Der Unordnung verfallen
Von Christoph Sepin
Bekömmlich will sie ganz sicher nicht sein, die Maschinenballade „Disarray“ der Gruppe Low aus Minnesota: Verzerrungen und Übersteuerungen dominieren ab der ersten Sekunde auf diesem Lied der Widersprüchlichkeiten, das zwischen weichen Gesangsmelodien und harten Geräuschen variiert.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Was bis zur zwanzigsten Sekunde als Mut zur Verzerrung daherkommt, bekommt durch die Vocals von Alan Sparhawk und Mimi Parker die notwendige Entspannung. Kratziger Minimalismus trifft auf Harmonien, vor sich hin marschierende Beats auf Stimmen, die den Großteil des Liedes tragen müssen. Das alles könnte für Unbehagen sorgen, im Fall von Low löst sich das gesamte, seltsame Konstrukt aber in schönstem Wohlklang auf.
Das mittlerweile zwölfte Album der seit den 90ern umtriebigen Band wird „Double Negative“ heißen und am 14. September erscheinen. Wieder auf dem Label Sub Pop, wie schon die letzten fünf Platten von Low. „Disarray“ wird der finale, elfte Track auf „Double Negative“ sein.
Thematisch halten sich die Lyrics darauf eher vage: "Before it falls into total disarray, startet die Eröffnungszeile wie eine Warnung vor der Unordnung, der Verwirrung und dem Chaos. „You’ll have to learn to live a different way“. Ein Lied der allgemeingültigen Aussagen über die Welt? Oder doch eine persönliche, zwischenmenschliche Geschichte?
To be something beyond kinder than words
Noch gütiger sein, als es Worte je sein können. Vernunft und Freundlichkeit, Rücksicht und Sympathie scheinen die Lösungsvorschläge für die aufgezählten Problemfelder in „Disarray“ zu sein. Wissen sollte man das sowieso schon, denn: Die Wahrheit, die kennen wir bereits.
The truth is not something that you have not heard
Eine Platte, schmerzhaft passend zu unserer Zeit, die möchte Low mit „Double Negative“ veröffentlichen. Ein Kampf zwischen Stimme und Rhythmus, Einklang und Dissonanz, digital und analog. Reduziert präsentierte Dekonstruktion, die es vor allem unmöglich macht, „Disarray“ in irgendein gängiges Genre einzuordnen. Dass das so beabsichtigt war, lässt sich bei einer Band wie Low vermuten.
Publiziert am 09.09.2018