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Jakob Schubert

Simon Welebil

Kletter-wm innsbruck

Österreichs Kletterstars brennen ein Feuerwerk ab

Schon am ersten Wochenende der Kletterweltmeisterschaften in Innsbruck haben sich mit Jessica Pilz und Jakob Schubert gleich zwei österreichische Kletterstars Gold im Vorstieg-Bewerb geholt. Beide Male hätte es kaum knapper werden können.

Von Simon Welebil

Schon am Samstag hat der Österreichische Kletterverband die Sektkorken knallen lassen, als Jessica Pilz zum ersten Mal in ihrer Karriere zum Weltmeistertitel geklettert ist. Alle sportlichen Hoffnungen des Verbandes waren damit schon abgedeckt, eine Medaille geholt, die Medien und das Publikum an Bord. Einen Tag darauf legt der gebürtige Innsbrucker Jakob Schubert aber schon nach und holt sich den Weltmeistertitel, den er 2012 erstmals erobert hat, von seinem jahrelangen Freund und Konkurrenten, dem tschechischen Ausnahmekletterer Adam Ondra zurück. Aus heimischer Sicht hätte das erste Wochenende bei den Kletterweltmeisterschaften in Innsbruck nicht besser verlaufen können, wobei zwei Mal auch das Glück auf Seiten der österreichischen AthletInnen war.

Jakob Schubert klettert vor voller Olympiahalle

Moritz Liebhaber / KVOE

Jakob Schubert vor ausverkaufter Olympiaworld in Innsbruck.

Das ausgemachte Duell

Mit dem Lead-Bewerb der Frauen, bei uns immer noch besser als Vorstieg bekannt, wurde die Kletter-WM eingeleitet. In den bisherigen vier Lead-Weltcup-Bewerben in dieser Saison haben sich Janja Garnbret aus Slowenien und Jessica Pilz den Sieg jeweils untereinander ausgemacht, drei Mal hat Garnbret vor Pilz gewonnen, ein Mal war es umgekehrt. Dass sich diese beiden auch bei den Weltmeisterschaften ein Duell liefern würden, war absehbar und hat sich auch in der Qualifikation bestätigt. Sowohl Garnbret als auch Pilz haben ihre Quali-Gruppen im Kletterzentrum Innsbruck gewonnen, wobei aber noch andere Kletterinnen, etwa Jungstar Ashima Shiraishi, Jain Kim oder Anak Verhoeven knapp dabei waren.

Kletterwand

Simon Welebil

Die Wettkampfwand im Kletterzentrum Innsbruck

Im Semifinale sollte sich laut Plan der Routenbauer die Spreu vom Weizen trennen. Chefroutenbauer Jan Zbranek hat zwei zentrale Kriterien für die Arbeit seines Teams genannt. Erstens soll die Route gut aussehen, für das Publikum, aber auch für die KletterInnen. Wenn sie zu ihrer 6-minütigen Inspektion der Route antreten, soll allein deren Erscheinung die KletterInnen motivieren: „They should think – Wow! I want to fight in this route!“ Das andere, vielleicht zentralere Kriterium ist aber, dass die Route ein gutes Ergebnis bringen soll. Für das Vorstiegsklettern heißt das, dass idealerweise jede Kletterin an einer anderen Stelle fällt.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Jan Zbranek

Unglaubliche Bewegungen an der Finalwand

Dieser Plan scheint zumindest am Anfang des Semifinales aufzugehen. Margo Hayes ist die erste Kletterin, die in die Route einsteigt. Die US-Amerikanerin ist am Fels schon ein Superstar. Als erste Frau hat sie eine Route mit dem Schwierigkeitsgrad 9a geklettert. An den Plastikgriffen fehlen ihr bisher noch die ganz großen Erfolge. In Innsbruck kann sie zwar das Publikum mit unglaublichen Bewegungen begeistern, etwa einem kompletten Spagat zwischen zwei winzigen Tritten im Überhang, es soll aber nicht viel anders werden. Obwohl schon recht früh in der Route Schluss für sie ist, hat sie nur Lob für die Routenbauer übrig: „You could tell that the routesetters put so much time into it, the design etc. I liked the contrast between the big moves and also having time to rest here and there. I really enjoyed it.”

