen auf Social Media“ nach.

Folge 1: Freestyle-Fußballer Martin Schopf
Folge 2: Kletterin Babsi Zangerl
Folge 3: Parcour-Athlet Alex Schauer
Folge 4: Downhill Mountainbikerin Vali Höll
Folge 5: Yoga-Lehrerin Sara Ticha
Folge 6: Wakeboarder Philipp Turba
Folge 7: CrossFit-Athletin Vanessa Wagner
Folge 8: Outdoor-Fotograf Tom Klocker
Folge 9: Snowboarder Thomas Feurstein

Instagram, Facebook und Co. haben das Snowboarden zwar sichtbarer gemacht, dennoch bleibt Snowboarden ein Nischensport. Zum Vergleich: Tom Klockers Zillertaler Snowboardkollege Werni Stöck, Held der Core-Szene, hat mit 13.600 Instagram-Abonnenten weniger als ein Zehntel der Followerschaft von Tom Klocker. Clemens Millauer, Österreichs aktuell bester Contest-Rider, zählt 12.500 Follower. „Snowboarden interessiert einfach weniger Leute, als Outdoor-Sport. Eine hohe Reichweite erzielen nur die zehn erfolgreichsten Snowboarder.“ Österreichs Big Air-Olymiasiegerin Anna Gasser etwa folgen 276.000 Abonnenten – eine Zahl, die auch Tom Klocker staunen lässt, aber nicht unrealistisch ist, wenn er so weitermacht.

Tom Klocker und Flo Wörgötter mit der Drohne fotografiert

Tom Klocker

Leben und Leiden eines Influencers

Ob so viele Likes einen Menschen auch glücklicher machen? „Likes sind nicht alles. Instagram hat mir aber viele Aufträge beschert, von denen ich leben kann.“ Bedeutet das auch Stress? „Manchmal. Man soll regelmäßig posten, möchte aber auch mal abschalten. Der Druck ist groß, draußen gutes Bildmaterial zu finden. Wenn die Deadline naht, wird das Glück mit dem Wetter noch wichtiger. Den größten Druck mache ich mir aber selbst, weil ich meine Fotos toppen will“. Tom Klocker hat Hashtags für alles, außer für sich selbst. Er redet nicht gern über sich, lieber lässt er seine Bilder sprechen – oder seine Follower.

Glücklicherweise hat die verloren geglaubte Drohne auch einen Home-Button integriert, der sie automatisch zum Startpunkt zurück bringt. Ein Knopfdruck, kurz darauf brummt der Flugroboter zu Tom, der ihn wie einen Falken mit den Händen fängt. „Alles im Kasten“. Jetzt wird gepostet.

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