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Volltanken mit Wolf Haas

Der neue Roman von Wolf Haas ist da! Ein „Junger Mann“ lernt an einer Tankstelle das Leben und die Liebe kennen und wir Wolf Haas. Das geht direkt intravenös ins System.

Von Zita Bereuter

Junger Mann – das ist ein 13jähriger Gymnasiast, der 1973 in den Ferien in Salzburg auf dem Land auf einer Tankstelle arbeitet. Alter, Herkunft, Ferialjob – alles sei autobiographisch, erklärt Wolf Haas. „Und außerdem hat er ganz viel Übergewicht. So wie ich.“ 93 Kilo bei einem Meter achtzig, um genau zu sein.

Schon nach wenigen Seiten verliebt sich der junge Mann um den Verstand. In Elsa mit dem wunderschönsten Lächeln. Elsa ist leider verheiratet – noch dazu mit Tscho – dem coolsten Haberer im ganzen Dorf. Tscho ist Mechaniker und Fernfahrer, und zwar einer von der ganz schweigsamen Sorte. Und weil alle stillen Wasser tief sind, trägt auch Tscho einige Geheimnisse mit sich, die während einer langen Reise mehr und mehr gelüftet werden. „Und so kam es, dass ich in neun Wochen fünfzehn Kilo verlor und meine Unschuld.“

Wolf Haas lacht kurz. Das Verlieren der Unschuld sei ein hochinteressanter Begriff. Man solle sich von dem eingeengten Begriff lösen und nicht nur „an das eine denken“. Stattdessen könne das Verlieren der Unschuld sehr Vieles bedeuten.

Wolf Haas

Hoffmann und Campe

Wolf Haas: „Junger Mann“ ist 2018 bei Hoffmann und Campe erschienen.

Das Besondere in dieser Coming-Of-Age Geschichte sind neben den großartigen Dialogen die Schilderungen des Alltags in den 1970ern. Der Blick für die Details, gerade auf dem Land, ist bei Wolf Haas besonders scharf.

"Ich tankte Diesel in die Sattelschlepper wortkarger Teheranfahrer und in die Traktoren o-beiniger Bauern, Normal in die Ford Escorts verwegener Handwerksgesellen und in die Renaults glamouröser Friseurinnen, Super in die neuesten Flitzer alkoholisierter Wirtssöhne, deren Väter auf der Wolkenfederung ihrer grauen Mercedeslimousinen zur Dieselsäule schaukelten.“

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„Die Meisterschaft eines Tankwarts aber zeigte sich erst beim Wasserabziehen. Blieb ein Streifen zurück, war man blamiert für die Ewigkeit. Tröpfelte das abgestreifte Wasser über die Fensterkante auf den Lack hinaus, konnte man sich überhaupt heimgeigen lassen.“

Die Ölkrise führt zu Pickerln, an denen die autofreien Tage angezeigt werden und zu einem hektischen Treiben im Umgang mit Treibstoff. Auf der Tankstelle bleibt man dennoch cool. Statt um eine Unterschrift bittet man lässig „um ein Autogramm“ und auf Trinkgeld reagiert man prinzipiell mit einem knappen „Die Firma dankt“. Er sei immer schon für so Jargons anfällig gewesen, erklärt Wolf Haas. „Also wenn wer einen bestimmten Manierismus beim Reden hat, geht das bei mir immer direkt intravenös in mein System und ich kann es nie mehr vergessen.

Wolf Haas ist zu Gast in der FM4 Bücherei bei Zita Bereuter am Sonntag, 16. September von 15 bis 16 Uhr.

Trauma abarbeiten

Sein Arbeitsmantel bei seiner Tankstelle sei damals ein derart ausgewaschenes rot gewesen, dass es vielmehr an rosa erinnert habe und in Kombination mit seinen langen blonden Haaren hätten ihn die Kunden hin und wieder für ein Mädchen gehalten. „Das ist natürlich ein Trauma, das ich dringend literarisch verarbeiten musste,“ lacht Wolf Haas. Also bezeichnet er im Roman alle, die ihn je „Fräulein“ nannten, kurzerhand als Vollidioten.

Damit es leicht klingt, muss man ziemlich lange herumdoktern

Man lacht immer wieder laut beim Lesen und freut sich über die bei Wolf Haas typischen Erkenntnisse und Lebensweisheiten: „Wenn es unter dem Gips juckt, kann man sich nicht kratzen. Aber irgendwann hört es von selbst wieder auf.“

Wolf Haas liest aus „Junger Mann“

Mo., 12.11.18
Wien, Burgtheater

Sa., 17.11.18
Graz, Schauspielhaus

Mo., 19.11.18
Linz, Posthof

Di., 20.11.18
Salzburg, Republic

Mi., 21.11.18
Innsbruck, Treibhaus

Er habe sich sehr oft das Bein gebrochen und wisse, wie unangenehm das sei. Dennoch - den ersten Satz habe er schnell gehabt. Er habe gewusst, dass da noch Zusatz fehlt. „Diesen Satz hab ich glaub ich hundert Mal verändert, bis ich dieses positive Ende gefunden habe.“ Wolf Haas feilt also lange an Sätzen, die doch wie nebenbei umgangssprachlich leicht wirken. „Meine Erfahrung ist: Damit es leicht klingt, muss man ziemlich lange herumdoktern an einem Text. Wenn man das nur so in lockerer Stimmung hinfetzt, dann ist das Ergebnis keineswegs unbedingt leicht."

Er habe lange nach dem passenden Sound für den Roman gesucht. Erst die knappen Dialoge haben dann die Richtung vorgegeben. „Bei dem Buch war es überhaupt so, dass ich mir mittendrin Mal gedacht habe, es könnte mit gelingen, dass ich ein Buch schreibe, wo nur sympathische Menschen vorkommen. Was eigentlich selten der Fall ist bei Büchern.“ Genau das ist „Junger Mann“ von Wolf Haas – ein überaus sympathisches Buch für einige sehr gute Lesestunden.

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