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„Hast du mich erkannt?“

Der größte bulgarische Popstar Azis ist ein Kämpfer gegen Intoleranz und Hass.

Von Todor Ovtcharov

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich euch über einer der größten Popstars auf dem Balkan erzählt, dem Turbofolk- oder auf Bulgarisch Tschalge-Sänger Azis.

Azis ist ein Pardoxon: Er ist ein Rom, geboren im Frauengefängnis. Die Schule hat er nur bis zur fünften Klasse besucht. Er ist ein Riesen-Star in einem Land, wo die Mehrheitsgesellschaft die Roma gleichzeitig verachtet und fürchtet.

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Azis wurde anfangs populär, da er auf der Bühne und in seinen Videos geschminkt und in Frauenkleidern auftrat. Danach “heiratete” er in einer lauten PR-Aktion einen Mann im Nationalstadion in Sofia. In Bulgarien werden gleichgeschlechtliche Ehen nicht akzeptiert. Danach stellte er im Zentrum von Sofia ein Plakat auf, das ihn in einer intimen Szene darstellt, und die Wut gegen ihn wurde noch größer. Es steht außer Zweifel, dass Azis gut singen kann und einen hervorragenden Geschäftssinn hat. Das machte ihn extrem erfolgreich: Die drei am meisten gesehenen bulgarische Youtube-Videos sind alle von Azis. Er ist ein Star, der weit über die Grenzen Bulgariens bekannt ist: in allen Balkanländern, in der Türkei, in Russland und sogar im arabischen Raum, wo schwul sein ein gesellschaftliches Tabu ist.

Vor zwei Jahren schrieb ich über Azis, da ein Lied von ihm in einer New York Times Liste vorkam mit dem Titel “Wohin entwickelt sich die Musik?”. Damals meinte ein Landsmann von mir in einer Facebook-Gruppe der Bulgaren in Österreich: “Heute hat ein bulgarischer Vollidiot Azis im österreichischen Radio FM4 gespielt. Ich bin 1500 Kilometer geflüchtet, um dieser Zigeunerkacke zu entkommen, doch sie verfolgt mich!” Ich glaube, dass das einzige, wovon dieser Landsmann verfolgt wird, der Hass ist.

Das neue Video von Azis „Pozna li me?“ („Hast du mich erkannt?“) stellt überraschend viele soziale Fragen. Das Lied ist im typischen Ethnorock- oder Popfolk-Stil gehalten und Azis tritt darin als Verteidiger von allen auf, die die bulgarische und die balkanische Gesellschaft als „anders“ und „verworfen“ abstempelt.

Im Video spielt auch die berühmte bulgarische Schauspielerin Tzvetana Maneva mit. Maneva ist bekannt durch unzählige Rollen im Kino und im Theater – von Medea durch Ibsens Nora bis Lorcas Yerma. Man assoziert ihr Gesicht nicht mit der leichten Tschalga, sondern mit der hohen Kunst. Sie taucht aber trotzdem im Video von Azis auf und hält einen kurzen Monolog, wo sie die Frage stellt, warum wir die Menschen hassen, die „anders“ sind. Die 74-jährige Schauspielerin wurde sofort beschuldigt, dass sie nur des Geldes wegen im Video von Azis mitspielt. Niemand konnte sich vorstellen, dass sie einfach eine ältere Dame ist, die sich gegen den Hass in der Gesellschaft stellt.

Vielleicht nutzt Azis seine Popularität, um sein Publikum zu ändern. Je mehr Leute sich diese Fragen stellen, desto leichter wird es, den Hass zu überwinden und toleranter zu werden. Deshalb kommt Azis jetzt ein zweites Mal im österreichischen Radio FM4 vor. Diesmal aber nicht nur als Musikphänomen, sondern als eine soziale Erscheinung, die gegen Dummheit und Hass kämpft.

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