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Fotocollage Amadinda Soundsystem

© Coco Wasabi

FM4 Artist of the Week

Der Sound der Zukunft

Das Amadinda Soundsystem verbindet afrikanische Musiktraditionen mit HipHop und Elektronik. Es baut nicht nur kulturelle Brücken zwischen Österreich und Uganda, sondern ist auch ein starkes politisches Statement: Unsere FM4 Artists of the Week.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Trockene und deepe Beats mischen sich mit den fremden Klängen eines hölzernen Xylophons. Es ist der Sound des Amadindas, eines traditionellen Instruments des Königreichs Buganda, das mit der Machete gestimmt wird. Je nach Witterungsverhältnissen wird an den hölzernen Stäben geschnitzt, bis sie der „temperierten Pentatonik“ entsprechen.

Das ist nur eine der spannenden Geschichten, die der Produzent und Musiker Wolfgang Schlögl erzählen kann. Schließlich hat er viel erlebt, als er für das Projekt Amadinda Soundsystem nach Uganda gereist ist. Damals konnte er noch nicht ahnen, dass er drei Mal nach Ostafrika fliegen würde und dass dieses Projekt weit mehr werden würde als bloßer musikalischer Austausch.

Dialog statt Einbahnstraße

Uganda ist ein Schwerpunktland in der Entwicklungshilfe Österreichs. Die NGO Kulturen in Bewegung hat daher Ex-Sofa Surfer und I-Wolf Musiker Wolfgang Schlögl gefragt, ob er nicht „mit traditionellen Musiker*innen eine moderne Platte“ machen könnte. Bei dieser Formulierung muss Wolfgang heute noch lachen. Also ist er vor gut zwei Jahren nach Uganda geflogen, in die Hauptstadt Kampala, um sich dort mit Musikerinnen und Musikern zu treffen und auszutauschen.

Gemeinsam mit Sängerin und Tänzerin Barča Baxant er hat sich gut vorbereitet, sich viel Musik angehört und schon zuhause einige elektronisch Skizzen angefertigt, die er dann im Studio in Uganda den anderen Musiker*innen vorgespielt hat.

Ugandischer Musiker mit einer Adungu (Harfenähnliches Instrument) im Studio

Wolfgang Schlögl

Auch ein traditionelles Instrument in Uganda: Die Adungu, ein harfenähnliches Instrument, das in der ersten Single „Future Africa Pt.1“ zum Einsatz kommt.

„Ich habe gedacht, ich bin sehr gut vorbereitet. Als die anderen meine Beats gehört haben, haben sie genickt und dann gelacht und meinten: Dir ist schon klar dass du immer auf den Off-beat gehst? Das ist zwar nett, aber eigentlich ist das der Sound aus Westafrika, wir hier spielen meist triolisch. Sie haben also nicht das franko-afrikanische Element in ihrer Musik, sondern ein ganz anderes Rhythmusgefühl. Das hat mich gleich zu Beginn auf meine europäische Ignoranz zurückgeworfen.“

Doch schon bald haben sich alle auf eine gemeinsame musikalische Sprache einigen können. Es gab aber auch weitere Hürden zu meistern. Das gemeinsame Essen war ein großer Diskussionspunkt, da sich seine Mit-Musiker*innen Lebensmittel aus dem nahegelegenen Supermarkt nicht leisten konnten. Die Lösung fand man in einer Köchin, die traditionelle Gerichte für die ganze Gruppe zubereitet hat. Es sind schöne Beispiele dafür, wie behutsam und offen Wolfgang mit diesem Projekt in der Anfangsphase umgegangen ist.

„Man muss sich einfach Zeit nehmen, das ist ein wesentlicher Faktor. Du kannst nicht als weißer Europäer einfach nach Afrika fliegen, alles lustig absamplen, give-me-five machen und dann dich zuhause in dein Home-Studio setzen und die coole Platte machen. Es geht vielmehr darum, Musiker zu sein, im Proberaum mit deinen Mitmusikern Songs zu entwickeln, in Dialog zu treten. Das ist keine Einbahnstraße. Erst durch den offenen Austausch kann man stereotype Ergebnisse vermeiden.“

Dass hier eine unglaublich frische, neue, innovative und einzigartige Verschmelzung von traditioneller Musik, HipHop und Traditionals auf Luganda und Englisch gesungen wird und spannende Club- und Dance-Musik entstanden ist, beweist die erste, treibende Single „Future Africa Pt.1“: Ein brillanter, lebensbejahender und energetischer Tanzbodenfeger.

