FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Kletterer bei der Kletter WM in Innsbruck

EXPA Pictures / Johann Groder

Die Kletter WM in Innsbruck bringt erste Erkenntnisse für Olympia

Jakob Schubert und Janja Garnbret sind die ersten Weltmeister im Olympischen Kombinationsformat. Und das vollkommen verdient. Doch wodurch habe sie ihre Titel in Innsbruck gewonnen? Und werden sie auch 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokyo ganz oben stehen können?

Von Simon Welebil

Jakob Schubert hat nach Gold im Lead-Klettern zu Beginn der Kletter-WM in Innsbruck mit einer zweiten Goldmedaille im demnächst Olympischen Kombinationsformat sein persönliches WM-Märchen vollendet. Eine Medaille in diesem erstmals ausgetragenen Format ist zwar für ihn ein realistisches Ziel gewesen, dass er sich zum zweiten Mal in nur einer Woche als Weltmeister feiern lassen kann, hätte er nach sehr durchwachsenen Leistungen im Spezial-Boulder und im Spezial-Speed wohl selbst nicht mehr geglaubt.

Bei Janja Garnbret wiederum hätte man sich sehr gewundert, wenn sie den Kombi-Titel nicht geholt hätte. Die Slowenin war ohne Zweifel die überragende Kletterin dieser Weltmeisterschaften. Im Spezial-Lead, dem Auftaktbewerb, ist sie als absolut ebenbürtige Kletterin nur wegen einer langsameren Kletterzeit hinter Jessica Pilz auf dem zweiten Platz gelandet. Im Spezial-Bouldern, das extrem schwer geschraubt war, hat sie dann Semifinale und Finale jeweils vom ersten Boulderproblem an dominiert. Sie ist die erste Frau, die sowohl im Lead (2016), als auch im Bouldern (2018) Weltmeisterin geworden ist, und nur wegen Jessy Pilz’ Topleistung vergangenen Samstag nicht auch im selben Jahr. Janja Garnbret ist im Bouldern und Lead so stark, dass sie sich in der Kombination auch einen schwachen Start im Speed leisten kann und dann das Feld locker von Hinten aufrollt.

Kletterer bei der Kletter WM in Innsbruck

EXPA Pictures / Johann Groder

Janja Garnbret

Die Tücken des Olympischen Kombinationsformats

Die Kombination beim Klettern aus den drei Disziplinen Lead, Bouldern und Speed ist im Klettern eigentlich unüblich. Bei bisherigen Weltmeisterschaften hat es zwar auch schon eine Kombinationswertung gegeben, die war aber nur von geringer Relevanz und Wertigkeit gegenüber den einzelnen Disziplinen.

Das ändert sich mit der Aufnahme von Klettern ins Programm der Olympischen Spiele von Tokyo 2020. Dem Klettersport ist nämlich nur eine einzige Medaillenentscheidung zugesprochen worden und weil der internationale Kletterverband keiner Disziplin den Vorrang gegenüber den anderen geben wollte und auch mit dem strategischen Hintergedanken, eine Olympiade später vielleicht wieder alle unterzubringen, hat er sich für die Kombination aus allen dreien ausgesprochen, wenn auch in einem neuen Format.

Das Olympische Kombinationsformat wird nun in einem Tag ausgetragen. Die Disziplinen werden gleich hintereinander in der Reihenfolge Speed, Boulder und Lead geklettert. Die Platzierungen aus den drei Einzeldisziplinen werden dabei multipliziert und der- bzw. diejenige mit der geringsten Punktzahl gewinnt.

Für diejenigen KletterInnen, die bei Olympischen Spielen teilnehmen wollen, bedeutet dies, dass sie ihre bisherigen Spezialisierungen teilweise aufgeben müssen und alle drei Disziplinen trainieren. Um eine Chance auf den Sieg oder überhaupt für die Qualifikation zu haben (je 20 Frauen und Männer können sich für Tokyo 2020 qualifizieren) muss man mindestens in zwei Disziplinen Weltklasseleistungen abliefern können. Das gelingt am ehesten in der Kombination Bouldern und Lead, beides Schwierigkeitsklettern. Das wurde diesmal auch in der Praxis bestätigt. Keine starken Speed-KletterInnen haben es ins Kombinations-Finale geschafft.

Die Papierform gilt nur für Garnbret

Der Speed-Bewerb beginnt für Janja Garnbret eigentlich wie erwartet. Mit der vorletzten Zeit im Feld der Finalistinnen nimmt sie das Speed-Klettern in Angriff und auf dem vorletzten Platz wird sie es beenden. Alle anderen hingegen werden platzierungsmäßig ziemlich durchgewürfelt. Die sehr starken Japanerinnen Akiyo Noguchi und Miho Nonaka patzen - durch Fehlstart und Wegrutschen -, was die Südkoreanerin Sol Sa nach dem Bouldern auf Platz 1 und - ganz überraschend - Jessica Pilz auf den sehr vielversprechenden Ausgangsplatz zwei bringen.

