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The Blair Witch Project

Das erste Mal mit „The Blair Witch Project“: Warten auf die Hexe

„The Blair Witch Project“ aus dem Jahr 1999 gilt als Klassiker des Horrorkinos und als genredefinierend - für ein Genre, das ich sehr liebgewonnen habe. Und dennoch habe ich diesen Film bis heute nie gesehen. Das hat Gründe.

Von Jan Hestmann

„Im Oktober 1994 verschwanden drei Studenten in den Wäldern von Burkittsville, Maryland, beim Dreh eines Dokumentarfilms. Ein Jahr später wurden ihre Filmaufnahmen gefunden.“

Mit dieser Text-Einblendung startet der pseudodokumentarische (Fake-)Found-Footage-Film „The Blair Witch Project“ aus dem Jahr 1999, der ausschließlich aus wackeligen Handkamera-Aufnahmen seiner ProtagonistInnen besteht. Lediglich 60.000 US-Dollar soll der Film gekostet haben, Regie führten Daniel Myrick und Eduardo Sánchez. Durch raffiniertes Marketing löste der Film bereits vor Kinostart einen massiven Hype aus und spielte schließlich ein Vielfaches an den Kassen ein. Ein Geniestreich. Bis heute gilt „The Blair Witch Project“ als genredefinierend.

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Heathers Mitstreiter: Josh und Mike

Die Studenten Heather, Josh und Mike machen sich samt Filmequipment auf nach Burkittsville, ehemals Blair, wo sie einen Dokumentarfilm über die sogenannte Blair Witch drehen wollen, die hier vor vielen jahren ihr Unwesen getrieben haben soll. Nachdem sie ein paar Bewohner des Örtchens interviewen, fahren sie in den Wald, in dem die Hexe gelebt haben soll oder vielleicht sogar immer noch lebt. Dort verirren sie sich aber bald, verlieren ihre Landkarte und gehen im Kreis, tagelang, geplagt von Hunger und Kälte. Auf ihrem Weg tauchen immer wieder seltsame Gegenstände auf und nachts lauschen sie undefinierbaren Geräuschen. Als sie einmal morgens aus dem Zelt klettern, sehen sie sich von drei kleinen Steintürmen umringt.

In der FM4 Sommerserie Das erste Mal stellen sich Filmredakteure endlich jenen berühmten oder vieldiskutierten Streifen, die sie bislang immer verpasst haben.

Es ist eigenartig, dass ich „The Blair Witch Project“ nie gesehen habe. Später folgende Found-Footage-Horrorfilme wie etwa den spanischen Zombiefilm „Rec“ oder den norwegischen „Troll Hunter“ habe ich sehr genossen. Diese Filme spielen genauso mit einem pseudodokumentarischen Charakter, der sich visuell durch die wackelige First-Person-Perspektive äußert. Bei „The Blair Witch Project“ hatte ich allerdings immer das Gefühl, ihn irgendwie eh schon zu kennen. Er wirkte stets allgegenwärtig, entweder aufgrund seiner Nachahmer oder aber auch der zahlreichen Parodien darauf, wie etwa „Scary Movie“.

Die ikonische Szene, in der die verzweifelte Heather heulend in die Kamera spricht, sodass man ihr in die Nase schauen kann, war mir immer sehr vertraut, ohne den Film je gesehen zu haben. Umso spannender aber nun die Frage, ob der Film im Jahr 2018 überhaupt noch so etwas wie Grusel hervorrufen kann oder ausschließlich vom Kult lebt.

Die Antwort ist: Ja, er kann. Und das ist bemerkenswert, denn tatsächlich passiert unglaublich wenig in diesem Film, wenn man es genau nimmt. Faszinierend, mit wie wenig Mitteln „The Blair Witch Project“ auskommt und dennoch die Spannung halten kann. Dieser zelebrierte Minimalismus wirkt zunächst iritierend, haben sich die Sehgewohnheiten in den letzten 20 Jahren doch stark verändert. Warten und warten und nichts passiert. Gar nichts. Man starrt durch die Kamera ins finstere der Nacht, oft ist es dabei komplett schwarz, und wartet nur darauf, dass die Blair Witch plötzlich ins Bild springt. Vergebens.

Warten auf den Schrecken

Jump Scares sind allerdings nicht das, worauf man in „The Blair Witch Project“ hoffen sollte. Stattdessen zieht der Film den gesamten Nervenkitzel aus ebendieser Erwartungshaltung. Das ewige Warten auf das große, übernatürliche Unheil wird zur Folter. Das Nichtzeigen des Horrors wird zum Horror - einst beliebtes Mittel guter Horrorfilme, das mittlerweile leider ganz schön aus der Mode gekommen ist. Ein Effekt, der bestimmt auch mit dem niedrigen Budget zusammenhängt, wird geschickt zum eigenen Vorteil verwendet.

Hinzu kommen erstmal ganz banale Probleme wie Kälte und Hunger, die aber mit der fortschreitenden Zeit immer mehr zum primären Horror werden und sich auch bald auf die psychische Verfassung der drei Verlorengegangenen niederschlägt. Und so kriecht „The Blair Witch Project“ dann tatsächlich noch unter die Haut. Das bloße der-Natur-Ausgesetztsein löst einen sich steigernden, tief verwurzelten körperlichen Horror aus. Und dafür bräuchte es dann eigentlich gar keine Blair Witch mehr.

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Da war doch was...

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