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Crazy Rich Asians

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„This is our Black Panther“

Es ist der erste Hollywood-Film mit ausschließlich asiatischer Besetzung: die Romanze „Crazy Rich Asians“ sprengt in den USA gerade alle Box Office Rekorde.

Von Christian Pausch

Es ist eine Sensation, wenn auch eine denkbar traurige, weil sie viel zu spät kommt: Der Film „Crazy Rich Asians“ ist der erste Hollywood-Film mit gänzlich asiatischem Cast und Team. Es grenzt also fast an Blasphemie, dass der Film in Österreich unter dem gekürzten Titel „Crazy Rich“ läuft und ihm somit ein großes Stück Identität genommen wird. „This is our Black Panther“, lese ich in einer euphorischen Instastory, „I’ve waited for this all my life“, in einer anderen. Menschen mit asiatischen Wurzeln rund um den Globus zelebrieren diesen Film, oft schon lange bevor sie ihn gesehen haben.

In den USA hat der Film am ersten Wochenende 30 Millionen Dollar eingespielt, gerechnet hatte man höchstens mit 18 Millionen. In UK wird der Kinostart wegen des amerikanischen Erfolgs um Wochen vorverlegt. Ich wage zu behaupten, dass es den meisten Menschen, die die Kinos in den USA stürmten, egal war, worum es in „Crazy Rich Asians“ im Detail gehen wird, Hauptsache ein Film über Asiat*innen, ohne einen einzigen Kung Fu Kampf, ohne Samurais und den dazugehörigen weißen Hauptdarsteller, der diese Kultur als „faszinierend“ und „ach so anders“ empfindet. Ein Film über asiatische Lebensrealitäten ohne Exotizismus und Rassismus - dafür mussten alle bis ins Jahr 2018 warten. Viel zu lang.

Crazy Rich Asians

Warner

Schon die Buchvorlage von Autor Kevin Kwan ist im Erscheinungsjahr 2013 bereits ein Bestseller gewesen und hat nach Ankündigung der Verfilmung noch einmal einen Aufschwung erlebt. Der Soundtrack des Films featured ebenfalls fast ausschließlich asiatische Künstler*innen, vergisst aber auch nicht auf das nicht so China-Pop affine Publikum: mit chinesischen Versionen von Coldplays „Yellow“ oder Madonnas „Material Girl“.

我要你的

Wo Yao Ni De Ai, „I want you to be my baby“, heißt der Hauptsong im Film, und genau darum geht es auch: Ein reicher und fescher Singapur-Chinese namens Nick (Henry Golding) hat sich in den Kopf gesetzt seine - zwar sehr kluge und ebenso fesche, aber vergleichsweise mittellose - New Yorker Freundin namens Rachel (Constanze Wu) zu heiraten. Also nimmt er sie kurzerhand mit in seine Heimatstadt zur Hochzeit seines besten Freundes, um Rachel bei dieser Gelegenheit gleich der ganzen Familie vorzustellen.

Dass er ihr davor ruhig einmal von seiner Herkunft aus einer superreichen Familiendynastie und von seiner herrscherischen Mutter erzählen hätte können, ist ihm aber nicht in den Sinn gekommen. Also stürzt Rachel vollkommen unvorbereitet in die Welt ihrer Schwieger-Familie, die aus ausgelassenen Parties, Intrigen und vor allem unverrückbarer Tradition besteht. „Das Schwiegermonster“ meets „The Great Gatsby“ auf asiatisch also.

Es handelt sich um eine handelsübliche RomCom, doch wartet der Film tatsächlich mit ein paar gut durchdachten Szenen und Nebencharakteren auf, mit denen man nicht rechnet. Es gibt den chauvinistischen Trauzeugen, den schwulen Cousin und die völlig verrückte beste Freundin, hilariously in Szene gesetzt von der Rapperin Awkwafina. Sie trägt Onesies mit Hunden oder Kaninchen drauf, und bezeichnet Rachel einmal sehr hilfreich als „Banane“: „Du bist zwar außen gelb, innen aber leider weiß“ - sie bringt somit den gesamten Konflikt des Films auf den Punkt.

Rachel ist der crazy rich family nicht nur nicht reich genug, sondern vor allem nicht chinesisch genug. Die Amerikaner*innen würden alles nur für ihr eigenes Wohl tun, während die Chines*innen die Familie vor alles andere stellen, sagt die Schwiegermutter in spe in einer ihrer staubtrockenen und ungefragten Reden. Doch auch sie hat - ganz RomCom typisch - einige gut sitzende One-Liner auf Lager, zum Beispiel als sie bei einer Hochzeit im hohen künstlichen Gras sitzen muss: „Ist das eine Kirche oder ein Reisfeld?“

Szenenbil "crazy rich asians", "submergence"

filmladen, warner

„Chu are you?“

Dieser in der deutschen Fassung zum sinnentleerten „Chu bist du?“ übersetzten Satz ruft einer der geldgierigen Verwandten hinter Rachel Chu her, als diese heulend durch die Menge läuft. Es ist da schon klar, dass sie am Ende des Films ganz genau wissen wird, wer sie ist und wo sie hingehört, aber davor folgen noch die üblichen Selbstzweifel, dramatischen Auftritte und ausschweifenden Liebesbekundungen.

Dass der Film einen trotzdem in den Bann zieht, liegt einerseits an der fantastischen Kulisse von Singapur und andererseits zum großen Teil an dem durchwegs asiatischen Cast, der - auch aufgrund der bisherigen Unterrepräsentation - viele gänzlich neue Schauspiel-Gesichter beinhaltet. Henry Golding, der den Nick spielt, gibt in dieser Rolle sein Schauspiel-Debüt (er war zuvor TV Host) und wirkt, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.

Repräsentation ist wichtig! Und deshalb wird „Crazy Rich Asians“ in die Geschichte eingehen, auch wenn es nur eine weitere romantic comedy sein mag, die mal wieder den Bechdel Test nicht besteht, denn über etwas anderes als Männer dürfen die sonst spannend angelegten Frauenfiguren auch hier nicht sprechen. „Crazy Rich Asians“ ist aber eine RomCom, wie es sie noch nie gegeben hat und auf die viele gewartet haben, und alleine deshalb zahlt es sich schon aus, ein Kinoticket dafür zu lösen.

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