Das gewünschte klare Resultat im Semifinale bringt die Route allerdings nicht. Sehr viele Semifinalistinnen stürzen um Griff 44. Die Route scheint nicht lösbar. Zum Schluss klettern aber gleich vier Frauen bis zum Top, Garnbret, Pilz, Kim und Verhoeven, was eine schwierige Ausgangslage für das Finale ergibt: Würden auch dort mehrere AthletInnen bis zur gleichen Stelle kommen, würde die Kletterzeit als Entscheidungskriterium herangezogen, worauf alle gern verzichten würden.

Tetris-Klettern

Simon Welebil

Tetris gegen die Zeit

Im Finale der Frauen tritt der ästhetische Anspruch der Routenbauer um Jan Zbranek und Reini Fiechtinger noch deutlicher hervor. In der unteren Klettersektion geht es über Tetris-Volumen hinauf, die sich weiter oben dann in noch abstrakteren Formen verlieren. Wieder scheinen sich die Routenbauer ein bisschen verkalkuliert zu haben: Fast alle FinalistInnen, von der Österreicherin Hannah Schubert bis zu Jain Kim, scheitern an derselben Griffkombination, circa in der Hälfte der Route. Erst Jessica Pilz löst die Stelle und die Spannung im Publikum, überklettert nicht nur diese Schlüsselstelle, sondern zieht, durch tosenden Applaus angefeuert, ganz durch bis zum Top.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Janja Garnbret bekommt als letzte Kletterin am Start natürlich auch in der Isolationszone (in der sich die AtletInnen während des Wettkampfs aufhalten müssen, um nicht die Kletterzüge der anderen ausspähen zu können) mit, dass Jessica Pilz bis ganz nach oben gekommen ist. Sie weiß, dass sie nicht nur ebenso austoppen muss, um Weltmeisterin zu werden, sondern auch schneller sein muss, und legt los wie eine Rakete. Auch sie überklettert die Schlüsselstelle spielend, schüttelt dann aber ihre Unterarme vor dem letzten Zug, einem Sprung, lange aus, um die Anspannung aus ihren Armen zu bekommen. Den Topgriff kann sie dadurch halten, das Kletterseil in den Abseilhaken klippen, doch als sie unten ankommt, wird bald klar, dass sie dieses letzte Kräftesammeln den Sieg gekostet hat. 11 Sekunden ist sie langsamer gewesen als Jessica Pilz, eine knappe und sehr bittere Entscheidung mit dem besseren Ende für die Österreicherin.

Ein ewiges Duell

Niemand konnte ahnen, dass die Entscheidung im Lead-Bewerb der Männer ähnlich knapp ausfallen würde wie bei den Frauen. Zwar schienen die Voraussetzungen ähnlich, nahezu alle ExpertInnen haben ein Duell der beiden Weltmeister von 2012, 2014 und 2016, Jakob Schubert und Adam Ondra, ausgemacht. Die letzten beiden Male hat Jakob Schubert mit ansehen müssen, wie Kletter-Superstar Adam Ondra ganz oben am Podest gestanden ist, für diese WM hat Jakob Schubert im Interview noch den Traum formuliert, „vor dem Heimpublikum die Goldmedaille zurückzugewinnen“. Gleichzeitig wollte er aber festhalten, dass auch die anderen Kletterer nicht schlafen und alles auf den „einen“ Moment ankommt.

Dieser „eine“ Moment drohte allerdings bereits in der Qualifikation am Freitag für Jakob Schubert zum Schreckmoment zu werden. In der ersten von zwei Quali-Routen klettert er noch bis knapp unter das Top, eine Marke, die nach ihm auch nicht mehr überboten wird, in der zweiten Route rutscht sein Fuß aber schon nach wenigen Klettermetern weg. Jakob Schubert fällt schon im ersten Drittel der Route ins Seil. Im Publikum wird es schlagartig still und der große Medaillenfavorit verschwindet sofort in den Athletenbereich. Das Zittern beginnt, doch schlussendlich geht sich die Qualifikation fürs Semifinale doch noch recht deutlich aus. „Das Gute ist, dass ich nicht hinten bin, weil ich nicht die Fitness gehabt habe, sondern wirklich wegen einem blöden Fehler, den ich hoffentlich nicht noch einmal machen werde“, sagt Jakob Schubert.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Routen inspizieren mit dem Fernglas

