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Filmstill aus BlacKkKlansman

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Fight The Power!

„BlacKkKlansman“ erzählt von einem afroamerikanischen Cop, der in den 70ies den Ku-Klux-Klan infiltrierte. Regisseur Spike Lee sieht seinen neuen Film aber vor allem auch als Warnung vor dem aktuellen Rechtsradikalismus, wie er im FM4-Interview betont.

Von Christian Fuchs

Der ehemalige MTV-Moderatorenstar Patrice ist der erste in unserer kleinen Journalistenrunde, der zum Interview mit Spike Lee abgeholt wird. Als der Mann mit den deutsch-kongolesischen Vorfahren wieder in das Berliner Hotelzimmer zurückkehrt, wo wir gerade noch unsere Fragen notieren, blickt er einen Moment lang sehr ernst. „Als Weißer würde ich mich da jetzt nicht reintrauen“, lautet sein lapidarer Kommentar. Die Pointe sitzt, zumindest eine Schrecksekunde lang. „Alles gut“, grinst Patrice, „ist ein sehr netter Typ, lockerer Gesprächspartner!“

Tatsächlich entpuppt sich Spike Lee bald darauf als extrem freundlich. Sämtliche Klischeevorstellungen, die über den angeblich so strengen Regisseur herumgeistern, lösen sich beim Betreten der Interview-Suite in Luft auf. Der unglaubliche 61 Jahre alte Pionier des New Black Cinema strahlt eine Gelassenheit und Coolness aus, die den ganzen Raum erfüllt. Im Gegensatz zu anderen Interviews, wo Lee beispielsweise bei Erwähnung des aktuellen US-Präsidenten ein grantiges „Motherfucker“ über die Lippen kommt, bleibt er im FM4-Gespräch zurückhaltend.

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Trotzdem ist klar: „BlacKkKlansman“ ist für ihn nicht einfach irgendein weiterer Film. Die bizarre (und wahre) Geschichte von einem afroamerikanischen Cop, der in den Seventies den Ku-Klux-Klan infiltrierte, scheint mit einer Mission verknüpft. Spike Lee will jenen Rechtsradikalismus, der derzeit unter oftmals biederer oder auch staatstauglicher Fassade ein globales Comeback feiert, als brandgefährlich und mörderisch bloßstellen.

Filmstill aus BlacKkKlansman

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Am Telefon mit radikalen Rassisten

Schon am Anfang von „BlacKkKlansman“, wenn Alec Baldwin in einer Gastrolle als Ku-Klux-Klan-Sprecher in eine Propaganda-Tirade verfällt, ist der Gegenwartsbezug überdeutlich. Dieselben oder ähnliche Verschwörungstheorien, von angeblichen jüdischen Fädenziehern, die hinter der gesellschaftlichen Unterwanderung durch „niedrigere Rassen“ stehen, hört man gerade wieder gehäuft. Auch von Vertretern demokratisch gewählter Parteien all around Europe. Das Hier und Jetzt ist der Story von Ron Stallworth, der in den Siebziger Jahren als erster Schwarzer bei der Polizei von Colorado Springs anfängt, als plakativer Subtext eingeschrieben.

Als sich der junge Cop (John David Washington) am Telefon überzeugend als Mitglied beim lokalen Ku-Klux-Klan bewirbt, um mehr über die Strategien der rechten Gruppierung herauszufinden, geht es blitzschnell. Die radikalen Rassisten wollen ihren potentiellen Neuzugang dringend persönlich kennenlernen. Stallworth überredet also seinen weißen Kollegen Flip (Adam Driver), der ebenfalls in der Undercover-Abteilung arbeitet, in seinem Namen zum Treffen mit den Klan-Verbindungsleuten zu gehen.

Eine riskante Konstellation entsteht. Während Ron privat eine Anhängerin der militanten Black-Power-Bewegung (Laura Harrier) datet, drängen seine Telefon-Flirts mit den gewaltbereiten Rednecks den lakonischen Flip in grenzwertige Situationen. Schon bald beginnt der eigentlich eher unpolitische Cop mit jüdischen Wurzeln über seine Identität nachzudenken.

Filmstill aus BlacKkKlansman

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Hass bleibt Hass, auch im schicken Anzug

Während andere Filmemacher diesen Stoff als todernsten Thriller inszenieren würden, nützt Spike Lee die grotesken Verwicklungen unter den konträren Figuren für absurd-komische Szenen. Sarkasmus und Humor sind überhaupt wichtige Elemente in „BlacKkKlansman“. Auch, wenn einem das Lachen natürlich sofort wieder im Hals stecken bleiben soll. Wir haben es eben mit einem Spike-Lee-Joint zu tun: wie schon in früheren Filmen verzichtet der Regisseur bewusst auf einen einheitlichen Tonfall. Kurz aufflackernde Hommagen an das Blaxploitation-Kino der Seventies und die funky Disco-Ära vermischen sich mit verstörenden Auftritten geifernder Neo-Nazi-Truppen, die den Slogan „America First!“ brüllen.

Ganz am Ende lässt Lee den ohnehin als Gespenst omnipräsenten US-Präsidenten direkt auftreten. Dokumentarische Sequenzen der Tragödie von Charlottesville folgen auf das Filmfinale, inklusive erschütternd abgeklärter Statements von Donald Trump himself. In diesen allerletzten, realen Nachrichten-Bildern, die Spike Lee noch im Endschnitt hinzufügte, taucht auch David Duke auf, der berüchtigte „Grand Wizard“ des Ku-Klux-Klan, der in „BlacKkKlansman“ eine wichtige Rolle spielt. Topher Grace karikiert zuvor beklemmend den prominenten Ultra-Rechten, dessen Look sich an biederen bürgerlichen Politikern orientiert.

Filmstill aus BlacKkKlansman

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„Es gibt keine Kapuze mehr, keinen Strick, aber unter der Fassade schlummert derselbe Hass“, kommentiert Spike Lee die clevere Selbstvermarktung des Mr. Duke, der zum Vorbild für etliche rechte Agitatoren rund um den Planeten wurde. „Hass bleibt Hass, auch wenn er schicker angezogen daherkommt. Aber diese Art der PR-Strategie ist besonders gefährlich.“

Spike Lee ist also, nach einigen Ausflügen in den klassischeren Genre-Bereich, wieder in seinem bevorzugten Terrain zurück: Bei einem Film, der bissige Unterhaltung und engagierte Aufklärung vermengt. „Edutainment“ hat man im Oldschool-Hip-Hop diesen Mix genannt.

Und er sieht sich, auch wenn „immer mehr Filme, mehr Songs und Theaterstücke die politische Situation in der Welt gerade reflektieren“ und ein Kassenschlager wie „Black Panther“ für positive Veränderungen im Mainstream sorgt, weiterhin alleine auf weiter Flur in Hollywood. Welcher aktuelle Film, will ich von ihm wissen, fängt ihn denn ein, den zornigen Spirit des einstigen New Black Cinema? Spike Lee lacht und flüstert dann leise: „BlacKkKlansman!“

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