KletterInnen bei der Kletter WM in Innsbruck

EXPA Pictures / Erich SPIESS

Jessica Pilz jubelt nach dem Speed-Bewerb

Hätte Jessica Pilz danach im Bouldern und im Lead die Ergebnisse der Papierform (ihre Platzierungen aus den Spezial-Bewerben gegenüber ihre Konkurrentinnen) liefern können, wäre sie mit ihrem Speed-Resultat Kombi-Weltmeisterin geworden. Die Papierform gilt an dem Tag aber nur für Janja Garnbret.

Garnbret gewinnt das Bouldern souverän und holt alle vier Topwertungen. Jessy Pilz hingegen löst nur ein Boulderproblem komplett und kann das Bouldern nur auf dem letzten Platz abschließen. Alle Kombi-Finalistinnen sind starke Boulderinnen und abgesehen von Garnbret ist es ein sehr enger Wettkampf. Dass Sol Sa die Japanerinnen hier wieder hinter sich lassen kann und in der Kombi-Zwischenwertung weiter in Führung liegt, verwundert aber doch.

5*1*1 = 5

Vor dem abschließenden Lead-Bewerb kann Jessica Pilz nicht mehr Erste werden. Trotzdem liefert die Lead-Weltmeisterin hier ihre beste Leistung ab, klettert nach zwei kraftraubenden Bewerben auch diesmal bis zum Top und sichert sich die Bronzemedaille. Janja Garnbret steht ihr aber abermals im Lead um nichts nach - und macht auch nicht mehr den Fehler, sich zu lange Zeit zu lassen. Diesmal ist sie die schnellere und holt sich den 1. Platz in der Disziplin und der Kombination. Ein 5. und zwei 1. Plätze ergeben miteinander multipliziert 5 Punkte und den Sieg. Sol Sa kann sich nach einem 1. und einem 2. Platz einen Totalausfall im Lead leisten und holt mit 12 Punkten Silber. Für Jessica Pilz bleibt mit 24 Punkten Bronze.

Kletterer bei der Kletter WM in Innsbruck

EXPA Pictures / Johann Groder

Die Innsbrucker Olympiaworld in voller Beleuchtung

Jakob Schubert lässt die Heimfans zittern

Bei seiner Heimweltmeisterschaft hat der Innsbrucker Jakob Schubert die Nerven seiner Fans einige Male auf die Probe gestellt. In der Qualifikation zum Spezial-Lead rutscht er in seiner zweiten Route früh weg und muss bis kurz vor Ende bangen, nicht mehr eingeholt zu werden. In der Qualifikation zum Spezial-Bouldern rutscht er erst nach erfolgreich eingelegtem Protest ins Semifinale und in der Qualifikation zum Spezial-Speedklettern begeht er einen Fehlstart und wird an die letzte Stelle gereiht.

Nach all diesen knappen Entscheidungen hätte Jakob Schubert das Finale im Kombinationsbewerb auch verpassen können, doch nach dem Sieg im Spezial-Lead und einem 10. Platz im Spezial-Boulder zieht er doch recht sicher an dritter Stelle ins Kombi-Finale ein.

Nervenstärke im Finale

Hier macht er es im Speed-Bewerb klüger, geht beim Start kein Risiko ein und profitiert auch vom Fehlstart seines Gegners Tomoa Narasaki. In der zweiten Runde kann er sich dann knapp gegen den zweiten von drei Japanern im Kombi-Finale - Japan fokussiert bereits alle Mittel auf diesen olympischen Bewerb - Boulder-Weltmeister Kai Harada durchsetzen und muss sich im Finale nur dem Deutschen Jan Hojer geschlagen geben.

Ähnlich wie Jessica Pilz ein paar Stunden vorher hätte Jakob Schubert Platz zwei im Speed wohl nicht einmal zu träumen gewagt. Im Gegensatz zu Pilz lässt er im Bouldern aber nicht aus, sogar im Gegenteil: Jakob Schubert kann alle vier Boulder lösen, drei davon flasht er sogar, klettert sie also im ersten Versuch bis zum Top. Wie schon in den Final-Durchgängen des Spezial-Boulderns unterschätzen die Routenbauer das Können der Kletterer. Schon wieder werden zu viele Tops gelöst (19 Tops von möglichen 24 sind wohl zu viel, auch wenn nur Weltklasse-Boulderer am Start sind). Anders als im Semifinale des Spezial-Boulderns geht Jakob Schubert hier aber mit viel mehr Entschlossenheit zur Sache. Er ist voll im Wettkampfmodus und kann das Bouldern für sich entscheiden.

