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Die Protagonistin ein Wrack

„Bis ans Ende, Marie“ ist das Romandebüt der 1982 in Graz geborenen Barbara Rieger. Im Mittelpunkt stehen eine namenlose Ich-Erzählerin sowie ihr - gewissermaßen - Alter Ego Marie.

Von Martina Bauer

Im Grunde ist diese Protagonistin ein Wrack. Das bejaht auch ihre Erschafferin, die Autorin Barbara Rieger im Interview.

Die namenlose Ich-Erzählerin von „Bis ans Ende, Marie“ kann kein Blut sehen, isst vor allem Salat, hat aber immer schnell ein Medikamentchen bei der Hand. Bis wohin etwas gut für sie ist, kann sie kaum einschätzen, und ihr Verhältnis zu Intimität ist genauso schwierig wie zu Freund*innen und letztlich zu sich selbst. Mitunter wirkt sie wie magersüchtig, sexueller Missbrauch schwingt mit.

Marie jedoch, die Frau im Buchtitel, die die Erzählerin in ihrem Stammlokal kennenlernt, ist spontan, impulsiv, extrovertiert. Die Erzählerin bewundert so vieles an ihr, will sein wie sie. Es ist etwas, das an Verliebtheit und Begehren grenzt.

Buchcover von Barbara Riegers "Bis ans Ende, Marie"

Verlag Kremayr Scheriau

„Bis ans Ende, Marie“ von Barbara Rieger ist im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen. Hier gibt es eine Leseprobe.

Kippende Symbiose

Eine Freundin, die beneidet und gebraucht wird, auf die frau vielleicht auch mal wütend ist und von der man sich verlassen fühlt. Solche Mädchen- und Frauenfreundschaften würden viele von uns kennen, meint die Autorin im Interview. Das habe sie zur Geschichte inspiriert, genauso wie die Zeit ihrer eigenen Zwanziger.

Und so wird in „Bis ans Ende, Marie“ auch viel gefeiert. Etwa ein Jahr lang begleiten wir die beiden Frauencharaktere. Beim Ver- und Entlieben, beim Sex, in Räuschen, Abstürzen, auf Festivals, Parties, zur Uni oder beim Tod der geliebten Oma.

Dabei kommen sich die namenlose Erzählerin und Marie immer näher, werden quasi symbiotisch, wie zwei Ichs. Bis es kippt. Als der Protagonistin dämmert, dass Marie sie über die Maßen anstrengt.

In Barbara Riegers Debütroman überlagern sich Realitäten und Zeitabläufe, Jetzt-Zeit vermischt sich mit Erinnerungen, Wach- mit Traumsequenzen. Insgesamt hat der Text etwas Collagenhaftes. Auch in Bezug auf die Sprache.

Verben werden ausgelassen, Sätze führen anders als erwartet weiter. Verwandeln sich nach dem Komma von Situationsbeschreibungen zu indirekten Reden oder zurück in mimische Skizzierungen. Und immer wieder webt die Autorin Song-Lyrics ein. Die Soundtrack-Liste am Ende des Buches beginnt bei Babyshambles, Cat Power und endet mit Tocotronic, Pixies.

Es ist eine Sprache, die auffällt. Eigenständig. Elfriede Jelinek, Friederike Mayröcker, Sibylle Berg sind Autorinnen, die Barbara Rieger bewundert.

Barbara Rieger liest:

• 15. September, BOeS, Wien, 19 Uhr
• 21. September, phil, 19 Uhr
• 12. Oktober, Frankfurter Kunstverein, 18.30 Uhr
• 13. Oktober, Haus des Buches, Frankfurter Buchmesse, 14 Uhr
• 16. Oktober, Alte Schmiede, Wien 19 Uhr
• 23. Oktober, Literaturhaus Salzburg, 19.30 Uhr
• 21. November, AU, Wien, 20 Uhr

Sie habe versucht, „Stimmungen, in denen sich die Protagonistin befindet, in denen sich vielleicht auch andere Personen in der Realität in ihren Zwanzigern befinden, durch die Sprache widerzuspiegeln", sagt Barbara Rieger. Rhythmus war ihr wichtig und "wenn man diese Story in einer konventionellen Sprache erzählt hätte, dann wäre sie wahrscheinlich ziemlich langweilig geworden. Es passiert nichts besonders Außerordentliches, was die Handlung betrifft. Was das Außerordentliche ist, ist die Wahrnehmung, wie diese Situationen erlebt werden von der Protagonistin. Und da braucht es eben eine bestimmte Sprache.“

Auf den ersten Blick ist „Bis ans Ende, Marie“ die Geschichte einer herausfordernden Freundschaft, auf den zweiten jene eines Krankheitsbildes. Barbara Rieger stimmt dem im Interview zu. Ob die Ich-Erzählerin eine Spaltung der Gefühle erlebt oder es sich um eine pathologische Spaltung handelt, soll aber der Interpretation der Lesenden überlassen bleiben.

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