Äußerst selektive Finalrouten

Für das Halbfinale bedeutet das für Jakob Schubert allerdings, dass er vorlegen muss. Als zehnter von 26 Kletterern startet er in die Route, die wieder äußerst selektiv ist. Wieder ist es eine Griffkombination, an der sich fast alle die Zähne ausbeißen. Jakob Schubert ist der erste, der drüberkommt. Obwohl er noch weit vor dem Top fällt, ist er zuversichtlich, dass sich das Finale der besten acht Kletterer für ihn ausgeht, und tatsächlich, nur ein Kletterer schafft es weiter, der Slowene Domen Skofic, und das auch nur um einen Griff. In dieser Runde ist es an Adam Ondra, sich weiterzuzittern, der nach zwei Topwertungen in der Qualifikation erstmals ein paar Griffe früher abgeht.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Gehörig durchschnaufen nach dem Semifinale für Jakob Schubert

Nach dem Ergebnis des Semifinales der Männer ist zumindest klar, dass hier eine Entscheidung nicht über die Zeit herbeigeführt werden müsste, weil im Falle eines Gleichstands das bessere Semifinalergebnis den Ausschlag brächte. Diesmal ist es an Adam Ondra, vorzulegen, und der Tscheche erzielt als dritter Starter im Finale, vom Publikum hochgepusht, zwar kein Top, setzt in der äußerst schwierigen Route aber dennoch ein Ausrufezeichen, an das keiner der nachfolgenden Kletterer, die im Semifinale noch mithalten konnten, herankommt.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Adam Ondra ahnt schon im Abgang, dass er noch Grund zum Ärgern haben würde.

Spannung bis zum Schluss

Erst der Dritte aus dem Semifinale, der deutsche Jungstar Alex Megos, schickt sich an, Adam Ondra in seiner Führungsposition zu gefährden, geht dann aber doch deutlich vorher ab. Jakob Schubert hingegen kann mithalten. Er schafft es exakt bis zur gleichen Stelle wie Adam Ondra, bevor er ins Seil fällt. Am Boden angekommen, ballt er die Fäuste im Wissen, dass er jetzt die Führung übernommen hat, weil er die bessere Platzierung im Semifinale aufzuweisen hat. Nur Domen Skofic, der Erste nach dem Semifinale, kann ihm den Weltmeistertitel jetzt noch streitig machen, doch der kann im Finale nicht mehr abrufen, was er zuvor gezeigt hat.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Jakob Schubert ist zum zweiten Mal nach 2012 Weltmeister im Vorstieg, ohne im Finale besser als Adam Ondra gewesen zu sein. „Mir ist es darum gegangen, volles Risiko zu gehen und dann zu schauen, was dabei herauskommt“, sagt er im Interview. Die Nervosität aus Qualifikation und Semifinale habe er zum Schluss endlich ablegen und das Klettern vor dem Heimpublikum nur mehr genießen können. Adam Ondra zollt er als „bestem Felskletterer der Welt“ großen Respekt und weiß die „ewigen Battles“ zu schätzen, doch das Vorstiegsfeld insgesamt sei so stark besetzt gewesen wie noch nie. Die Goldmedaille vor Heimpublikum sei jetzt ein „Riesen-Traum, der in Erfüllung geht“.

Bilder von den Lead-Bewerben der Kletter WM

Simon Welebil

Siegerpodest mit Jakob Schubert vor Adam Ondra und Alex Megos

Genug Gelegenheiten zur Revanche

Nach zwei Finaltagen steht das österreichische Kletterteam mit zwei Goldmedaillen besser da, als man erwarten durfte, aber die AthletInnen der anderen Nationen haben während dieser Weltmeisterschaften noch genügend Gelegenheiten, ihrerseits aufzutrumpfen.

Die nächsten Medaillenentscheidungen fallen am Donnerstag, 13. September, im Speedklettern, wo die österreichische Mannschaft traditionell ohne Chancen ist. Hier zählen das russische und das japanische Team zu den Favoriten, aber auch der Iran stellt hier starke AthletInnen.

Für den erfolgsverwöhnten Adam Ondra ist Innsbruck immer noch kein gutes Pflaster. Vier Mal ist er mittlerweile bei Weltcups, Europa- und Weltmeisterschaften in Innsbruck angetreten und vier Mal hat er sich mit dem zweiten Platz begnügen müssen. Für das Kombinationsformat hat er sich mit Platz zwei dennoch eine gute Ausgangsposition geschaffen. Für Jessica Pilz und Jakob Schubert gilt das natürlich ebenso.

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