Adam Ondra rehabilitiert sich übrigens auch für sein Aus im Semifinale des Spezial-Boulder-Bewerbs, toppt auch alle vier Boulder und landet hinter Jakob Schubert auf Rang 2. Nach Rang fünf im Speed liegt er punktemäßig aber schon weit hinter dem Österreicher.

KletterInnen bei der Kletter WM in Innsbruck

EXPA Pictures / Erich SPIESS

Schon vor dem letzten Bewerb in der Kombination, dem Leadklettern, hat Jakob Schubert eine Medaille sicher und realistischerweise kann ihm außer Adam Ondra auch niemand mehr den Kombinationstitel wegschnappen, denn alle anderen sind Boulder-Spezialisten. Als Jakob Schubert schließlich als Führender und als letzter Athlet an die Vorstiegswand tritt, weiß er, dass Adam Ondra sehr hoch gekletter ist, aber auch, dass er nur einen der anderen Konkurrenten im Lead hinter sich lassen muss. Schlussendlich reicht die Kraft noch für alle außer Ondra und mit zwei 2. und einem 1. Platz wird er souverän Weltmeister. Adam Ondra belegt Platz 2 und Jan Hojer wird 3.

Erste Erkenntnisse aus dem Olympischen Kombinationsformat

Dass ausgerechnet die Kombination aus Speed, Bouldern und Lead Olympische Disziplin wird, hat vielen Spitzenkletterern, vor allem in Europa, sauer aufgestoßen. Viele von ihnen lehnen vor allem das Speedklettern ab, das für sie nichts mit dem Grundgedanken des Sports, möglichst schwere Routen zu klettern, zu tun habe. Und da aufgrund des Formats die reinen Speedkletterer ohnehin rausfallen (wie in Innsbruck auch bestätigt), könnte man den Speedbewerb auch gleich streichen.

Alle, die in Tokyo 2020 an den Start gehen wollen, müssen sich jetzt wohl oder übel mit dem Speedklettern beschäftigen, weil Speed in dem Format genauso wichtig wie die anderen Disziplinen ist.

Nur wer so stark wie Janja Garnbret ist, kann sich leisten, einen Totalausfall im Speed zu riskieren. Mit zwei Siegen in den anderen Disziplinen kommt niemand mehr an ihr vorbei. Diese Stärken gilt es bei ihr zu konservieren, was der 19-Jährigen auch zuzutrauen ist.

Bei Adam Ondra sieht das schon anders aus: Bei Speed und Lead hat er die gleichen Ergebnisse wie Garnbret vorzuweisen, und im Bouldern hat er mit Rang 2 ein Topresultat, und trotzdem musste er sich bereits Jakob Schubert geschlagen geben, der sich keinen Fehler erlaubt hat. Schubert hat mit großer Konstanz gepunktet, wobei auch eine Portion Glück dabei war.

Kletterer bei der Kletter WM in Innsbruck

EXPA Pictures / Johann Groder

Boulder-Weltmeister Kai Harada

Darüber hinaus kann man nach der Kombi-Premiere aber auch noch weitere Eindrücke festhalten:

  • Das japanische Team ist unglaublich stark und breit aufgestellt. Bei den Frauen sind 2 von 6 Finalistinnen aus Japan gekommen, bei den Männern sogar 3 von 6. Man merkt, dass man in Japan schon sehr konzentriert am Olympischen Format arbeitet.
  • Die meisten Kombi-FinalistInnen kommen ursprünglich aus dem Bouldern. Dieser Bewerb ist der am stärksten umkämpfte. Hier können die Ergebnisse schnell in die eine oder andere Richtung ausschlagen. Jessica Pilz musste sich hier mit Rang 6 begnügen, während Sol Sa auf Rang zwei gebouldert ist. Bei den Männern haben Jakob Schubert und Adam Ondra, die beide nicht im Finale des Spezial-Boulderns waren, den Bewerb gewonnen.
  • Auch beim Speedklettern kann man im Moment kaum Ergebnisse vorhersagen. Ein Fehlstart oder -griff kann hier den ganzen Bewerb kosten. Hier wird sich in den nächsten zwei Jahren aber wohl noch am meisten tun.
  • Keine Überraschung gab’s hingegen im Lead-Klettern. Hier haben sich ganz klar die FavoritInnen durchgesetzt.
  • Interessant wird sein, worauf sich die AthletInnen in den nächsten Jahren beim Training konzentrieren werden, die Stärken auszubauen oder die Schwächen auszumerzen?

Insgesamt war es eine gelungene Premiere für eine Kletter-Novität. Bis die in den Köpfen von AthletInnen und ZuschauerInnen ankommt, wird es noch ein wenig dauern. Auf dem Weg nach Tokyo 2020 sind jedenfalls noch einige Bewerbe im Olympischen Kombinationsformat eingeplat.

mehr Sport:

Aktuell: