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Screenshot von "Bad North"

Plausible Concept / Raw Fury

Gewichtige Entscheidungen

Das minimalistische Game „Bad North“ ist der jüngste Beweis dafür, dass bei Taktik- und Strategiespielen weniger oft mehr ist.

Von Robert Glashüttner

Ich habe mir schon immer mit Spielen schwer getan, die einen mit Möglichkeiten überhäufen. Es geht dabei nicht nur um das ernüchternde Gefühl, dass ich sehr lange brauche, um alle diese Optionen verinnerlicht zu haben, um sie dann auch tatsächlich anwenden zu können. Zusätzlich dazu schwelt in mir dabei immer das Vorurteil, dass viele dieser Parameter und Varianten, zwischen denen ich wählen kann, für sich genommen wenig Einfluss auf die Gesamtsituation haben können. Gutes Gamedesign sollte Komplexität graduell einführen. Ich möchte anfangs gezwungen sein, mit wenigen Optionen arbeiten zu müssen, um so intuitiv mit den Basics vertraut zu werden.

Wohltuender Minimalismus

Games, die sich dieser Design-Tugend annehmen und Spielsysteme konzipieren, die nur auf den ersten Blick simpel aussehen, werden manchmal missverstanden. Diese Reduktion an Auswahlmöglichkeiten wird dann mit fehlender Komplexität und geringer Spieltiefe gleichgesetzt. Doch meist ist das Gegenteil der Fall: Wenn sich GamedesignerInnen nämlich auf das perfekte Ausbalancieren einiger weniger Features, Parameter und Auswahlmöglichkeiten konzentrieren können, werde diese - individuell und in Kombination - auch bedeutsamer.

In den letzten Monaten ist dieser wohltuende Minimalismus vor allem bei Taktik- und Strategiespielen öfter bemerkbar. Dieses entschlackte Design hat dieses Jahr schon fantastische Titel wie „Into the Breach“ oder „Frostpunk“ hervorgebracht. Niemand wäre dabei bisher auf die Idee gekommen, zu wenige Features oder fehlende Tiefe zu monieren. Stattdessen sind diese Titel vielfach als besonders mitreißend und spannend beschrieben worden. Kein Wunder: Entscheidungen im Spiel sollen eben Relevanz besitzen und gewichtig sein, sie sollen unmittelbar spürbar werden.

Screenshot von "Bad North"

Plausible Concept / Raw Fury

Wider die Wikinger

Vor kurzem ist ein weiteres minimalistisches Taktikspiel erschienen, wo jede Entscheidung Gewicht hat: „Bad North“. Hier ist das Interface so aufgeräumt und das Gameplay so zugänglich, dass jemand wie ich den Titel schon nach wenigen Runden ins Herz schließt. Wir machen in „Bad North“ einen Ausflug in den hohen Norden der Vergangenheit, wo Wikinger unsere Inseln angreifen. Diese Überfälle müssen natürlich verhindert werden, und so befehligen wir unsere Truppen quer über die jeweilige Insel, um die Räuber idealerweise immer gleich an der Küste mit Speer und Schwert begrüßen zu können.

Unsere Heimatinsel ist ziemlich klein, und erstmal stehen uns nur zwei mal neun Soldaten zur Verfügung. Aber auch die Wikinger schippern in ihren Booten vorerst nur Gruppen von drei bis fünf Kämpfer an unsere Küsten. Wenn wir ihnen ein gebührendes Empfangskomitee schicken, kann eigentlich nichts passieren – denn kaum betreten die Feinde unser Land, ist der Kampf quasi auch schon gewonnen.

Doch nicht so einfach

Selbstverständlich ist „Bad North“ nur ganz am Anfang so simpel, denn bald schon kommen die Wikinger aus allen Himmelsrichtungen auf die Insel zu und dann können Sekundenbruchteile darüber entscheiden, ob die Angreifer durch offene Stellen und Flanken durchbrechen können und damit unsere Front schneller dezimieren, als uns lieb ist. Also immer die Augen offen halten, ob und wo das nächste Boot am Horizont auftaucht!

„Bad North“ ist für Switch, Xbox One und PS4 erhältlich, die Version für PC folgt später dieses Jahr.

Neben der rechtzeitigen und richtigen Positionierung unserer Truppen geht es auch darum, wie wir sie entwickeln. Wir können sie zu spezialisierten Schwert- oder Speerkämpfern ausbilden oder sie zu geschickten Bogenschützen machen. Dann kann man pro Truppe noch ein Upgrade verteilen und eine Spezialfähigkeit – das war’s dann aber im Wesentlichen mit dem Hochzüchten der Figuren. Der Fokus bei „Bad North“ liegt immer bei der Taktik.

Screenshot von "Bad North"

Plausible Concept / Raw Fury

Unsere Truppen kämpfen automatisch, doch Stellung und Bewegung liegen in unserer Hand. Das Gameplay läuft sehr schnell, fast zu schnell ab – doch glücklicherweise wird die Zeit immer stark verlangsamt, sobald wir unsere Truppen neu positionieren. So oszilliert die Spieldynamik geschickt zwischen leichtem Stress und konzentrierter Planung. Stück für Stück sichern wir eine (zufallsgenerierte) Insel nach der anderen und werden von einer anfänglich verunsicherten kleinen Truppe schließlich zum zähnefletschenden Wikinger-Schreck.

„Bad North“ ist ein schick aussehendes, minimalistisches Taktikspiel, das schnell begriffen ist, aber viel Tiefe bietet. Es fügt sich perfekt ein in die Riege der gerade populären, luftig designten Strategie-Games.

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