Den Blick auf die Zukunft

Nicht nur „Future Africa Pt.1“ richtet den Blick auf eine gemeinsame mögliche Zukunft. Auf der ganzen Platte „The Black Pearl Tapes Vol.1“ geht es darum, Gemeinsamkeiten herauszustreichen. Denn wie der Musiker Lawrence Okello meint, ist Musik die universelle Sprache, die wir alle teilen.

„We make the statement that we all are one. It doesn’t matter the race, your colour, your tribe or where you come from. We are one. And with Amadinda Soundsystem we try to bring in unity and harmony. We create a bridge between Africa and Europe and we tolerate each other. Also through the music we create with each other.“

Für diese Ausrichtung war aber auch viel Vorarbeit notwendig. Denn zuerst mussten die Gräben zwischen den traditionellen Musiker*innen und den Urban-Artists aus Uganda selbst überbrückt werden. Und genau deshalb hat Wolfgang Schlögl vorgeschlagen, alle sollten sich überlegen, wie eine gemeinsame Zukunft und ein gemeinsames Bild von Afrika aussehen könnte.

Plattencover Amadinda Soundsystwem "The Black Pearl Tapes Vol.1"

Seayou Records

„The Black Pearl Tapes Vol.1“ von Amadinda soundystem ist bei Seayou Records erscheinen.

Diesen spirit hört man in jeder Nummer. Die pure Lebensfreude kommt einem bei dem stampfenden und unglaublich vibrierenden Dance-Track „Chichi Watussi“ entgegen. Zurückgelehnter und beschwingter verbindet „Ntunse“ einen traditionellen Song aus wundervollem Chorgesang mit geschmackvoller Elektronik. Immer ist Wolfgang Schlögl bemüht, hier nicht zu glatt und zu prominent Clubmusik mit der rohen Energie der ugandischen Musik zu verbinden. Bei „Omusangu“ schleust er vorsichtig und dezent Synthesizer-Melodien durch den sozialkritischen, traditionellen Song und lässt wiederum das Amadinda das treibende Haupt-Rhythmuselement sein. Und „Tweyance“ ist ein dunkler, extrem spannender und berührender Track, der einen schon von den ersten Tönen an gefangen nimmt und in das ostafrikanische Land entführt.

Das Amadinda Soundsytem macht neben der einzigartigen und behutsamen Zusammenführung der Musik und Kultur auch deutlich, dass unser Nachbarkontinent kein Monolith ist, sondern ein Konglomerat aus über fünfzig Ländern. Sängerin und Tänzerin Drichiru Key erklärt, dass es allein in Uganda 121 Regionen gibt, 56 Stämme und ebenso viele verschiedene Sprachen. Das Amadinda Soundsystem ist für sie eine Möglichkeit, Menschen einen Einblick in ihr vielschichtiges Land und ihrer Kultur zu ermöglichen. Und auch für Wolfgang Schlögl hat das Musikprojekt eine politische Komponente.

Portraitfoto von Wolfgang Schlögl und den MusikerInnen des Amadinda Soundsystems in Uganda

Seayou Records

„Es geht darum, Ideen und Visionen für eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Auch ein europäisches Denken muss sich daran gewöhnen, sich damit auseinanderzusetzen, wie eine gemeinsame Zukunft mit unserem Nachbarn Afrika aussehen kann. Dazu müssen wir uns mit dem Land und den Menschen beschäftigen. Auch ich weiß immer noch viel zu wenig über Uganda, werde mich aber weiterhin damit intensiv beschäftigen. Ich finde es sehr traurig, dass unsere Politiker die Vielfalt von Afrika auf wenige Aspekte reduzieren und vor allem Afrika über Ängste und unmenschliche Wortschöpfungen definieren.“

Deshalb markiert das „Vol. 1“ im Albumtitel, dass dies nur der Anfang eines tiefer gehenden Austausches ist. Denn die zarte Pflanze, die Wolfgang Schlögl und seine Mit-Musiker*innen aus Uganda hier behutsam aufgezogen haben, soll weiter wachsen. Und das wird uns hoffentlich bald ein weiteres Album voller spannender Songs, neuer Sounds, ungewöhnlicher Klänge und tanzbarer Rhythmen bescheren.

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